Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Grün im Grau:Siemens-Park: Warten auf das Freizeitparadies

Seit die Stadt den 14 Hektar großen Siemens-Park gekauft hat, warten die Menschen im Münchner Süden darauf, dass er neu gestaltet wird. Ein Ortsbesuch.

Von Jürgen Wolfram

Kraut und Rüben: So heißt ein Magazin für Freunde des biologischen Gärtnerns; es gedeiht offenbar auf dem Boden des Humors. Viel häufiger steht die florale Kurzformel für vernachlässigtes Grün, für Wildwuchs oder augenfällige Unordnung. Das wäre für nicht wenige Ecken und Enden des ehemaligen Hermann-von-Siemens-Sportparks eine treffende Zustandsbeschreibung. Seit die Stadt das 14-Hektar-Areal gekauft hat, um es als öffentliche Grünfläche und Sportgelände zu sichern - das war 2017 -, liegt es da wie ein großes Versprechen an die Bürger im Münchner Süden: Hier entsteht ein Erholungsparadies, ein grandioser Ausgleich zur fortschreitenden baulichen Verdichtung in der Umgebung - die Wohntürme des nahen Quartiers "Südseite" lassen grüßen. Die Frage ist nur, wann sie endlich Wirklichkeit wird, die verheißene Oase mannigfaltiger Freizeitfreuden.

Die Antwort kennt weder der Wind, der durch die Büsche und Bäume der Parkanlage an der Siemensallee streicht, noch gegenwärtig die Stadtverwaltung. Ein "konkreter Zeithorizont" für die Umsetzung eines Planungskonzepts lasse sich "aufgrund verschiedener variabler Faktoren" derzeit leider nicht benennen, schreibt auf Anfrage das städtische Baureferat. Erst einmal müssten im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens die baurechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Aktuell würden dafür konzeptionelle Vorarbeiten erledigt. Immerhin seien "vielfältige und zahlreiche Ideen" aus der Bürgerschaft zur Neugestaltung der öffentlichen Grünfläche in ein erstes Konzept eingeflossen. Diese würden nun geprüft.

Tatsächlich hat selten ein Vorhaben die Fantasie der Bevölkerung in Obersendling, Thalkirchen, Solln und Umgebung so stark bewegt wie die geplante Umgestaltung des Siemens-Sportparks. Es hagelt förmlich Vorschläge, seit bekannt geworden ist, dass die Stadt dort künftig Regie führen wird und nicht ein privater Investor. Die Ideen reichen von Schulschwimmbad bis Naturlehrpfad, von Dirtbike-Trail bis Jugendtreff. Ein Informationstag im Park am 11. September 2020 stieß auf starke Resonanz. Generiert wurden bei dieser Gelegenheit weitere Anregungen zur Nutzung des Geländes, überwiegend mit sportlichen und gesundheitsfördernden Akzenten. Sofern es die Pandemie zulässt, bietet das Referat für Bildung und Sport ganz in diesem Sinne schon heute Kurse wie "Fit im Park", Yoga, Pilates und Bodystyling an, ergänzt durch Spielangebote für Kinder.

Nun ist es ohnehin nicht so, dass der öffentlich zugängliche Sportpark vollends im Dornröschenschlaf vor sich hindämmern würde. Tatsächlich haben die Bewohner der umliegenden Viertel ihn längst für sich erobert. Spaziergänger, häufig mit Hund, trifft man alle paar Meter. Jürgen Bugarsitz ist einer der Stammgäste im Park. Er findet es "erbärmlich", dass die Stadt nicht mehr Geld in die Hand nimmt, um wenigstens die maroden Altbauten in der Grünanlage wie die stillgelegte, mit Brettern vernagelte Sporthalle abzureißen und das Gelände zügiger aufzupeppen. Nicht mal Hundekotbeutel-Spender seien zu finden, beklagt sich Bugarsitz, meistens unterwegs mit seiner Hündin Nani. Bei genauem Hinsehen fänden sich stattdessen immer wieder Spuren der Vermüllung, Reste jugendlichen Partytreibens. Es reiche eben nicht, ein paar Wegleuchten aufzustellen und gelegentlich die Rasenflächen zu mähen, gibt der Flaneur der Stadtverwaltung mit auf den Weg.

Für die zweijährige Lissi ist der Sportpark indes schon jetzt das Paradies. Hunde streicheln, Bälle werfen - für die Kleine das höchste Vergnügen. Und wie das so ist: Freut sich das Kind, strahlen die Eltern. Sie finden den Siemens-Sportpark "angenehm, weil nicht überlaufen". Mag das Gelände auch kein Geheimtipp mehr sein, die Besucherfrequenz ist selbst im Sommer tatsächlich überschaubar. Ständig was los ist nur in jener Ecke, in der der Siemens-Tennis-Club (STC) seine Plätze und sein Clublokal, das "La Dolce Vita", betreibt.

Den Laden schmeißt seit drei Jahren Francesco Meli, ein gebürtiger Sizilianer. Er freut sich, dass nicht nur Tennisspieler seine Terrasse bevölkern, sondern auch viele externe Besucher. "Das Verhältnis ist ziemlich genau fifty-fifty", weiß Meli zu berichten. Der STC gehört zu den Konstanten im Park; er ist ein traditionsreicher und angesehener Münchner Sportverein. Kaum gerüttelt werden dürfte ebenso am Basketball-Feld in seiner Nachbarschaft, ein beliebter Treff sportlich ambitionierter Jugendlicher.

Spätestens wenn man mit Wilfried Buchsteiner auf den Siemens-Sportpark zu sprechen kommt, wird deutlich, dass es bei allen Zukunftsvisionen keineswegs nur um das 14-Hektar-Gelände aus dem riesigen Obersendlinger Siemens-Nachlass geht, sondern auch um die Grün- und Landwirtschaftsflächen südlich und östlich davon. Für Buchsteiner, Sprecher einer Bürgerinitiative, ist die Ausweisung des gesamten Grünzugs als Landschaftsschutzgebiet (LSG) zwingend. Nur so lasse sich in Zeiten des Klimawandels eine hinreichende Frischluftzufuhr für die sich verdichtende Großstadt sichern. Wieder und wieder haben Buchsteiner und seine Mitstreiter von "Ü 60 aktiv" die Behörden und den Stadtrat aufgerufen, in diesem Sinne Entscheidungen zu fällen.

Wenigstens ein Etappenziel ist erreicht: Der Planungsausschuss des Stadtrats beschloss im Oktober 2021, ein 2005 schon mal in Gang gebrachtes und später ausgesetztes Verfahren zur Unterschutzstellung des gesamten Grünzugs neu zu starten; bisher fällt nur der Sportpark unter Landschaftsschutz. Abgeschlossen ist der Erweiterungsprozess noch nicht, die Gebietsschöpfung unter der Bezeichnung "Landschaftspark Isar-Solln" also keineswegs besiegelt.

Dass es bald dazu kommt, dafür macht sich nicht zuletzt der Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln stark. "Nachdrücklich" begrüßte die Stadtteilvertretung die Pläne zur Erweiterung des bestehenden Landschaftsschutzgebiets mit dem Siemens-Sportpark und dem Wäldchen südlich davon. Der projektierte Landschaftspark Isar-Solln sei für den Stadtbezirk von "überaus hoher Bedeutung", heißt es in einer Stellungnahme des Lokalgremiums an das Referat für Stadtplanung und Bauordnung. In einem von starker Nachverdichtung geprägten Gebiet würden Grün- und Freiflächen für die Erholung und Gesundheit der Bewohner immer wichtiger. Es soll jedoch Stadträte geben, die in dem betreffenden Gelände noch immer eine prima Baulandreserve sehen.

"Die Waage neigt sich derzeit mehr in Richtung Zustimmung zur LSG-Ausweisung, wir sind mit dem Landschaftspark Isar-Solln aber noch nicht durch." Mit diesen Worten taxiert der Bezirksausschuss-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU) die Aussichten auf einen positiven Ausgang des Verfahrens. Als Hürde könnte sich noch erweisen, dass man es mit verschiedenen Grundeigentümern zu tun habe. So oder so - Weidinger geht alles zu langsam voran, sowohl mit der Neugestaltung des Siemens-Sportparks wie auch mit der Erweiterung des Landschaftsschutzgebiets: "Wenn jetzt erstmal ein Bebauungsplan aufgestellt wird, dann kann man sich ja vorstellen, wie lange das noch dauert."

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