Hallenbäder:Das wohltemperierte Revier

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Hallenbäder: Kalt baden gegen Putin? Dieser Spruch hat sich einstweilen erledigt, in den meisten Münchner Schwimmbädern, wie hier im Westbad, wird die Wassertemperatur wieder erhöht.

Kalt baden gegen Putin? Dieser Spruch hat sich einstweilen erledigt, in den meisten Münchner Schwimmbädern, wie hier im Westbad, wird die Wassertemperatur wieder erhöht.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Die Zeit des Bibberns ist vorbei, die Münchner Bäder erhöhen ihre Temperaturen wieder auf Willy-Brandt-Niveau. Höchste Zeit, mit dem Klischee des verweichlichten Warmduschers aufzuräumen.

Glosse von Nadeschda Scharfenberg

Endlich mal eine Nachricht, die das Herz erwärmt. Und nicht nur das, sondern die Haut gleich mit: Die meisten städtischen Schwimmbäder schrauben noch vor den Faschingsferien ihre Wassertemperaturen nach oben, die Münchnerinnen und Münchner dürfen nach Monaten des Schlotterns wieder auf Willy-Brandt-Niveau planschen. Über den lästerte einst Herbert Wehner: "Der Herr badet gern lau."

An dieser Stelle mischt sich ins wohltemperierte Wasser gleich mal ein Tropfen Mitleid für die Warmbader und ihre engsten Verwandten, die Warmduscher. Ständig stehen sie in der Öffentlichkeit wie begossene Pudel da, nicht erst seit Wehner und Brandt. Das fing schon bei den alten Griechen an, die so einiges an Erfindergeist aufboten, um ihr Wasser auf angenehme Temperaturen zu bringen. Kaum hatten sie sich zu diesem Zweck die Fußbodenheizung ausgedacht, kam Aristophanes und verunglimpfte die warmen Bäder als "verderblich durch und durch", weil sie "den Mann zur Memme machen".

Ein paar Jahrhunderte später kostete es einen gewissen Siegfried das Leben, dass er die Wirkung eines Fast-Vollbads in warmem Drachenblut überschätzte. Also, falls Drachen überhaupt gleichwarme Wesen sind, die Fachliteratur weist hier Lücken auf. Womöglich ist frisches Drachenblut kalt wie ein Kneippbecken? Das wiederum hätte dessen Erfinder gefallen: Der schwäbische Bade-Pfarrer kommentierte im 19. Jahrhundert, die "Verweichlichung" durch laues Wasser öffne "Thür und Thor für viele Krankheiten".

Schwaben sind bei der kritischen Betrachtung von Hygieneritualen grundsätzlich mit allen Wassern gewaschen. Den modernen Warmduscher zum Beispiel hat der in Nürtingen sozialisierte Harald Schmidt vielleicht nicht erfunden, aber zumindest im deutschen Schimpfwortschatz etabliert, als Schmähbegriff für seinen Lands- und Klinsmann während der Fußball-WM 1998. Seither war Warmduscher ein Synonym für Waschlappen - bis Putin, ein Kaltbader aus Tradition -, einen Keil zwischen das Begriffspaar trieb. Das Grundrauschen der vergangenen Monate: Warmduscher sind Gasspeicher-Leerduscher, die Energiekrise lässt sich nur mit dem Waschlappen lösen (erstes Kretschmannsches Gesetz).

Und siehe da, es hat funktioniert. Dank all der fleißigen Waschlappennutzer und -nutzerinnen geht es abwärts mit den Energiekosten und aufwärts mit den Münchner Wassertemperaturen. Und nicht nur mit denen, die Saunen öffnen ebenfalls wieder. Das ist eine Zeitenwende, wenn auch eine kleine. Eine Koalition aus Waschlappen, Warmduschern und Sauna-unten-Sitzern kann dem russischen Eisschwimmer das Wasser reichen - wenn das mal keine herzerwärmenden Nachrichten sind.

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