Silvester in München:Kein Exzess, keine grölenden Besoffenen, trotzdem viel Spaß

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Am Wedekindplatz wird zum Jahreswechsel 2022 gezündelt, wenn auch nur vereinzelt. (Foto: Johannes Simon)

München feiert wieder - wenn auch in sehr reduzierter Form und unter Beobachtung der Polizei. Eine Reportage aus der Stadt.

Von Andreas Schubert

Als es dann am Wedekindplatz endlich zwölf schlägt, packen einige doch ihr Silvester-Equipment aus. Eine Gruppe mittelalter Männer in Heavy-Metal-Shirts tut das, was sie vermutlich schon immer zu dieser Gelegenheit getan hat: Sektflasche auf den Boden, Raketen rein, Feuer frei. Sie sind die einzigen, die hier, am einstigen Hotspot Schwabings, eine vermeintliche Normalität zelebrieren. Schließlich war ja nur der Verkauf von Feuerwerk verboten, nicht aber das Abfeuern von Restbeständen aus dem Keller. Nur Kanonenschläge und andere reine Krachmacher bleiben verboten.

Die Menge - vielleicht 150 Leute - nimmt es dankbar auf, die meisten haben höchstens Knallerbsen und Wunderkerzen dabei. Aber dank des Böllerverbots muss niemand - anders als in früheren Jahren - Angst vor einem Knalltrauma oder anderen Verletzungen haben.

Erste Bilanz
:Silvester in München - mehr als 600 Polizei-Einsätze in der Stadt

Ruhestörungen, Körperverletzungen und Verstöße gegen die Corona-Regeln: Eine erste Bilanz der Silvesternacht in München von Polizei und Feuerwehr.

Die Ausgangssperre vor einem Jahr scheint vergessen

Es geht verhältnismäßig gesittet zu. Die Leute prosten sich zu, umarmen sich, eine Gruppe junger Leute in einem Mercedes Cabrio fährt johlend und hupend die Feilitzschstraße auf und ab. Vor den Kneipen, etwa Zum Neuen Hut oder dem Abseits an der Marktstraße, stehen die Gäste und freuen sich, dass sie wieder zusammen feiern dürfen. Der Jahreswechsel vor einem Jahr, eine stille Nacht mit Ausgangssperre ab 21 Uhr, scheint vergessen. An der Leopoldstraße zündet jemand ein Feuerwerk, das ziemlich professionell anmutet. Es dauert nur ein paar Minuten, mehr scheinen die Restbestände nicht mehr hergegeben zu haben.

München feiert wieder, wenn auch in sehr reduzierter Form und unter Beobachtung der Polizei. Schon ein paar Stunden vorher ist das Zentrum vollgestellt mit Mannschaftswagen der Beamten. Am Marienplatz stehen fünf Busse, ein paar Meter weiter an der Weinstraße schon der nächste, am Odeonsplatz sowieso. Es herrscht schließlich ein Versammlungsverbot, das es zu überwachen gilt. Mehr als zehn Leute dürfen nicht zusammenstehen. Dasselbe gilt an den Isarbrücken, wo früher ebenfalls heftig gefeiert wurde.

Alle paar Minuten zieht eine Kohorte in Uniform vorbei, einige Passanten in Feierlaune wünschen den Polizistinnen und Polizisten einen guten Rutsch und einen ruhigen Einsatz. Von einer aggressiven Stimmung, wie sie etwa bei den Corona-Demos noch vor wenigen Tagen herrschte, ist keine Spur. Wer sich an frühere Jahre erinnert, als zum Beispiel der Marienplatz oder die Reichenbachbrücke zum Jahreswechsel gefährliche Pflaster waren, dürfte sich auch für die Zukunft ein so entspanntes Silvester wünschen.

Nur kein Silvester-Stress: Lagerfeuerromantik an der Alten Utting. (Foto: Johannes Simon)

Wie ein lässiger und friedlicher Silvesterabend ausschauen kann, führen auch die Gäste der Alten Utting am Rande Sendlings vor. Die überwiegend jungen Besucher sitzen entspannt um Feuerschalen herum und lauschen einem Gitarristen, der eine witzige Mischung aus Folk- und Rockballaden aufführt. Wer nicht sitzt, trägt brav eine Maske, die Corona-Regeln werden konsequent eingehalten. Schon am Eingang muss der junge Mann, der die Impfnachweise kontrolliert, Leute abweisen, die ebensolche nicht dabei haben.

Bei der Taschenkontrolle zieht er auch von daheim mitgebrachte Sekt- und Schnapsflaschen heraus und stellt sie in eine Kiste, damit sie die Besitzer später wieder mitnehmen können. Kein Exzess, keine grölenden Besoffenen, trotzdem viel Spaß: Das Motto des Abends haben die Macher der Utting auf einer Tafel so zusammengefasst: "Alles, alles wird wieder gut". Die frühlingshaften Temperaturen tragen zur guten Laune sicherlich bei. Aber so richtig voll ist es eine Stunde vor Mitternacht in der beliebten Feierlocation trotzdem nicht.

Warten auf das neue Jahr: Eine halbe Stunde vor Mitternacht ist es am Gärtnerplatz noch ziemlich leer. (Foto: Johannes Simon)

Auch am Gärtnerplatz - ebenfalls ein berüchtigter Party-Hotspot zu Lockdown-Zeiten - treiben sich verhältnismäßig wenige Menschen herum, treffen sich mit Freunden, trinken Sekt. Zwei junge Frauen erzählen, dass sie wegen Corona lieber im Freien statt in einer Kneipe feiern, sicher ist sicher. Wesentlich mehr los ist dann am Stachus und am Marienplatz, wo es schon einige hundert Leute sein dürften. Auch an der Theresienwiese haben sich viele junge Leute zum Feiern versammelt. Einige der hier Feiernden haben wohl ebenfalls ihre Keller nach Raketen durchforstet oder sich im Ausland mit Feuerwerk eingedeckt.

Die Polizei zeigt am Marienplatz Präsenz. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Alles in allem geben sich die Münchner zu diesem Jahreswechsel diszipliniert. Viele sind daheimgeblieben, um im kleinen Kreis zu feiern. Trotzdem haben Polizei und Feuerwehr auch in diesem Jahr einiges zu tun: Als vorläufige Silvesterbilanz vermeldet die Polizei mehr als 600 Einsätze und verzeichnet etwa 120 Ruhestörungen, 50 Körperverletzungen, mehrere Verstöße gegen die Corona-Regeln. "Arbeitsreich" sei die Nacht verlaufen, teilen die Beamten mit. Die Feuerwehr verzeichnet 58 Einsätze, 24 Brände im Freien und vier Brände in Gebäuden. Der Rettungsdienst der Feuerwehr wurde 341 Mal alarmiert.

Im De-Gasperi-Bogen etwa standen die Strohballen, die als Begrenzung des dortigen Schlittenberges aufgestellt waren, in Flammen. 20 Einsatzkräfte waren mit den 35 Kubikmetern Stroh eineinhalb Stunden beschäftigt. An der Theresienwiese versuchten Jugendliche, mit einem Verkehrsschild einer Baustelle die Treppe der Bavaria herabzufahren. Ein 19-Jähriger verweigerte zunächst die Behandlung seiner schweren Verletzungen, wurde dann aber in Begleitung der Polizei in ein Krankenhaus gebracht. Zwei weitere Jugendliche verletzten sich dabei leicht und kamen auch ins Krankenhaus.

Nach Einschätzung der Einsatzkräfte ist dieses Silvester vergleichsweise wenig passiert. Sie sprechen von einem "verhältnismäßig ruhigen Jahreswechsel auf dem niedrigen Einsatzniveau des Vorjahres", als die Ausgangssperre galt.

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