Süddeutsche Zeitung

Gasteig-Interim in Sendling:Bloß nicht mit dem Auto ins Konzert

Auf keinen Fall sollen die Besucher des neuen Kulturzentrums am Flaucher mit dem Auto kommen. Bürger, Lokalpolitiker und auch der Gasteig-Chef drängen auf optimale Busverbindungen - mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Von Birgit Lotze

Der Gasteig, Europas größtes Kulturzentrum, zieht nach Sendling. Etwas "ganz Großes" sei das für das Viertel, sagte der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Markus Lutz (SPD) bei einer ersten digitalen Fragestunde, die der BA mit dem Gasteig organisiert hatte. 144 Teilnehmer, meist Anwohner, erfuhren, dass die Eröffnung des auf fünf Jahre konzipierten Zwischenquartiers an der Brudermühlbrücke nach einer Rekord-Bauzeit von rund eineinhalb Jahren nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt.

Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner kündigte das Eröffnungskonzert für den 8. Oktober an. Die Hoffnung der Chat-Teilnehmer, dass die Stadt ein Konzept vorlege, wie das Großprojekt besser an das öffentliche Nahverkehrsnetz angebunden und wie das Parken in den umliegenden Straßen geregelt werden soll, wurde allerdings enttäuscht.

Im Chat wurden große Befürchtungen laut, dass die Besucher überwiegend mit dem Auto kommen - schließlich liegt das Gasteig-Zwischenquartier direkt am Mittleren Ring, gleichzeitig ist die ebenfalls anliegende Schäftlarnstraße nicht besonders gut von öffentlichen Verkehrsmitteln bedient. Der BA hatte vor Jahren schon ein Verkehrskonzept angemahnt, sogar zur Bedingung für den Gasteig-Zuzug gemacht, schließlich werden täglich Tausende Besucher erwartet, auch wenn der Gasteig am Flaucher etwas kleiner ausfallen soll als an der Rosenheimer Straße.

Die Philharmonie allein hat 1800 Sitzplätze. Im Oktober eröffnet auch die Stadtbibliothek. Im März sollen die Münchner Volkshochschule und die Musikhochschule an den Start gehen. Das Ziel wurde vor drei Jahren schon formuliert: Die Besucher sollen weit überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Konzert oder in die Bibliothek. 300 Parkplätze hat sich Max Wagner auf dem Großmarktareal zusichern lassen, diese Zahl liegt am unteren Rand dessen, was die Verkehrsplaner - vorausgesetzt, der öffentliche Nahverkehr werde ausgebaut - empfohlen hatten.

Doch Karin Hatt, die Leiterin Mobilität bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), stellte schon bei ihrer ersten Wortmeldung klar: "Wir finden, der neue Gasteig ist gut angebunden." Sie verwies auf die U 3, die 700 Meter entfernt am Bahn- hof Brudermühlstraße hält. "5000 bis 6000 Menschen können wir in eine Richtung bewegen" - stündlich. Eine Taktverbesserung sei dringend notwendig, hieß es hingegen seitens der Zuhörer, die U-Bahn sei ohne Gasteig-Besucher schon zu voll. Die MVG könne eventuell Verstärkerzüge einsetzen, das könne man noch mal prüfen, doch solle man erst mal "sukzessive mit kleineren Sachen anfangen", schlug Karin Hatt vor.

Wenig Aussicht auf Verbesserungen versprach auch Stadträtin Anja Berger (Grüne). Ihrer Meinung nach ist die Anbindung zwar nicht ausreichend, so solle zumindest der Expressbus X30 am Gasteig eine Haltestelle bekommen und auch am Wochenende dort fahren. Doch die Haushaltslage sei wegen der Corona-Pandemie dramatisch, die Stadt könne kein Geld ausgeben. Deshalb müsse man wohl "erst mal eröffnen und hoffen, dass die Lage sich ändert", so Anja Berger.

Von Abwarten hielten viele Zuhörer und auch Gasteig-Chef Wagner gar nichts. Die Busse müssten flexibler werden, beim Sendlinger Quartier gebe es ja keine kurzgetaktete S-Bahn wie am Rosenheimer Platz. Neben dem X30 sprach er die Verstärkung des 54er-Busses an, die Lage entspannen könne auch eine Buslinie zwischen Solln und Innenstadt über die Schäftlarnstraße. Gerade die ersten Monate seien "entscheidend", um das Publikum zu überzeugen, dass die Autofahrt nicht lohne, sagte Wagner. Das habe das Beispiel Elbphilharmonie gezeigt. "Man muss am Anfang klotzen." Machten die Besucher von vorneherein schlechte Erfahrungen mit vollen Bussen, stellten sie sich auf das Auto ein.

Zum Thema Parken und Verkehr im Brudermühlviertel lag von städtischer Seite nichts Neues vor. Allein zum Parkraummanagement hatten mehr als 20 E-Mails von Teilnehmern BA und Gasteig erreicht. Markus Lutz sagte gegen Ende der Diskussion zu, die vielen nicht beantworteten Fragen in den BA mitzunehmen.

Das Gremium hatte schon 2018 - bislang vergeblich - reines Anwohnerparken für das Viertel beantragt. Lutz bekräftigte, es müsse, um Verkehr heraus zu halten, von vorneherein klar sein, dass es für Besucher keine Parkplätze am Gasteig gebe - nur weiter weg auf dem Großmarktgelände. Auch wurden Verbesserungen für Fußgänger und Radler auf den hinführenden Straßen angemahnt. Für Radler sind 200 Parkplätze auf dem Gasteig-Gelände vorgesehen. In Konzert-Robe per Fahrrad zum Kultur-Event - das entsprach zwar nicht der Vorstellung eines jeden. "Aber zumindest auf den E-Roller kann man auch im Abendkleid aufsteigen", so versuchte Anja Berger noch, Optimismus zu verbreiten.

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SZ vom 03.05.2021/infu, van
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