SZ-Serie: "Blick ins Klassenzimmer":Warum auch Eltern sich an feste Regeln halten müssen

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Cem Karakaya ist im Kommissariat 105 der Münchner Kriminalpolizei der Experte für Cybercrime. (Foto: Florian Peljak)

Der Internetexperte Cem Karakaya von der Münchner Polizei über Klassenchats, halbnackte Körper auf Smartphones und die Frage, wie Mütter und Väter ihre Kinder schützen können.

Interview von Heike Nieder

Cem Karakaya ist Präventionsexperte im Bereich Internetkriminalität bei der Münchner Kriminalpolizei. Zusammen mit einem Kollegen hält er Vorträge an Münchner Schulen, um Kinder und Eltern für die Gefahren des Internets zu sensibilisieren.

Herr Karakaya, wird das Thema Mediennutzung ausreichend in der Schule behandelt?

Ich bin viel an Schulen unterwegs und muss sagen: Jede Schule engagiert sich und macht was, organisiert Vorträge oder Projekte. Aber eigentlich ist Medienerziehung nicht der Auftrag der Schule, sondern der Auftrag der Eltern.

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Die meisten Kinder haben ein Smartphone, wenn sie auf eine weiterführende Schule kommen. Wie gut können Kinder in diesem Alter mit den Geräten umgehen?

Meine Erfahrung zeigt, dass sie überhaupt nicht damit umgehen können. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das scheinen viele aber zu denken. Insbesondere, wenn man die ganzen Beleidigungen betrachtet, die über Whatsapp weitergeschickt werden. Gegen jede Beleidigung kann sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich vorgegangen werden. Kinder sind ab dem siebten Lebensjahr zivilrechtlich belangbar. Oder der Besitz von Kinderpornografie: Ein Kind unter 14 Jahren hat auf seinem Handy ein pornografisches Video und zeigt es einem anderen Kind, das auch unter 14 ist. Das ist Verbreitung von Kinderpornografie, das ist ein Verbrechen.

Das ist jetzt aber ein Extremfall ...

Leider nicht. Der Besitz von Pornografie und die Verbreitung von Pornografie steht unter den Schülern und Schülerinnen an allererster Stelle.

Pornografie oder Kinderpornografie?

Pornografie, Kinderpornografie seltener. Aber es gibt auch Fälle, da fotografieren sich die Kinder selbst oben ohne oder mit heruntergelassener Hose und schicken das weiter. Früher in den Videotheken gab es einen Bereich, da durfte man erst ab 18 rein. Hat da jemand ein Auge zugedrückt? Nein. Heute brauchen die Kinder nur in die Suchmaschine das Wort Porno einzugeben. Es gibt im Strafgesetzbuch den Paragrafen 184, Absatz 1: "Zugänglichmachung von pornografischen Inhalten für Kinder". Jetzt stellt sich die Frage: Wenn Eltern ihrem Kind ein Smartphone in die Hand drücken, ist das schon Zugänglichmachung von Pornografie?

Was können Eltern tun, um ihre Kinder zu schützen?

Sie müssen ihre Kinder sensibilisieren, über die rechtlichen Grenzen aufklären und begleiten. Mindestens bis diese 16 Jahre alt sind. Mit begleiten meine ich: Eltern sollten sich zusammen mit ihren Kindern vor den Computer setzen. Es gibt tolle Internetseiten, wie klicksafe.de, schau-hin.info oder medien-kindersicher.de. Da findet man Anleitungen, wie man ein Smartphone für ein Kind sicher einrichtet.

Was ist mit festen Regeln?

Die muss es auch geben. Und die müssen dann auch für die Eltern gelten. Eine Regel könnte zum Beispiel sein: Wenn wir zusammen Abend essen, ist der Fernseher aus und es gibt auf dem Tisch kein Smartphone und kein Tablet. Ich persönlich schalte mein Smartphone über das Wochenende aus. Eltern dürfen auch ihre Vorbildrolle nicht vergessen. Ich kann meinem Kind nicht sagen, leg das Smartphone weg, während ich selbst mein eigenes in der Hand halte. Ich benutze übrigens auch keine Messengerdienste.

Was halten Sie von Klassenchats?

Ich bin absolut gegen solche Chatgruppen. Die Kinder kommen nicht zur Ruhe. Auch einige Eltern glauben, dass da Menschen Milliarden Dollar investieren, nur damit wir schön kostenlos Nachrichten untereinander verschicken können. Es werden aber Profile erstellt von uns. Die heutigen Kinder und Jugendlichen sind die Entscheidungsträger der Zukunft. Mit Videos, die sie heute hochladen und die ihnen morgen peinlich sind, werden sie erpressbar.

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