München:Sing, sing, sing

"Es war niemand dafür: nur ich", sagt die gebürtige Finnin Tuija Komi über ihren Entschluss, mit 37 Jahren den Job als IT-Projektmanagerin an den Nagel zu hängen und als Jazzsängerin ihr Geld zu verdienen. Mittlerweile hat sie ihr eigenes Quartett und fünf CDs aufgenommen

Von Franziska Gerlach

Tuija Komi muss nicht lange überlegen, wie sich die Entscheidung für den Gesang angefühlt hat: Es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten, damals, im Jahr 2005, die Dunkelheit sank schon früh am Abend über die Münchner Straßen. Die gebürtige Finnin lag im Bett, äußerlich war sie ruhig, doch in ihr tobte der Kampf zwischen Gefühl und Vernunft. Bleib da, das ist ein sicherer Job, bleib da, habe der Kopf ihr geraten. Doch der Bauch, der wollte eben etwas anderes, ein Leben auf der Bühne.

München: Noch immer spricht die Frau, die da mit einer türkisfarbenen Blume im hellblonden Haar auf der Veranda der Seidlvilla vor einem sitzt, von "einer Fügung", die sie zum Gesang gebracht hat.

Noch immer spricht die Frau, die da mit einer türkisfarbenen Blume im hellblonden Haar auf der Veranda der Seidlvilla vor einem sitzt, von "einer Fügung", die sie zum Gesang gebracht hat.

(Foto: Robert Haas)

Am Ende gewann der Bauch dieses Kräfte verschlingende Hin und Her, gegen die Bedenken von Freunden und Kollegen. "Es war niemand dafür, nur ich." Doch das reichte: Komi, heute 50 Jahre alt, macht sich damals als Jazzsängerin selbständig, manchmal arbeitet sie auch als Sprecherin für finnische Hörbücher oder E-Learning-Programme, moderiert Musik- und Kulturfestivals oder gibt Workshops an der Münchner Volkshochschule. In ihren früheren Beruf als Projektmanagerin in der IT eines großen Münchner Unternehmens aber sollte sie nie wieder zurückkehren. Noch immer spricht die Frau, die da mit einer türkisfarbenen Blume im hellblonden Haar auf der Veranda der Seidlvilla vor einem sitzt, von "einer Fügung", die sie zum Gesang gebracht hat. Denn so richtig glücklich, das sei sie in ihrem alten Job zuletzt einfach nicht mehr gewesen.

Mittlerweile hat die Sängerin sowohl mit ihrem Duo "Jazzango" also auch mit dem "Tuija Komi Quartett" CDs aufgenommen, insgesamt fünf Stück, in München ist sie schon im Bayerischen Hof und im Jazzclub Unterfahrt aufgetreten, in Regensburg und in Flensburg hat sie gesungen, in Finnland, Italien, Portugal und Spanien, und wenn sie ein besonders schönes Erlebnis benennen soll, dann ist das der Auftritt in einem Jazz Club in New York. Wie bitte? Unterfahrt, Bayerischer Hof, New York - einfach so?

Nein, so einfach ist es natürlich nicht, auch wenn die Geschichte von Tuija Komi, die in Finnland Betriebswirtschaftslehre studiert hat und 1992 für ein Praktikum erstmals nach Deutschland kommt, tatsächlich etwas von jenem spontanen Glamour hat, der Hollywoodkarrieren so gerne nachgesagt wird. Dabei geht Komi durchaus überlegt vor, als sie 2006 die ersten Schritte in die Selbständigkeit unternimmt. Sie beantragt bei der Agentur für Arbeit einen Zuschuss für Existenzgründer, besucht Workshops, schreibt einen Businessplan und kümmert sich um eine Homepage. Die Finnin studiert sogar noch einmal, Jazz- und Popgesang, und weil sie mit ihren 37 Jahren die Altersgrenze der Münchner Musikhochschule damals bereits überschritten hat, muss sie dafür nach Frankfurt pendeln, über zwei Jahre hinweg, jede Woche. Doch sie komme schließlich aus Finnland, dort lege man viel Wert auf eine solide Ausbildung. Wenn sie als Sängerin ihren Lebensunterhalt bestreiten möchte, das war ihr von Anfang an klar, dann müsse sie mehr können als das, was sie sich als selbst beigebracht hat. Die Konkurrenz schlafe ja nicht. "Und es macht mir Spaß, mich zu verbessern, mich weiterzuentwickeln."

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Das Duo "Jazzango".

(Foto: Privat)

Die Musik und Komi, das war keine Liebe auf den ersten Blick. "Doch wenn man älter wird, dann kommen die wahren Wünsche hoch", sagt die Sängerin. Und will man diese Beziehung partout einem Vergleich unterziehen, so ist das vielleicht die Erkenntnis, dass die langjährige Freundschaft zu dem besten Kumpel doch zu mehr taugt als zum obligatorischen Feierabendbier. Denn es stimmt schon: Bereits in der Grundschule wies die Musiklehrerin Komi immer die Soli zu. Und auch als sie mit beiden Beinen mitten im Berufsleben stand, sang sie nach Feierabend in einer Band, "nebenbei", wie sie erzählt.

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(Foto: Robert Haas)

Dieses Nebenbei ist zu ihrem Beruf geworden, nicht über Nacht, sondern mit dem Einsatz von viel Disziplin, Durchsetzungsvermögen und Zeit. Vielleicht sei sie lange noch nicht so weit gewesen, sagt Komi. Noch nicht bereit und reif genug, sich dem Urteil des Publikums zu stellen. Auf der Bühne öffne man sich, das mache verletzlich. Wer ihr aber dabei zusieht, wie sie in der Seidlvilla - wo sie auch probt - aus dem Stand mit ihrer sinnlich-rauen Stimme Frank Sinatras "New York, New York" gibt, mit den Leuten plaudert und einer Dame strahlend einen Flyer überreicht, da kann man sich kaum vorstellen, dass sie überhaupt jemals Selbstzweifel überkommen könnten. Doch es gab auch andere Momente auf Komis Weg. Momente, in denen sie damit gehadert hat, sich der Musik erst "so spät" zugewandt, ihr Potenzial nicht früher ausgeschöpft zu haben. Dann wiederum sagt sie sich: "Mir fehlen vielleicht die Jahre als Sängerin, dafür habe ich viel Erfahrung aus meinem vorherigen Beruf."

Die Stimme

Tuija Komi wurde im März 1968 in Joroinen in Finnland geboren. In ihrer Heimat studierte sie Betriebswirtschaftslehre, 1992 kommt sie das erste Mal für ein Praktikum nach Deutschland, für ein halbes Jahr. 1995 zieht sie endgültig in die Bundesrepublik. Sie arbeitet zunächst einige Jahre in Frankfurt am Main. Nach dem Umzug nach München ist sie als Projektmanagerin in der IT einer großen Firma tätig, ehe sie sich 2006 als Sängerin selbständig macht. Mit dem "Tuija Komi Quartett" stellt die Sängerin im Herbst ihre neue CD vor. Mit dem Akkordeonisten Vlad Cojocaru bildet sie das Duo "Jazzango". Deutschlandweit war Tuija Komi zu sehen, als sie im Jahr 2014 bei "The Voice of Germany" auftrat, der Casting-Show eines privaten Fernsehsenders. frg

Wer nämlich auf der Bühne stehen möchte, der sollte nicht nur schön singen können. Der muss auch Akquise betreiben, um überhaupt an Auftritte zu kommen. Und in der Lage sein, bei den Veranstaltern die gewünschte Gage durchzusetzen - auch wenn das nicht immer Spaß macht. Trotzdem, sagt Komi, sei sie heute viel glücklicher. Freier. Damit meint sie einerseits, dass sie als Selbständige ihr eigener Herr ist. Wenn sie den Tag mit einem Spaziergang durch den Englischen Garten beginnen möchte, dann tut sie das eben. Manchmal springt sie auch in die Isar, ehe sie den Laptop aufklappt. Komi weiß aber auch um den Luxus der freien Berufswahl in der westlichen Welt und schätzt die zahlreichen Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung. Eine, die erkannt hat, dass ein Beruf heutzutage keine Zwangsehe mehr ist, und die die Sache daher gelassen angehen kann: "Wenn es nicht klappt, dann werden halt neue Pläne gemacht."

Nächste Folge: vom Physiker zum Allrounder im Stadtteil

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