Wer vegetarisch kocht, liegt in München gerade sehr im Trend. Und das in einer Stadt, die kulinarisch vor allem für Weißwurst, Schweinsbraten und Wiesnhendl bekannt ist, und in der Vegetarier früher mit Kasspatzen oder Rahmschwammerl abgespeist wurden. Aber diese Zeiten sind vorbei. Das vegetarische Restaurant Tian am Viktualienmarkt hat schon seit Jahren einen Stern im Michelin, das neu eröffnete Käfer-Restaurant Green Beetle an der Schumannstraße hat vom Stand weg einen "Green Star" verliehen bekommen. Und jetzt fängt auch noch ein altehrwürdiger Biergarten wie das Seehaus im Englischen Garten mit dem Vegetarismus an!
Ganz so dramatisch, wie das auf den ersten Blick aussieht, ist die Lage für Fleischfresser dann allerdings nicht. Denn Stephan und Sebastian Kuffler haben in ihrem Seehaus die Karte natürlich nicht komplett umgeworfen. Sondern sie haben in einem Teil des Ensembles am Kleinhesseloher See ein Pop-up-Restaurant eingerichtet, in dem der Sternekoch Jan Hoffmann voraussichtlich bis Ende September für maximal 45 Gäste aufkochen wird.
Jan Hoffmann zählte zu den ersten vegetarischen Sterneköchen in Europa
Zustande gekommen ist die Kooperation, weil Hoffmann 2008 einmal im Berliner Adlon gearbeitet hat und dort mit dem Küchendirektor Christian Müller zu tun hatte. Der aber ist heute Küchendirektor für die gesamte Kuffler-Gruppe, zu der neben dem Seehaus auch das Spatenhaus, das Weinzelt auf der Wiesn, das Hotel Palace und zahlreiche andere gastronomische Betriebe, auch in Frankfurt, gehören.
In Frankfurt wiederum hat der gebürtige Rheinländer Hoffmann seine größten Erfolge gefeiert. Mit dem Restaurant Seven Swans bekam er 2016 zum ersten Mal einen Stern im Michelin, den er danach auch verteidigte - und das sogar, als er 2017 auf eine rein vegetarische Speisekarte umstellte. Er war damals der jüngste vegetarische Sternekoch, von denen es damals ohnehin nur vier in ganz Europa gab.
Heute ist der 38-Jährige in verschiedenen Projekten selbständig unterwegs und hat sich besonders der Nachhaltigkeit in der Küche verschrieben. Nachzulesen auf seiner Haut, denn zu seinen vielen Tattoos zählen nicht nur das Lieblingsrezept für die Reiberdatschi seiner Großmutter ("das kann man wirklich nachkochen"), sondern auch seine Lieblingskräuter Vogelmiere, Schafgarbe und Gundermann. "Ich bin kein Vegetarier", sagt er trotzdem, "aber seit ich vegetarisch koche, esse ich deutlich weniger Fleisch." Sowohl bei Gemüse als auch bei Fisch und Fleisch legt er aber größten Wert darauf, so wenig wie möglich wegzuwerfen: Alles wird verwertet, denn alles hat seinen eigenen Wert.
Und so hält er es auch mit den beiden Vier-Gang-Menüs, die es jetzt im Seehaus gibt. Das eine, "Flora" betitelt, besteht zum Beispiel aus einer Vorspeise, bei der von einer normalen Karotte nahezu alles verwendet wird - bis hin zum grünen Karottenkraut. Dazu kommen noch Petersilie, Feige und Ricotta; selbst die Ricotta-Molke wird noch zum Fermentieren der Karotte verwendet, bevor sie geschmort wird. Ähnlich gründlich verfährt Hoffmann mit Stangenlauch, Spinat, Gurke und Ziegenfrischkäse in den weiteren Gängen. Und das Dessert aus Spargel, Rhabarber, Quark und Hafer ist zwar nicht besonders süß, aber dennoch eine Wucht.
Nachdem das eine Menü "Flora" heißt, ist es nur schlüssig, das andere "Fauna" zu nennen. Schließlich gibt es da auch zwei Gerichte mit Fisch und Fleisch. Es handelt sich da um einen Waller mit gerösteten Kartoffeln sowie Schnittlauch- und Bärlauchöl sowie um die Oberschale und das Bürgermeisterstück von einem "Tegyu-Rind", also einem Wagyu-Rind vom Tegernsee.
Die beiden Menüs kosten 69 und 89 Euro, es gibt sie mittwochs bis samstags am Abend sowie am Sonntagmittag.