Süddeutsche Zeitung

Schwanthalerhöhe:Was vom grünen Traum des "Westend Kiez" übrig ist

Das Pilotprojekt, einen klimagerechten Aufenthaltsraum zu etablieren, schrumpft maximal zusammen. Wegen einer sperrigen Großbaustelle mussten die Initiatoren eilig umplanen.

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Mehr schrumpfen geht kaum: Vom grünen Aufenthaltsraum mitten auf der sonst zugeparkten Straße, der als sommerliche Kostprobe für die Nachbarn gedacht war, bleibt 2021 nurmehr ein Nischenprogramm. Die Schießstättstraße hätte in diesen großen Ferien zwischen Schwanthaler- und Gollierstraße mit Pflanzen und provisorischem Pop-Up-Mobiliar einen Eindruck verschaffen sollen, wie es ist, den Lebensraum vor der eigenen Haustür klimaverträglicher und damit auch menschenverträglicher zu gestalten - im Quartier mit der dritthöchsten Bevölkerungsdichte Münchens.

Den Plan durchkreuzte im Frühjahr die Bayerische Hausbau, als sie just in diesem Bereich ihre üppige Baustelleneinrichtung für die Neuordnung des ehemaligen Saturn-Medienhauses positionierte. Die Initiatorinnen der Münchner Initiative für Nachhaltigkeit waren gezwungen, in Windeseile und mit beträchtlichem bürokratischen Aufwand umzuplanen. Was vom ursprünglichen Vorhaben übrig bleibt, sind vier Parkbuchten entlang der Parkstraße, die von 29. August an zwei Wochen lang üppig begrünt zum Verweilen einladen.

"Wir stehen unter maßlosem Zeitdruck", konstatierte Sylvia Hladky schmallippig in der Sitzung des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe, der das Projekt von Anfang an begleitet und unterstützt hat. "Das, was wir jetzt machen, ist nicht ganz so, wie wir's wollten." Die ursprünglich für die Schießstättstraße geplante Aktion ist Teil des Projekts Westend Kiez, das 2020 die Münchner Initiative für Nachhaltigkeit gestartet hatte, um zusammen mit Anwohnern ein Karree im Westend in ein verkehrsberuhigtes Quartier umzuwandeln (www.m-i-n.net/westendkiez).

"Unser Ziel", sagt Hladky, "muss eine Verkehrswende sein, die Mobilitätsbedarf energieeffizient und nachhaltig deckt und den Straßenraum gerecht verteilt." Das Pilotprojekt im Westend wird mitgestaltet von Bürgern und wissenschaftlich begleitet von LMU und TU München. Ein wesentlicher Kooperationspartner ist auch das Schwanthaler Forum. Letzteres bietet Anwohnern für die Dauer des Projekts kostenreduzierte Stellplätze in der Tiefgarage an, damit diese ihren Wagen dort parken können, so lange die Straße anderweitig belegt ist. Diesem Umstand ist auch der Titel des Projekts geschuldet: "Umparken 2".

Der Zeitraum für das Experiment wurde ans Ende der Sommerferien gelegt, weil dann gleichzeitig ein paar Meter weiter auf dem Gelände der Alten Messe der Mobilitätskongress abgehalten wird, bei dem alternative Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums vorgestellt werden. Ein praktisches Beispiel hätte sich damit direkt vor der Tür gefunden. Jetzt müssen Interessierte eine Häuserzeile weiter zur Parkstraße 16-19 laufen, um das deutlich kleinere Experimentierfeld zu studieren. Dort dürfen, wie Hladky bedauert, nicht wie vorgesehen, Infoveranstaltungen abgehalten werden - "wegen Corona. Wir versuchen das jetzt ins Forum Schwanthalerhöhe zu verlagern". In Räumen des Einkaufszentrums findet sich dann zudem eine Ausstellung über den Westend Kiez und die für 2022 geplante "Vision Schießstättstraße".

Für die vier Parkbuchten an der Parkstraße kündigt Hladky "eine Begrünung mit Bäumen, Büschen und Blumen" an; Gießpaten sind willkommen. Zugleich weist sie darauf hin, dass die Nischen keine Schani-Gärten der Gastronomie seien, sondern konsumfreier Aufenthaltsraum. Fraktionsübergreifend bedauert der Bezirksausschuss, dass die Idee derart zusammenschrumpfen muss. "Die Bürokratie bei diesen Projekten", konstatierte die Bezirksausschuss-Vorsitzende Sibylle Stöhr (Grüne) ernüchtert, "ist der Hammer"!

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Quelle:
SZ vom 16.08.2021
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