Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in Seenot:Stadt München übernimmt Patenschaft für Rettungsschiff "Ocean Viking"

  • Die Stadt München wird Patin für das Seenotrettungsschiff "Ocean Viking" von der Organisation "SOS Mediterranee".
  • Die Arbeit der Besatzung soll etwa durch Benefizaktionen unterstützt werden. Zudem will man prüfen, inwiefern man Geld zuschießen kann.
  • Die Stadträte beschlossen zudem weitere Initiativen: Eine Delegation soll beispielsweise ins Flüchtlingslager Ioannina in Griechenland reisen.

Von Jakob Wetzel

Eigenes Geld ausgeben, um die Seenotrettung zu finanzieren? Das dürfe die Stadt München nicht, heißt es vom Sozialreferat, sonst würde sie gegen die bayerische Gemeindeordnung und die bayerische Verfassung verstoßen. Möglich ist demnach aber, die Patenschaft für ein Rettungsschiff zu übernehmen - und das haben am Dienstag der Sozial- sowie der Kinder- und Jugendhilfe-Ausschuss des Stadtrats mehrheitlich beschlossen. Die Stadt München wird demnach offiziell Patin des Schiffes "Ocean Viking" der humanitären Organisation "SOS Mediterranee".

Die Arbeit der Besatzung soll zum Beispiel mit Benefizaktionen unterstützt werden. Außerdem soll die Stadt prüfen, ob sie nicht doch selbst Geld zuschießen kann, nämlich indem sie ein Spendenkonto einrichtet und das dort eingehende Geld aus dem eigenen Säckel verdoppelt. So sei die Stadt auch vorgegangen, um den Wiederaufbau der Kathedrale Notre Dame in Paris zu unterstützen, das sei vergleichbar, argumentierten die Grünen. Die Stadträte folgten diesem Vorstoß mehrheitlich. Nur CSU und Bayernpartei stimmten dagegen.

Die Stadträte beschlossen darüber hinaus weitere Initiativen: So soll zum Beispiel eine Delegation ins Flüchtlingslager Ioannina in Griechenland reisen und klären, wie die Stadt dort helfen kann. Und Oberbürgermeister Dieter Reiter soll sich bei Bund und Freistaat für höhere Aufnahmequoten und ein Aufnahmeprogramm für aus Seenot Gerettete einsetzen.

SPD, Grüne, FDP und Linke hatten die Stadt zuletzt wiederholt aufgefordert, sich stärker für Flüchtlinge einzusetzen. Am Dienstag legte das Sozialreferat eine Antwort vor: Vieles, was da gefordert werde, sei bereits umgesetzt. So sei München etwa dem Bündnis "Städte Sicherer Häfen" beigetreten, und OB Reiter sei unter anderem auch mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Kontakt getreten, um die Seenotrettung zu entkriminalisieren. Bei dem, was die Stadt selbst tun könne, handle es sich aber noch um "work in progress", erklärte Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Man müsse ausloten, was möglich sei, etwa bei der Idee einer Benefizaktion zugunsten der Seenotrettung.

Von den Zuständen dort und in anderen Flüchtlingslagern in Griechenland berichtete am Dienstag Costas Gianacacos, Leiter des Griechischen Hauses im Westend und ehemaliger SPD-Stadtrat. Er habe vor Ort gesehen, dass Menschen in Olivenhainen kampierten und in alten Kasernen wohnten, die nicht dafür ausgelegt seien, sagte er. "Ein Desaster" sei, was auf Lesbos geschehe: Auf der wenige Kilometer vor der türkischen Küste liegenden Insel kämen wieder zunehmend Schlauchboote mit Flüchtlingen an. Das Abkommen der EU mit der Türkei sei "nicht funktionsfähig".

Die Stadt müsse die Griechen dringend unterstützen, das war im Rathaus Konsens aller Fraktionen, die sich zu Wort meldeten. Gianacacos' Bericht zeige, dass Griechenland jahrelang alleine gelassen worden sei, sagte etwa Cetin Oraner (Linke). Die Lage sei menschenverachtend, ergänzte Beatrix Burkhardt (CSU). München würde es nicht schaden, "wenn wir Leute aus Griechenland zu uns holen", sagte Gabriele Neff (FDP). Und SPD-Fraktionschef Christian Müller mahnte konkretere Vorschläge an, "auch wegen unserer Beziehungen zu Griechenland und der vielen Griechen, die in München leben". Die Stadt könne mehr unternehmen. "Neben dem allgemeinen solidarischen Daumendrücken soll man versuchen, die Zustände dort zu verbessern."

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SZ vom 04.12.2019/zara
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