"Bei Dagmar":Wo Tresenphilosophen ebenso willkommen sind wie Traumtänzer

Lesezeit: 2 min

"Dagmar" hat von morgens 11 bis weit in die Nacht geöffnet. (Foto: Robert Haas)

Die Kultkneipe an der Implerstraße ist in den vergangenen 20 Jahren zu einer Sendlinger Institution geworden. Ein Besuch.

Von Oliver Klasen

Es leuchtet nur sehr selten in der Implerstraße. Grau und fad ist es hier, selbst die neuerdings in altrosa gestrichene Wand in der U-Bahn-Station funkelt kein bisschen. Nimmt man aber den nördlichen U-Bahn-Ausgang und dreht sich um, dann sieht man die Lichterketten im Fenster sofort. "Bei Dagmar" steht draußen auf dem blau-weißen Schild. Bisschen verspätete Weihnachtsfeier, bisschen Rummelplatz in den Achtzigerjahren, so wirkt das. Okay, rein da also.

Erster Eindruck, an einem Freitagabend im März: Wow! Alles so schön bunt hier. Auch drinnen Lichterketten, Girlanden mit Bayern-Wimpeln, Kunstblumen, Fotos von Marilyn Monroe, Elvis, James Dean. Es ist voll. Man drückt sich ein paar Meter nach vorne, bis zur Theke. Ein Helles, bitte! Danke.

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Ein Schild an der Wand, darauf steht: Mein Zustand ist besäufniserregend. Na gut, davon ist man noch entfernt. Aber man könnte sich treiben lassen. "Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen fliehn'" . Der Wirt hat Udo Jürgens aufgelegt. Die Hits von seinem letzten Konzert im Dezember 2014 in Zürich. Udo hat nochmal alles gegeben. "Aber bitte mit Sahne". "Ein ehrenwertes Haus". "Ich war noch niemals in New York". Zwei Wochen später war er tot, zusammengebrochen bei einem Spaziergang.

Während man kurz über die Vergänglichkeit im Allgemeinen nachdenkt, wandert der Blick nach oben. Dort hängt, knapp unter der Decke schwebend, einer dieser Party-Luftballons, in Form einer großen silbernen 20, die Null ist unten schon leicht lädiert. Was hier wohl gefeiert wurde? Das 20-jährige Bestehen von "Bei Dagmar?" Möglich. Genau so gut möglich: dass eine 20-Jährige hier eine rauschende Geburtstagsparty gefeiert hat und die Luftballons als Überbleibsel da blieben.

An Dagmars Theke sitzen Nachbarn und Fremde, Draufgänger und Durchgeknallte, Glücksuchende und Gestrandete. (Foto: Robert Haas)
Seit 20 Jahren eine Institution in Sendling: "Bei Dagmar". (Foto: Robert Haas)

Zu Dagmar kommen sie alle: Die Jungsgruppe, die später noch weiterzieht und Herbert, den Wirt, mit "Herbie, Herbie!"-Rufen feiert. Der Nachbar, der schnell ein, zwei Halbe trinken will. Das an der Theke noch etwas unsicher flirtende Pärchen, das, so scheint es jedenfalls, gerade zum zweiten oder dritten Date verabredet ist. Hier darf jeder sein, wie er will, all die Halbseidenen und Hallodris, Draufgänger und Durchgeknallten, Glücksuchenden und Gestrandeten, Traumtänzer und Tresenphilosophen, die das Münchner Nachtleben eben so hervorbringt. Auch der Fremde, der allein herkommt, fühlt sich keine Sekunde lang deplatziert.

"Es hat sich im Laufe der Jahre zu einer Kult-Kneipe entwickelt", so drückt es Dagmar Ehlert, die Pächterin, bei einem Besuch einige Tage später selbst aus. Ehlert übernimmt immer die Tagschicht, manchmal kocht sie selbst, bayerische Gerichte, ihre Gulaschsuppe ist weit über die Grenzen Sendlings berühmt.

Pächterin Dagmar Ehlert mit einem Selbstporträt aus früheren Tagen. (Foto: Robert Haas)

Das Fernsehen war schon öfters da. "Bei Dagmar" war Drehort und Dagmar Komparsin. In der Ecke links von der Theke hängt zwischen all den Filmstars auch ein Bild der Pächterin aus früheren Tagen. Auch der Luftballon mit der 20, er galt Dagmar höchstpersönlich. Seit 2003 ist sie jetzt hier in Sendling, vorher hatte sie eine Kneipe in Obergiesing, nicht weit vom Sechzger-Stadion entfernt.

Und während dort, in Giesing, darüber debattiert wird, ob langsam der Charme des Viertels flöten geht, weil nicht nur das Riff-Raff, sondern bald auch der berühmte Trepperlwirt Geschichte sein wird, ist "die Dagmar" in der Implerstraße eine unangefochtene, immerzu leuchtende Institution.

"Bei Dagmar", Implerstraße 26, geöffnet von 11 Uhr an bis spät in die Nacht

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