Spezlwirtschaft:Verzückung und Verzweiflung

Spezlwirtschaft: Das Wiener Schnitzel für 22 Euro ist zart, die Panade recht fettig.

Das Wiener Schnitzel für 22 Euro ist zart, die Panade recht fettig.

(Foto: Stephan Rumpf)

In der Spezlwirtschaft ist vieles gut gelungen. Doch manchmal gibt es eine Katastrophe auf dem Teller - und es herrscht die an vielen Stellen grassierende Weinfrechheit.

Von Iwan Lende

Blöd gelaufen. Kaum sollte im vergangenen Herbst diese Kostprobe in den Druck gehen, knallte der neuerliche Lockdown auch der Spezlwirtschaft die Tür zu. Was eine Kostprobe natürlich sinnlos machte. Seither schlummerten die gesammelten Erkenntnisse über dieses Untersendlinger Wirtshaus vor sich hin, um jetzt, angereichert mit aktuellen Erfahrungen, endlich das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken. Der Laden hat, auch dank treuer To-go-Kundschaft, überlebt und bleibt damit einem Viertel erhalten, in dem manchmal sogar noch richtig Bairisch gesprochen wird. Und man erinnert sich noch, wie man nach dem ersten Eintreten die Schafkopfkarten auf den Tisch knallen hörte und sich Freude breit machte in der Hoffnung auf einen gemütlichen Wirtshausabend.

Jetzt aber sitzen Lende und Kompanie, weil das Wetter es erlaubt, doch lieber im Freien an der lauten Implerstraße und erinnern sich der mittels QR-Code aufrufbaren Speisekarte von einst, auf der, wie jetzt auch, der Schweinsbraten fehlte, dafür als Mantra des Ladens geschrieben stand: "Ja zur Tradition, Yeah zum Fortschritt!" Zum Fortschritt gehört wohl, dass das Glas Blaufränkischer mit 3,80 Euro für 0,1 Liter ausgewiesen ist. Dies passt auch post coronam zur in München grassierenden 0,1-Weinfrechheit. Die aber macht Lende grantig, weswegen er in solchem Falle in den Weinstreik tritt.

Es ist noch nicht lange her, da beschloss die Löwenbrauerei, nach einer eher unrühmlichen Ära dem Restaurant ein neues Image zu verpassen und dafür dem nach Neuem suchenden Wirt Philipp Hanrieder die Räumlichkeiten an der Ecke Impler- und Oberländerstraße anzubieten. Hanrieder betreibt ja schon in Haidhausen ein Lokal gleichen Namens. Und siehe da: Heute sollte man reservieren, um einen Platz zu ergattern.

Schon damals im Herbst fühlte es sich an, als sei man in einer Mischung aus Berliner Hipstertum und bairischer Gefühligkeit gelandet. Das Ambiente beschränkt sich auf weiße, kaum dekorierte Wände und dunkles Holz, auf schwere Tische mit Astlöchern drin und abgewetzte Gartenstühle, deren Ursprungsblau noch ansatzweise zu erkennen ist.

Und schon kamen die Vorspeisen, zwei für vier mit dreiteiligem Dipset und kleinem Tartar (10,80 und 11,80 Euro). Dass es keine Vorspeisenteller dazu gab, befremdete, fiel doch vom zu wenig bazigem Obazdn manches von der Gabel auf den Tisch, die sehr grüne Erbsencreme schmeckte kräftig nach ihrem Namen, ebenso der Erdäpfelkas. Das Tartar war fein gewürzt und mit einem kräftigen Schuss Senf geschärft (14). Allgemeine Zufriedenheit an Lendes Tisch.

Spezlwirtschaft: Die Atmosphäre in der Spezlwirtschaft liegt irgendwo zwischen Berliner Hipstertum und bairischer Gefühligkeit.

Die Atmosphäre in der Spezlwirtschaft liegt irgendwo zwischen Berliner Hipstertum und bairischer Gefühligkeit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das änderte sich, zumindest teilweise, mit dem Hauptgang. Ließen die Spinatknödel, garniert mit Walnüssen und Parmesan (13,80), noch kaum Kritik aufkommen, hörte man vom Eck mit der Mariposa Sportler Bowl (14,80), leises Meckern, dass hier der Essig wohl allzu sehr den Ton angebe in der sonst so frischen Salatmixtur. Stirnrunzeln auch dort, wo das gebackene Roastbeef mit Kartoffelpüree serviert war (18,90). Warum, bei Lukull, treibt man mit Panade dem Roastbeef seine Roastbeefigkeit aus und damit auch seine normalerweise nach innen zunehmende Rosazartheit?

Verzweiflung dann bei Lende selber, der sich ein gebackenes Hirschschnitzel bestellt hat (21,80), begleitet vom Kartoffelsalat mit Rosenkohl (!), eine allzu kühne Komposition. Das Schnitzel selbst: eine Katastrophe. Nein, das war, Lende würde seinen rechten Arm verwetten, keine Oberschale, sondern irgendein flachsiges Abfallstück. Dazu kam, dass bei dem Messer, mit dem Lende versuchte, dem sehnigen Rotwildteil beizukommen, Ober- und Unterkante nahezu identisch waren, also zum Schneiden ungeeignet. Lende säbelte, was das Zeug hielt, gab aber kurz vor der Hälfte auf.

Dass es auch anders geht, bewies das Wiener Schnitzel wenige Tage später (aktuell 22), es war zart, wie es sich gehört, auch wenn die Panade reichlich fett und wenig knusprig geraten war. Das als Steak angepriesene Stück Lende (bei 27,50 Euro für 220 Gramm dürfte man eigentlich ein Filet erwarten) geriet ebenfalls fast so geschmeidig, wie es sein sollte.

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fastfood-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können. SZ

Beim Test nun in der Nach-Lockdown-Phase zeigte sich, dass die Lust der Spezlwirte an der sanften Revolution bairischer Kulinarik nicht verloren gegangen ist. Zum Beispiel beim gebackenen Obazdn, dem in sechs Kügelchen parnierten Vorspeisenklassiker, der zwar prächtig würzig mundete, aber ebenso prächtig den Magen füllte (6). Lang arbeitete der Koch am Sellerie-Risotto, so, wie es sich halt gehört - eine Kombination, die zum Nachkochen animiert (12). Das Alt-Sendlinger Backfleisch war eine historische Nachhilfestunde, denn drei panierte Tafelspitzscheiben hat Lende in noch keinem Kochbuch gefunden. Das Fleisch war wunderbar zart, die Panade störte nicht, und das unterlegte Selleriepüree passte hervorragend (17).

Als Resümee bleibt: Lendes Runde empfindet es insgesamt als wenig zeitgemäß, dass kein Fleischgericht als "bio" ausgewiesen war. Der Service ist von fast kumpelhafter Freundlich- und Fröhlichkeit. Das junge Publikum freut sich ganz offenbar, in dem mit guter, aber etwas konservativer Gastronomie garnierten Viertel eine fröhliche Alternative gefunden zu haben.

Adresse: Implerstraße 47, 81371 München, Telefon: 089/76757593, Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 17 bis 1 Uhr, Sonntag 18 bis 22 Uhr, sendling@spezlwirtschaft.me, www.spezlwirtschaft.me

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