Exponentielles Wachstum betrifft zurzeit nicht nur die Briten-Mutante und die Häufigkeit der Nervenzusammenbrüche im Heimbüroklassenzimmer, sondern auch die Zahl der eintrudelnden Mitteilungen. Wobei trudeln ein viel zu gemütliches Verb ist, es muss heißen: reinrattern, ding-ding-ding-ding.
Kein Großraumbüro, keine Absprachen mal eben über den Tisch. Das Gros der Kommunikation erfolgt schriftlich, zu Dienstbeginn um dreiviertel neun: 94 Nachrichten aus der Frühschicht, Good Morning, Moin, Sonnen-Emoji, Hallo in die Runde, die Überschrift ist schräg, kann die jemand ändern, ja, ich mach, gelber Daumen, gelber Daumen zurück und so weiter. Und neulich poppte aus dem Nichts ein Fenster mit drei schockierend offenen Worten auf: Du selber Pups! Herzlich willkommen im... nein, nicht im Redaktions-Chat der SZ, sondern im Teams-Chat der Klasse 4a.
Leben im Lockdown:So sieht der Schulalltag im Jahr 2021 aus
Seit Wochen lernen die meisten Schüler zu Hause. Die Bedingungen, die sich ihnen dabei bieten, sind unterschiedlich, improvisieren müssen sie alle. Eindrücke vom Homeschooling.
Das Viertklässlerkind befindet sich noch im beneidenswerten (Elternsicht!) Zustand der Handylosigkeit, Gerät gibt's erst in der fünften Klasse, wenn als neue Lebensaufgabe nicht nur Englisch und Erdkunde dazukommen, sondern auch der tägliche Kampf mit der MVG, falls bis dahin wieder echte Schule stattfindet. Handylosigkeit hat in pandemischen Phasen den Nachteil, dass der Account für den Distanzunterricht auf den Elterngeräten läuft und dass Mama und Papa, wenn sie beim Mitteilungsmanagement versagen, ungewollte Einblicke in fremde Kommunikationskulturen erhalten.
Kind A: Bin fertig mit Hausis!!!!! Kind B: Bruh. Kind C: Angeberin. Kind A: Was heißt Bruh? Kind B: lol. Kind D: Die Videokonferenz ist aus dem Kalender verschwunden. Kind B: Bestimmt wegen dem Abdeit. Kind A: Das heißt Updat!!!
Solche Mitteilungen, die ein Mindestmaß an Information enthalten, sind im Viertklässler-Chat allerdings selten. In der Mehrzahl kullern Katzen und purzeln Pinguine, der Rest ist Dadaismus pur: §§§§§§§§§§§§§§§§§§$$$$$$$§§§§ $$$$dhgjcgkkkkkjhvfiuzdkzgkfkk fklgmuhäziftsj8tve6$$$$$$$$$$$$ %%%%%. Die Antwort auf diesen Zeichensalat besteht aus einer Hundertschaft Semikola, die Antwort auf die Antwort ist ein Großbuchstaben-Konglomerat, ungefähr so lang wie der genetische Code der Briten-Mutante. Vielleicht entschlüsselt die Klasse 4a ja versehentlich was.
Letzter Eintrag im Chat: "schau" - das ist Viertklässlerisch für einen bekannten italienischen Abschiedsgruß. Und gar nicht mal so weit weg vom Büro-Chat, der auch immer dadaistischer wird. Da hat sich kürzlich jemand mit "Schüss" in den Feierabend verabschiedet.