Der Kampf um das geplante, neue Stadtviertel im Münchner Norden ist wieder voll entbrannt. Etwa eine Woche, nachdem die grün-rote Koalition die Pläne für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) für das 900 Hektar große Gebiet bei Feldmoching wieder aufgenommen hat, meldeten sich die Gegner als "Bündnis für München" öffentlich und gemeinsam zu Wort. Sie verurteilten das Vorgehen der Stadtregierung als "Wort- und Tabubruch" und forderten eine Rückkehr zu einem kooperativen Verfahren, das Enteignungen ausschließe. Diese sind in einer SEM als schärfstes Mittel des Planungsrechts möglich.
"Hier wird nicht Druck ausgeübt auf Immobilienkonzerne, sondern auf Menschen, deren Grund oft seit Jahrzehnten oder noch länger im Eigentum der Familie ist", sagte Martin Zech, einer der Sprecher der Initiative Heimatboden, die den Widerstand der Eigentümer im Norden und auch bei einem zweiten SEM-Projekt der Stadt im Münchner Osten bündelt. Gegen diese Menschen werde "der Kampfbegriff Spekulation" ins Feld geführt. Die Stadt fahre "eine Zermürbungstaktik, die den Menschen auf die Psyche schlägt", sagte Zech.
Stadtplanung:SEM: Ein Projekt, das provoziert
Was ist eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme? Wie verhindert sie Bodenspekulation? Und warum gibt es so heftigen Widerstand im Münchner Nordosten und im Norden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl geißelte den für Mittwoch geplanten Beschluss des Stadtrats, ein Verfahren für eine SEM einzuleiten, als "Wiederholung eines altbekannten Fehlers". Die Wahl dieses Planungsmittels sei "die Garantie für den größtmöglichen Widerstand" gegen ein neues Stadtviertel, das die CSU "behutsam und gemeinsam mit den Menschen" entwickeln wolle. Grün-rot vollziehe den "Totschlag für den Wohnungsbau".
Dabei hatte die Stadt bereits unter dem schwarz-roten Regierungsbündnis eine SEM im Münchner Norden vorangetrieben. Auch damals regte sich massiver Widerstand, dem CSU und SPD 2018 nachgaben. Sie wandelten die SEM in ein "Kooperatives Stadtentwicklungsmodell" (Kosmo) um, in dem Enteignungen nicht vorgesehen waren. Grün-rot erklärte die Rückkehr nun zur SEM damit, dass nur diese geeignet sei, ein neues Stadtviertel geschlossen zu planen. Ein weiterer Vorteil sei, dass Gewinne aus der Wertsteigerung von Grundstücken, die als Bauland ausgewiesen würden, von der Kommune abgeschöpft und für die nötige Infrastruktur des Viertels verwendet werden könnten.
Die Gegner quetschten sich am Montag zwischen Pretzl und Zech an ein Podium, das demonstrieren soll, wie breit der Widerstand im Münchner Norden und in der Stadt ist. Mit am langen Tisch in einem Nebenraum des Hofbräuhauses saßen Vertreter der ÖDP, der FDP, der München-Liste, der Bauern, der Gärtner, der Vereine und des Bezirksausschusses. Sie eint vor allem, dass sie die SEM verhindern wollen. Bei den Vorstellungen, ob dort überhaupt ein neues Stadtviertel gebaut und wie groß dieses dann werden solle, liegen die Verbündeten allerdings auseinander.
FDP-Fraktionschef Jörg Hoffmann bekennt sich klar dazu, "dass sich die Stadt entwickeln muss und wir neuen Wohnraum brauchen". Es gehe ihm nur darum, dass sich die Rathauskoalition da möglichst raushalten solle. Stadtrat Dirk Höpner von der München-Liste erklärte dagegen, dass er in Feldmoching und in der gesamten Stadt in Zukunft keinen Bedarf für neue Wohnungen sehe, weil künftig wegen des zunehmenden Home-Office in der Wirtschaft so viele Büros leerstehen würden, dass darin genug Wohnraum geschaffen werden könnte.
Auch der Vorsitzende des Bezirksausschusses Feldmoching-Hasenbergl, Rainer Großmann (CSU), lehnte ein neues Stadtviertel im Norden ab. Dorthin würden bei fünf schon laufenden Bauprojekten ohnehin 15 bis 20 000 Menschen ziehen. "Wir haben unseren Beitrag geleistet." In dieselbe Richtung zielte auch das Statement von Max Bauer, Vorsitzender eines Dachverbands von 28 Feldmochinger Vereinen. Er äußerte sich sehr kritisch gegenüber neuen Wohnungen, bei denen man nie wisse, wer da so einziehe. Er sei offen für alle Menschen, aber nicht unbedingt für welche, die ideologische Debatten über Schützenvereine führten. Die "linke Richtung" möge er nicht.
Wie es nun weitergeht, ließen die Gegner offen. Ob die Grundeigentümer bei der Erstellung eines schon laufenden Agrargutachtens für das Areal noch mitmachen würden, sei unsicher, sagte Heimatboden-Sprecher Zech. Ob die Landwirte und auch die anderen Grundeigentümer auf das angekündigte Gesprächsangebot der Stadt eingehen würden, sehe er zumindest bei einem Teil skeptisch. Viele von ihnen hätten schon 2017 ihre Bereitschaft signalisiert, es sei aber nie dazu gekommen.
Das Vertrauen in die Stadt sei gering, besonders da die Eigentümer den Vorwurf der möglichen Spekulation ohnehin nicht verstehen könnten. Es gebe ein Vorkaufsrecht der Stadt auf alle Grundstücke, die dort Bauland würden, sagte Zech. Das existiere seit dem Kosmo-Beschluss tatsächlich, sagte ein Sprecher des Planungsreferats, allerdings gebe es schon einen entscheidenden Unterschied. Bei der SEM würden die Preise sofort eingefroren, um Spekulationen zu verhindern. Beim Vorkauf müsse immer der aktuelle Verkehrswert bezahlt werden, der in den Jahren der Planung deutlich steigen könne.