Prozess in München:Sexuelle Übergriffe auf der Pflegestation

Prozess in München: Der Mediziner musste sich vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.

Der Mediziner musste sich vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Aus Angst, ihren Job zu verlieren, ließ eine Reinigungsfrau ein Jahr lang die Attacken eines Hausmeisters in einem Pflegeheim über sich ergehen. Vor Gericht kommt der Mann mit einer Bewährungsstrafe davon.

Von Susi Wimmer

Morgens zur Arbeit zu gehen, immer mit der Angst, dass Ivica R. auf sie lauert, das muss für Milana P. (Name geändert) die Hölle gewesen sein. Sie arbeitete als neue Reinigungskraft in einem Pflegeheim im Landkreis München, er war dort langjähriger Hausmeister, hoch angesehen, gutes Standing. Über ein Jahr lang ertrug sie seine sexuellen Übergriffe, die immer massiver wurden, ehe sie den Mut fand, sich an die Heimleitung und an die Polizei zu wenden. Vor dem Amtsgericht nun gestand der 61-Jährige die rund 200 Taten - und kam mit einer Bewährungsstrafe davon.

Dass das Schöffengericht bei der Anzahl der Delikte auf eine Freiheitsstrafe verzichtete, dürfte dem Geständnis des Angeklagten geschuldet sein, der damit Milana P. eine Aussage vor Gericht ersparte. Zur Schadenswiedergutmachung soll Ivica R. 3000 Euro an die Frau bezahlen - und er kündigte an, nach dem Prozess in seine Heimat Kroatien zurückkehren zu wollen.

Angefangen habe alles ganz harmlos, so erzählte es Milana P. später bei der Polizei. Im Sommer 2021 trat sie ihren neuen Job in dem Pflegeheim an, Ivaca R. verwickelte sie in Gespräche. Dann begann er, sie zu begrapschen. Sie habe Angst gehabt, ihren Job zu verlieren, sagte sie aus. Und vermutlich auch, dass man ihr nicht glauben würde.

Ivaca R. sei bei seinen Übergriffen ziemlich planvoll vorgegangen, so schildert es die Kriminalbeamtin im Zeugenstand: Er attackierte die Frau meist in der Zeit zwischen 9 und 9.30 Uhr, wenn auf der Station gerade die Übergabe stattfand und die Kollegen beschäftigt waren. Zudem suchte er sich die Zimmer aus, die im vierten Stock lagen, wo eventuelle Schreie nicht zu hören waren. Hauptsächlich in Zimmern, wo demente Menschen untergebracht waren, drängte er die Frau ins Bad, schloss die Türe und wurde übergriffig. "Sie wusste, dass sie dort keine Hilfe zu erwarten hatte", sagte die Beamtin.

Ein Jahr lang begrapschte Ivica R. die Frau, forderte sie zum Oralverkehr auf, griff sie von hinten an, dass ihr einmal sogar eine ätzende Reinigungsflüssigkeit auf die Kleidung schwappte. Seine Übergriffe wurden immer massiver, sie habe ihn immer weggeschoben und gesagt, dass sie das nicht wolle. Die Ermittlerin erzählt, dass Milana P. das Gefühl hatte, in einer ausweglosen Situation festzustecken, zumal auch noch die damalige Lebensgefährtin von R. in dem Heim arbeitete. Erst als Milana P. erfuhr, dass er eine Auszubildende angegangen haben soll, vertraute sie sich der Heimleitung an. Bei ihrer Befragung habe sie angegeben, sie wolle nicht, dass es noch mehr Opfer gebe. Dann sagt die Beamtin, dass von "weiteren Opfern" in dem Heim die Rede war.

"Ich bin kein gewalttätiger Mensch", sagt Ivica R., ehe er sich auf Anraten seines Anwalts entschuldigt. Zuvor hatte dieser mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft einen Deal ausgehandelt. Bei vollem Geständnis werde man R. eine Bewährungsstrafe von bis zu zwei Jahren in Aussicht stellen. Ein weiterer Anklagepunkt, der Ivica R. vorwirft, er habe sexuelle Handlungen an einer Auszubildenden im Aufzug vorgenommen, wird eingestellt. Es sei nicht auszuschließen, dass der entgegenstehende Wille der Frau nicht erkennbar gewesen sei, meint die Richterin. Am Ende verurteilt das Gericht den 61-Jährigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

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