SEM Nordost:Landwirte haben Angst vor Schmutzkampagne

SEM Nordost: Kämpfen schon seit Jahren gegen die SEM: Johann Oberfranz (links), Thomas und Maria Eberl.

Kämpfen schon seit Jahren gegen die SEM: Johann Oberfranz (links), Thomas und Maria Eberl.

(Foto: Florian Peljak)

Für etwa 30 000 Menschen will die Stadt zwischen Johanneskirchen, Daglfing und Riem Wohnungen bauen. Warum die Landwirte und Grundstückseigentümer dort befürchten, dass bald professionell Stimmung gegen sie gemacht wird.

Von Heiner Effern

Schwere Zugmaschinen mit mannshohen Rädern, ein riesiger Anhänger, davor sind ein paar Bierbänke aufgebaut. Zwischen den Besuchern schleichen zwei Hofhunde herum, auf der Suche nach Streicheleinheiten. Doch das Bild trügt: Nach Streicheleinheiten ist hier niemandem zu Mute. Die Gastgeber Thomas und Maria Eberl fühlen sich eher, als würden sie wie räudige Hunde von ihrem Hof gejagt. Sie leben auf dem Wiesheu Hof im Osten Münchens, wo die Stadt in den kommenden Jahrzehnten eines der größten neuen Stadtviertel errichten will. Das zähe Ringen zwischen Grundeigentümern und Kommune schaukelt sich seit Jahren hoch, nun sehen die Landwirte ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Deshalb haben sie zusammen mit der Familie Oberfranz, die einen Hof in der Nähe bewirtschaftet, in ihre Maschinenhalle eingeladen. "Wir haben Angst", sagt Johann Oberfranz. Angst davor, in dem Streit mit der Stadt noch mehr unter Druck zu geraten, so sehr, dass sie irgendwann zermürbt werden. Grund dafür ist ein Beschluss des Stadtrats vom 9. November, in dem 700 000 Euro für Kommunikation für die Jahre 2023 bis 2025 genehmigt wurden, vergeben an eine Agentur. Die Familien Eberl und Oberfranz fürchten, dass mit diesen 700 000 Euro Stimmung gegen sie gemacht werden soll. "Ziel ist, dass wir es nicht mehr aushalten", sagt Oberfranz.

Für etwa 30 000 Menschen will die Stadt zwischen Johanneskirchen, Daglfing und Riem Wohnungen errichten. Dafür hat sie zum Mittel einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) gegriffen, um aus einem Guss planen und Spekulationsgewinne verhindern zu können. Die Bodenpreise werden eingefroren, als allerletztes Mittel besteht die Möglichkeit einer Enteignung. Es geht um neue Wohnungen, persönliche Schicksale und nicht zuletzt auch um sehr viel Geld. Die Chancen einer der letzten großen Bauentwicklungen einer Stadt mit explodierenden Mieten treffen auf die Interessen von Eigentümern und Anwohnern, die eine Zerstörung ihrer Existenz oder ihres Lebensumfelds fürchten.

"Wenn wir Spekulanten wären, hätten wir schon längst verkauft."

Der Konflikt schwelt seit etwa zehn Jahren, weshalb auch der Widerstand schon gut eingespielt ist. Mit den Landwirten am Tisch sitzen der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper und Rechtsanwalt Benno Ziegler sowie Markus Büchler vom Bündnis Nordost, das gegen die SEM kämpft. Bekannte Gesichter, die nicht zum ersten Mal eine Abkehr von der SEM und Wohnungen für maximal 10 000 Menschen im umstrittenen Areal fordern.

In diesem Streit geht es sehr viel um Deutungshoheit - und je nach Sicht um ausreichende (Stadt) oder katastrophale (Eigentümer) Kommunikation. Deshalb die Angst der Landwirte vor einer professionellen Agentur, die ihre Interessen und ihre Lebensgrundlage zusätzlich gefährden könnte. Und dass sie am Ende als raffgierige Eigentümer dastehen könnten, die nur die Preise hochtreiben wollen. "Wenn wir Spekulanten wären, hätten wir schon längst verkauft", sagt Maria Eberl. "Es geht darum, dass wir hier bleiben wollen." Der menschliche Druck sei für die Familie kaum auszuhalten. Und der "soll jetzt nochmal erhöht werden".

Hinzu komme der wirtschaftliche Druck durch die Unsicherheit, welchen Grund sie in zehn oder 20 Jahren noch zum Bewirtschaften haben. "Wie sollen wir weiterarbeiten?", fragt Thomas Eberl. "Sollen wir investieren? Wir brauchen Planungssicherheit." Er hat auch ganz pragmatische Sorgen: Wenn sie Felder in der Nähe der Bebauung behalten würden, wie sollen sie da arbeiten? Können sie spätabends noch Heu einfahren, wenn es zu regnen droht? Können sie noch Mist als Dünger ausfahren? Sie haben viele Sorgen, die sie loswerden wollen. Fragt man Landwirt Eberl, wer von den Entscheidungsträgern der Stadt sich seinen Hof schon einmal angeschaut hat, dann überlegt er kurz. Mehr als ein Stadtrat der Grünen, der nicht mehr im Gremium sitzt, fällt ihm nicht ein.

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