Es kam so, wie es die Anwohner befürchtet hatten: Vor knapp drei Jahren schon sahen die Mieter des Karrees Schleißheimer/Bamberger/Gernotstraße das "Damoklesschwert" über sich schweben. Damals erwarb die luxemburgische Fondsgesellschaft Jargonnant Partners (JP) die nur wenige Meter vom idyllischen Luitpoldpark gelegenen Wohnanlage mit 90 Mietparteien. JP hatte fünf Jahre zuvor in Oberschleißheim eine abgewohnte Anlage mit 440 Wohnungen von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gekauft, sie saniert und modernisiert. Um sie anschließend an den Augsburger Immobilienkonzern Patrizia zu verkaufen.
Von einem Verkauf ist in Schwabing bislang nicht die Rede. Entstehen werden aber definitiv neuer Wohnraum und eine Tiefgarage: Den Bauantrag hatte das Unternehmen bereits kurz nach dem Kauf eingereicht, die Stadt ließ sich lange Zeit mit der Entscheidung. Nun hat die Lokalbaukommission das Vorhaben genehmigt. Die 29 neuen Wohnungen, alle rund hundert Quadratmeter groß, entstehen durch den Ausbau des Dachgeschosses und die Aufstockung der Gebäude. Außerdem sollen Aufzüge und Balkone angebaut werden.
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"Das werden richtig schnieke Penthouse-Apartments mit schicken Dachterrassen, keine bezahlbaren Wohnungen für Familien", findet Jens van Rooij. Was den Mietersprecher und seine Nachbarn besonders ärgert: Die Anlage liegt in einem Erhaltungssatzungsgebiet. "Es ist doch klar, dass sich das Mietniveau immer weiter nach oben schraubt, wenn solche millionenschweren Maisonette-Wohnungen gebaut werden dürfen." Die ersten Mieterhöhungen erreichten die Bewohner bereits im Februar 2019.
Außerdem stehen voraussichtlich noch Umbau- und Renovierungsmaßnahmen im Bestand an - einen entsprechenden Bauantrag hat die Eigentümerin inzwischen ebenfalls bei der LBK eingereicht. "Und warum", wundern sich van Rooij und seine Nachbarn, "wird trotz des Mangels an bezahlbarem Wohnraum in München geduldet, dass bei uns seit Längerem viele Wohnungen leer stehen?" Diese Frage haben sie auch dem Oberbürgermeister gestellt. "Der Leerstand", erläutert Dieter Reiter (SPD) in einem Antwortschreiben, sei "gerechtfertigt" und könne laut der städtischen Satzung "leider nicht verhindert werden", da der Wohnraum "nachweislich zügig umgebaut, instandgesetzt oder modernisiert" werden soll.
Die aktuelle Baugenehmigung hat aber noch einen zweiten Effekt: Weil unter dem begrünten Innenhof eine Tiefgarage errichtet werden soll, muss ein Großteil der Oase weichen. Sieben Bäume, die von der Baumschutzverordnung erfasst sind, sollen deshalb der Säge zum Opfer fallen. "Wir sind ziemlich sauer, optisch wird da erst einmal das meiste plattgemacht", sagt van Rooij.
Verärgert reagieren auch Westschwabings Lokalpolitiker, der Unterausschuss Planen, Bauen, Wirtschaft des Bezirksausschusses hat deutlich seinen "Unmut" geäußert. Die Bürgervertreter sehen in der Entscheidung der Lokalbaukommission "einen klaren Widerspruch zu anderen Aktivitäten der Stadt, die in Wettbewerben grüne Projekte ausloben will".
Für die Lokalpolitiker klingt es wie "Hohn, einerseits solche Wettbewerbe auszuloben und gleichzeitig der Innenhofbebauung und der Fällung der Bäume zuzustimmen - gerade auch, weil es sich einmal mehr um ein Erhaltungssatzungsgebiet" handle. Der Bezirksausschuss hatte im Vorfeld die Planung der Tiefgarage im Innenhof und die Baumfällungen vehement abgelehnt und fordert daher nun, bei ähnlichen Bauvorhaben künftig stärker eingebunden zu werden.
Jargonnant Partners jedenfalls hat nicht lange gefackelt. Kaum lag die Baugenehmigung auf dem Tisch, wurde eine Firma beauftragt, die Bäume zu fällen. Am Mittwochmorgen rückte ein Fälltrupp mit der Motorsäge an, die Bewohner konnten gerade noch einschreiten. Denn schließlich ist Schutzzeit für die Vogelbrut - und da dürfen Bäume nur im Sonderfall abgeholzt werden.
"Es ist zwar grundsätzlich möglich, auch von März bis Oktober Baumfällungen vorzunehmen, wenn es dafür eine Baugenehmigung gibt", erklärt Ingo Trömer, Sprecher im Planungsreferat. "Allerdings nur, wenn der Bauherr mit einem Gutachten nachweisen kann, dass darin keine Vögel nisten." Dieses Gutachten liege der Stadt aber nicht vor. Die Untere Naturschutzbehörde hat deshalb noch am Mittwoch vorsorglich die Fällung vorerst untersagt - mündlich. Jens van Rooij und seine Nachbarn wissen, dass zumindest in einer Eibe ein Elsternpaar brütet.