SZ-Serie "Blick ins Klassenzimmer":"In Freundschaften entwickeln Kinder gemeinsame Normen und Werte"

SZ-Serie "Blick ins Klassenzimmer": Auch Freundschaften im Kindes- und Jugendalter bilden das Fundament für die spätere Beziehungsfähigkeit, erklärt der Jugendforscher.

Auch Freundschaften im Kindes- und Jugendalter bilden das Fundament für die spätere Beziehungsfähigkeit, erklärt der Jugendforscher.

(Foto: Stephan Rumpf)

Freundschaften stärken den Zusammenhalt und das Wir-Gefühl einer Klasse, erklärt Kien Tran. Er forscht über Peer-Beziehungen im Jugendalter. Die möglichen Schattenseiten: ein größeres Maß an sozialer Kontrolle und Verhaltenskonformität.

Interview von Heike Nieder

Kien Tran ist wissenschaftlicher Referent am Deutschen Jugendinstitut in München und forscht dort über Peer- und Freundschaftsbeziehungen im Jugendalter.

SZ: Welche Bedeutung haben Freundschaften in der Schule für Kinder und ihre Entwicklung?

Kien Tran: Der Alltag von Kindern und Jugendlichen spielt sich zu großen Teilen in der Schule ab. Daher sind Freundschaften dort besonders wichtig. In Freundschaften entwickeln Kinder und Jugendliche gemeinsame Normen und Werte und lernen, wie man sich in einer Gruppe verhält. Außerdem erfahren sie, wie man auf Augenhöhe mit Konflikten umgeht oder Kooperationen eingeht. Auch für die spätere Beziehungsfähigkeit bilden Freundschaften im Kindes- und Jugendalter eine wichtige Grundlage.

SZ-Serie "Blick ins Klassenzimmer": Kien Tran forscht am Deutschen Jugendinstitut in München über Peer- und Freundschaftsbeziehungen im Jugendalter.

Kien Tran forscht am Deutschen Jugendinstitut in München über Peer- und Freundschaftsbeziehungen im Jugendalter.

(Foto: privat)

Was macht es mit einer Klasse, wenn es dort viele Freundschaften gibt?

Freundschaften stärken den Zusammenhalt einer Klasse und ein Wir-Gefühl, das wichtig ist, um sich nach außen abzugrenzen. Man muss aber auch bedenken: Bei vielen Freundschaften in einer Klasse gibt es unter Umständen ein größeres Maß an sozialer Kontrolle und Verhaltenskonformität.

Sie meinen, eine Gruppe grenzt Kinder aus, die nicht dazugehören.

Genau. Da werden auch gern Hierarchien etabliert.

Sind Zweier-Freundschaften in einer Klasse dann also besser als mehrere Cliquen?

Das kann nicht pauschal gegeneinander abgewogen werden. Während in einer Zweier-Freundschaft das Bedürfnis nach Nähe oder Vertrautheit gestillt wird, stehen in Cliquen soziale Normen, Rollen und speziell ein Zugehörigkeitsgefühl im Vordergrund, was insbesondere die Identität stärkt.

Gibt es da Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen?

Ja. Charakteristisch für Mädchen ist ein eher kleiner Freundeskreis, in dem auch über intime und persönliche Dinge gesprochen wird. Jungen hingegen sind eher in Gruppen eingebettet und fokussiert auf gemeinsame Aktivitäten, wobei Emotionen und Gefühle eine weniger wichtige Rolle spielen.

Lernen Kinder denn besser, wenn sie viele Freunde in der Klasse haben?

Es ist durchaus vorstellbar, dass Schüler, die sich im Klassenverbund sicherer fühlen, besser am Unterricht teilnehmen. Was aber auch wichtig ist: Personen knüpfen eher soziale Beziehungen mit Menschen, die ihnen ähnlich sind. Das kann man auch auf die Leistungen in der Schule beziehen. Wenn sich ein Schüler mit schlechteren Noten mit Kindern befreundet, die gut in der Schule sind, dann verbessern sich nach dieser Annahme die Leistungen des Schülers ebenfalls. Umgekehrt verhält es sich ähnlich. Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass Schüler, die gut in der Schule sind, Freundschaften pflegen zu Schülern, die auch gute Noten haben und umgekehrt genauso.

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