Kritik an Kommerzialisierung:Subkultur-Kollektive wenden sich gegen geplante Silvestermeile

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So stellt sich der Veranstalter die Silvestermeile zwischen Siegestor und Odeonsplatz vor. (Foto: Einhorn & Gral)

„Mehr Lärm für München“ und zehn weitere Initiativen kritisieren die Vergabe öffentlichen Raums an einen Veranstalter gegen Geld. Sie wollen die Meile auf der Ludwigstraße selbst bespielen – ohne Champagnerstände und Eintrittsbarrieren.

Von Michael Zirnstein

Unumstritten war die geplante Münchner Silvestermeile von Anfang an nicht. Die Kritik einiger Stadträte dreht sich dabei vor allem um den geplanten Eintrittspreis: 40 Euro sollen Feierwillige dafür bezahlen, übrigens erst Silvester 2025, noch nicht zu diesem Jahreswechsel. Dafür dürften die Besucher dann aber auch auf der Ludwigstraße zwischen Odeonsplatz und Siegestor eine Lichtshow erleben (statt Feuerwerk), eine Silent-Disco, Bühnen mit Livebands und Gastrobuden. So der Plan des Münchner Veranstalters Alexander Wolfrum, dem der Wirtschaftsausschuss der Stadt vorige Woche mit den Stimmen von Grünen und SPD mit knapper Mehrheit zugestimmt hat.

Doch nun gibt es gegen das auf zwei Jahre angelegte Pilotprojekt weiteren Widerstand. Elf Subkultur-Kollektive haben unter Federführung der Initiative „Mehr Lärm für München“ einen Brandbrief an die Stadträte geschrieben. „Die Entscheidung, den Odeonsplatz an Silvester 2025 für eine kommerzielle Silvestermeile freizugeben, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die seit Jahren für unkommerzielle Freiräume kämpfen. Das zeigt wieder einmal, wie in München mit öffentlichen Räumen umgegangen wird: Wer zahlt, bekommt sie.“ Jonathan Schock von Mehr Lärm für München, die auch mit ihren Krachparade-Umzügen für Aufmerksamkeit trommeln, sagt: „Wir fühlen uns nicht gesehen, nicht gehört und unfair behandelt.“

Es geht den Techno- und Subkultur-Veranstaltern, zu denen etwa Common Ground, Freiräumen, Bushbash, Isarbass und Tanzwut gehören, ums Grundsätzliche. 100 illegale Raves würden jedes Jahr aufgelöst, das zeige, „dass kreative Entfaltungsmöglichkeiten fehlen“. Sie hätten Ideen, würden auch zum Teil gehört, kämen aber am Ende nicht weiter. So hätte man die Raver beim Sozialreferat-Projekt „Munich Urban Celebrations“ an den Stadtrand verbannt: „Nach 22 Uhr scheint echte Kultur in der Innenstadt nicht mehr erwünscht zu sein. Es sei denn, sie bringt Geld ein.“ Ein anderer Fall: Sie hätten monatelang eine große Techno-Feier an der Messe Riem geplant; die sei kurzfristig vom Umweltamt abgesagt worden wegen Tierschutzbedenken – zwei Wochen später sei die Bühne frei gewesen für Helene Fischer.

„Wir wollen die gleichen Regeln wie die Menschen mit dem großen Geld“

„Unkommerzielle Kollektive schauen dagegen in die Röhre“, sagt die Initiative. Als Gegenmodell zur Silvestermeile fordert sie von den Politikern: „Öffnen Sie die Ludwigstraße und den Odeonsplatz an Silvester für alle! Geben Sie den Raum an Münchner Kollektive, Bands und Kreative, die größtenteils ehrenamtlich und unkommerziell echte Kultur schaffen – ohne Eintrittsbarrieren und ohne kommerzielle Zwänge.“ Man würde sich gerne an der Planung so eines Straßenfestes im Stil des Corso Leopold beteiligen, sagt Schock: „Wir würden es anders machen, keine Champagnerstände aufstellen. Die Leute feiern dort doch ohnehin, wir würden Bühnen aufbauen, die kuratiert bespielt werden von Bands und DJs. Und Lichtinstallationen und Lasermapping, das können wir auch. Und das ganz ohne Eintrittsgeld.“

Ob die Kollektive erstmals ein solches Großevent für Zehntausende stemmen können? Das glaubt Schock durchaus. Zur Krachparade in diesem Jahr kamen 8000 Menschen auf den Odeonsplatz, mit bis zu 20 000 Menschen und 38 DJ-Wagen zog man dann durch die Innenstadt zur Theresienwiese. Ganz so viele werde man jetzt auf die Schnelle nicht mobilisieren, aber man hat auch gegen die Silvestermeile eine Demonstration angemeldet. Die soll voraussichtlich am Mittwoch gegen 18 Uhr in der Nähe des Rathauses steigen (endgültige Informationen unter www.krachparade.de oder auf Instagram „Mehr Lärm für München“). Da dürfte es schon vor Silvester knallen, wobei außer Techno-DJs auch Bands und ein Chor angefragt sind. „Wir sind ein breites Bündnis“, sagt Jonathan Schock, „und wir wollen die gleichen Regeln wie die Menschen mit dem großen Geld und den großen Namen.“

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels stand, der Wirtschaftsausschuss habe mit den Stimmen von SPD, Grünen und CSU für die Silvestermeile votiert. Die CSU und die Freien Wähler allerdings stimmten gegen den ursprünglichen Antrag des Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner (CSU) und die Ergänzungen.

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