Süddeutsche Zeitung

München-Tipps:Welche Sehenswürdigkeiten es nicht in jeden Reiseführer schaffen

München hat viel mehr zu bieten als den Olympiaturm und das Hofbräuhaus. Ideen für einen Touristentag vor der eigenen Haustür.

Von Karl Forster

Natürlich wollen immer alle ins Hofbräuhaus. Und auf den Olympiaturm, wobei das nur noch bis Juni möglich sein wird, dann wird er zwei Jahre lang geschlossen: Sanierungsarbeiten. Und, wenn sie nicht aus Amerika kommen für den "Europe in three days"-Urlaub, vielleicht auch noch in die Residenz. Aber dafür brauchen sie erstens keinen Einheimischen als Stadtführer, zweitens hat dieser private Stadtführer das Hofbräuhaus dick, drittens den Olympiaturm schon vielmals per mechanischer Aufstiegshilfe erklommen und viertens die Residenz bis auf die dort beheimateten Pfälzer Weinstuben weitgehend ignoriert. So will er also, fünftens, den Gästen "sein" München zeigen, worunter Exotisches genauso fällt wie in den gedruckten Münchenführern als Pflicht Ausgewiesenes. Nur, dass all das halt aus ganz persönlicher Sicht angepriesen wird; oder eben auch nicht.

Es kann also sein, dass der Gast, wir erinnern uns an den lieben Onkel aus San Antonio in Texas, von dem man wusste, dass er Jazz liebte, dass dieser Onkel also vor sehr vielen Jahren deswegen in einem Jazzclub in Haidhausen landete, auch weil es dem Gastgeber so gefiel.

Was dieser nicht eingeplant hatte: Dass der damals auf der Bühne agierende Schlagzeuger Ali Halmatoglu einen schlechten Tag hatte und anfing, das Publikum zu beschimpfen, weil es zu wenig Applaus erzeugte. Der Onkel verstand nur Bahnhof, klatschte weiter nicht und geriet deshalb in den Fokus des immer wilder tobenden Drummers, der da schrie: "Warum klatscht du nicht, du alter Sack?!" Da merkte der private Stadtführer, dass er einen Fehler gemacht hatte, verließ mit dem verdatterten Onkel den Laden. Und ging mit ihm ins Hofbräuhaus.

Ganz anders viele Jahre später, diesmal kam der Besuch aus Chicago, Laura und Rex, eine Cousine also gattinnenseits samt Gespons, beide sehr lustig und sehr ausdauernd. Man schlenderte sommers übers Tollwood-Festival, auf Höhe des Andechser Zelts lärmte eine Gitarre, Soundcheck für den Abend. Rex blieb stehen und sagte: "Das ist Led Zeppelin."

Nun, es waren nicht Led Zeppelin, sondern Zep Munich, die vielleicht beste Reinkarnation der Combo um Robert Plant weltweit. Rex war nicht mehr wegzukriegen aus dem Zelt, sang jeden Zeppelin-Song mit und war der glücklichste Mensch an diesem Abend. So kann es eben auch gehen. Wenn man Glück hat als privater Stadtführer. Darum ein Rat aus berufenem Munde: Es schadet nicht, über die Vorlieben des Gastes ein bisschen Bescheid zu wissen. Und noch etwas: Ein Verhältnis von drei zu eins bei Nahrungsaufnahme und Kulturrezeption hat sich als angenehm erwiesen.

Also Nahrungsstart: Der Eingang des Cafés im Hinterhof in der Haidhauser Sedanstraße ist umrahmt von einem Esoterikladen und einem Keramikstudio. Es gibt hier köstliche von Territorien unterschiedlicher Länder geprägte Frühstücksvarianten und es verfügt über den vielleicht lauschigsten Hinterhof dieses an Cafés mit lauschigen Hinterhöfen so reichen Viertels.

Gefährlicher ist es, das (Zweit-)Frühstück im Fraunhofer im Glockenbachviertel einzunehmen, weil es dort, vor allem an Sonntagen der Monate mit "R", zum musikalischen Frühschoppen kommen kann, nach dessen spätem Ende man lieber ins Bett geht als etwa in die Residenz. Nicht viel besser ist es im Haidhauser Johannis-Café, wo auch eine gewisse Absturzgefahr besteht; also: vielleicht für später aufheben. Oder für schlechtes Wetter.

Denn bei Sonne und Föhn lässt sich der Olympiaturm nicht von der Wunschliste streichen, es sei denn, man überzeugt den Gast vom Besuch des Alten Peter am Marienplatz, doch Vorsicht: 300 Stufen bis zum Aussichtsglück! Also doch Olympiaturm.

Man kann den Gast bis zu dessen Eingang am Fuß führen, um ihm dann zu sagen, er solle nach vollbrachter Tat das Olympiagelände in südsüdöstlicher Richtung überqueren, weil dort, ungefähr hinterm Olympiaberg, den zu ersteigen sich ebenfalls lohnt, die Olympia-Alm liegt. Einer der herrlichsten "hidden spots" Münchens; hier erholten sich schon die Arbeiter während des Baus der Olympiaanlagen für die Spiele '72, hier erholt sich der Münchner nach dem Hundespaziergang. Oder auch, wenn er sich gar nicht unbedingt erholen müsste nach dem Motto, hier verweil' ich doch, es ist so schön.

Es gäbe noch viele solcher Münchentageverköstigungsorte, zum Beispiel in der altehrwürdigen Seidlvilla am Nikolaiplatz nahe der Leopoldstraße.

Kunst und Kultur abseits der Pinakotheken

Jetzt wird es aber höchste Zeit für Kunst und Kultur. Da sind natürlich die Pinakotheken, Münchens Kunsttempel sind in jedem Stadtführer ausgiebigst beschrieben, wobei der Privatstadtführer gerne den Hinweis gibt, sein diesbezüglicher Lieblingsort sei die Kunsthalle in den Fünf Höfen mit anschließender Getränkeaufnahme im nahen Hofgarten.

Sehr sinnvoll ist es in den wärmeren Monaten, sich nach stadtteilbezogenen Kunstevents und offenen Ateliertagen zu erkundigen. Als da wären zum Beispiel Kunst in Sendling (meist im Oktober), Open Westend oder Kunst im Karrée Mitte Juli in Schwabing und in der Maxvorstadt die Ateliers und Galerien öffnen. In diesem Rahmen und auch sonst empfiehlt sich dort ein Besuch der Kunstgießerei im Hinterhaus der Schleißheimer Straße 72, wo seit Generationen Künstler aus vielen Nationen ihre Werke in Bronze, Messing, Silber oder Aluminium gießen lassen (Auskunft darüber, wann dort etwas los ist, unter info@kunstgiesserei-muenchen.de).

Nun unterstützt die Stadt ja nicht nur Theater und große Musikkultur (siehe gedruckte Stadtführer), sondern auch eine Reihe kleiner, oft sehr feiner Institutionen, in deren Programm sich oft eine wunderbare interdisziplinäre Multikulti-Mischung findet. Da wäre zum Beispiel das Zwischennutzungsprojekt Köşk (kommt aus dem Türkischen und bedeutet Pavillon) an der Schillerstraße in der Ludwigsvorstadt, ein im weitesten Sinn Treff jugendlicher Kreativer, der von Fotoausstellungen bis Indie-Band-Konzerten Überraschendes bietet.

Verbandelt ist das Köşk (und wie dieses vom Kreisjugendring unterstützt) mit der Färberei in Untergiesing, wo das Programm gleichsam ein bisschen erwachsener ist. Und wenn da einmal nichts los ist, kann man die paar Schritte entlang der Claude-Lorrain-Straße stadtauswärts gehen und, kurz vor der Eisenbahnbrücke an der Ecke zur Birkenau eines der lustigsten Griechenlokale der Stadt besuchen, es trägt den programmatischen Namen Lucullus.

Empfehlungen für den Abend und die Nacht

Womit wir wieder bei der Nahrungsaufnahme wären, jetzt aber schon in der Abenddämmerung. Zahl und Art der Lieblingslokale des Stadtführers sprengen natürlich den oft eng gesteckten Rahmen eines München-Besuchs. Drum nur, nach dem Griechen, drei Tipps unterschiedlichster Couleur, und zwar ohne Schweinsbraten, den gibt es ja sowieso an jeder Ecke.

Schnitzel zwar auch, aber die mit Abstand besten bietet ein österreichisches Lokal im Auge des touristischen Orkans nahe dem Wedekindplatz in Schwabing. Es liegt in der Occamstraße 13, trägt den rätselhaften Namen Waldfee, ist mit einem jedes Auge beleidigendem Kitschinterieur geschmückt und bietet Speisen aus dem Nachbarland in einer Qualität, wie man sie auch dort nur selten findet. Bitte nicht zuviel Hauptspeis' essen, es muss noch Platz bleiben für den besten Kaiserschmarrn von ganz München.

Ganz anders lebt und isst man im Makassar in der Dreimühlenstraße. Hier regiert Frankreich mit seinen Ablegern in der Karibik und im Pazifik die Speise- und Getränkekarte. Allein die Krabben im Sesammantel - ein Gedicht. Und die Cocktails? Sehr, sehr gefährlich. Dort zu speisen ist besonders zu empfehlen, wenn der Gast aus der Ferne die Rechnung übernimmt (Vorsicht, nur Barzahlung!).

Nun ist die Nacht ja noch jung, zumindest oft aus Sicht des Gastes. Weil aber der Stadtführer sich in einem Alter befindet, in dem man den Nightcup gerne zu Hause in Bettnähe genießt, gibt er dem Besucher noch ein paar Tipps mit für den Rest des Tages und den Anfang des nächsten. Guten Jazz gibt es nicht nur in der renommierten Unterfahrt, sondern auch in der Musikbar Vogler in der Rumfordstraße, Country und Blue Grass im Rattlesnake Saloon in der Schneeglöckchenstraße (weit draußen im Nordwesten, aber lustig).

Bars für den Absacker findet man ohne Zahl, aber auch hier eine kleine Empfehlung: Die New Orleans-Bar Mr. Mumble's in der Klenzestraße 5 bietet angenehmstes Ambiente mit Südstaatenflair und sehr gepflegte Cocktails. Der etwas heimtückische Trick dort: Man gibt ins Glas einen so mächtigen Eiswürfel, dass er den Aggregatzustand weit über die Zeit bis zur Leerung übersteht und man unbedingt nachfüllen lassen muss.

Am letzten Tag des Besuchs gehen wir dann doch noch ins Hofbräuhaus. Aber nicht in das große am Platzl, sondern ins Mini-Hofbräuhaus im Englischen Garten, gelegen zwischen der Gysslingstraße und der Studentenstadt und immer dem Hundegebell nach. Münchnerischer ist München nirgendwo, besser der Schweinsbraten auch nicht, und das Hofbräubier süffiger als sonstwo.

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