Einige Hundert Menschen haben sich am Donnerstagabend vor der Feldherrnhalle versammelt, um ihre Solidarität mit den Opfern des mutmaßlichen Anschlags auf die Gewerkschaftsdemonstration von Verdi zu bekunden. Es traten auch mehrere Personen auf, die an der Demo teilgenommen hatten. Während die Veranstalter von 4000 bis 5000 Teilnehmern am Abend sprachen, schätzte die Polizei die Zahl auf 500.
„Kein Wahlkampf auf dem Rücken der Opfer“, war auf einem Plakat zu lesen. Die Stimmung war geprägt vom Entsetzen über die Tat, aber vor allem von Wut und Empörung über Äußerungen aus der Politik, die als Hetze gegen Migranten verurteilt wurden. Der Fokus der vom Linken-Stadtrat Thomas Lechner spontan angemeldeten Kundgebung lag darauf, dass viele Politiker die Tat aus Sicht der Redner instrumentalisierten, um die Forderung nach einer härteren Migrationspolitik zu untermauern.

Anschlag in München:Faschingsveranstaltungen abgesagt: „Uns ist einfach derzeit nicht nach Feiern zumute!“
Die Stadt und zwei Faschingsvereine haben ihre Treffen und Umzüge abgesagt. Bei einem ökumenischen Gottesdienst wurde der Betroffenen des Anschlags gedacht.
„Absolut inakzeptabel“ sei, dass die Tat im Wahlkampf genutzt werde, sagte Lechner. Darunter hätten sehr viele migrantische Personen zu leiden. Alle Redner kritisierten, dass die Tat, die ein Angriff gegen eine Gewerkschaftsdemo mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund gewesen sei, für Stimmung gegen Migranten genutzt werde.


„Man darf solche tragischen Ereignisse nicht nutzen, um zu hetzen“, rief Harald Pürzel, Vorsitzender von Verdi München. Er versprach den von der Tat Betroffenen: „Wir werden Sie unterstützen, wo wir nur können.“ Auch er verurteilte, dass einige Politiker schon kurz nach dem mutmaßlichen Anschlag Stimmung gegen Menschen mit Migrationsgeschichte gemacht hätten. „Das dürfen wir nicht zulassen“, sagt Pürzel, „wir werden uns nicht spalten lassen.“
Bei der Demo am Vormittag waren zahlreiche Menschen mit Migrationsgeschichte mitgelaufen. Für eine Gewerkschaft spielen weder Herkunft noch Aussehen eines Menschen eine Rolle. Unter dem Jubel der Demonstrierenden rief Pürzel: „Wir halten zusammen.“
Michael Jäger ist Verdi-Mitglied und war nach eigenen Angaben Teil der Demo am Vormittag. Er stehe noch immer unter Schock, sagte er. Etwa 40 Meter vor dem Schluss des Demozugs sei er gelaufen, als das Auto in die Menge fuhr. Er sei beeindruckt, sagte er auf der improvisierten Bühne vor der Feldherrnhalle, dass so viele Menschen unmittelbar nach dem „Ereignis“ anderen zu Hilfe gekommen seien. Obwohl sie noch mit Gefahr hätten rechnen müssen, schließlich sei ein Schuss gefallen.
Als er gesehen habe, dass die Polizei einen Mann mit dunkler Hautfarbe aus dem Auto zog, sei ihm klar gewesen, dass dies von Politikern für Hetze gegen Migranten genutzt werde: „Mir war klar, dass wir heute Abend dagegen eine Demo machen müssen.“ Mit teils drastischen Worten kritisierte Jäger, dass Politiker mit Statements zur Migrationspolitik nicht einmal gewartet hätten, bis das Blut getrocknet gewesen sei. Seine Rede wurde mehrmals unterbrochen von Sprechchören: „Hoch die internationale Solidarität.“
Arif Abdullah Haidary, stellvertretender Vorsitzender des Münchner Migrationsbeirats und Afghane, verurteilte, dass jedes Attentat „sofort verallgemeinert“ werde. Das sei nicht in Ordnung. „Afghanen sind nicht so, Geflüchtete sind nicht so, Migranten sind nicht so.“
Es gebe in der afghanischen Community große Trauer über die Tat in der Seidlstraße. Benedikt Seidl, Gewerkschafter und Demo-Teilnehmer, verurteilte ebenfalls die weitverbreitete Verallgemeinerung und fragte: „Was können die Afghanen, die hier sind, dafür, dass es ein Afghane war?“
Eine junge Frau, Auszubildende bei der Stadt und auch Teilnehmerin der Demo am Vormittag, berichtete auf der Bühne, dass sie nach der Tat allein und geschockt zu Hause gesessen sei und sich gefragt habe: „Was kann man tun?“
Als sie dann nach und nach Statements aus der Politik gehört habe, habe sie sich nicht nur hilflos und traurig gefühlt, sondern sei „richtig, richtig wütend“ geworden. „Ich will am liebsten nur kotzen“, weil die Tat für einen „rechten und rassistischen Wahlkampf genutzt werde“.