Weil Busse fehlen:Förderschüler kommen nicht mehr zum Unterricht

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Viele Schüler an Förderzentren in München haben in diesem Jahr Probleme mit dem Transport zur Schule. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Es trifft vorwiegend diejenigen, die ohnehin schon belastet sind: Für mehr als 500 Schüler von Grund- und Förderschulen gab es zum Start des Schuljahres keinen Schulbus. Dabei sind die Wege oft sehr weit.

Von Kathrin Aldenhoff

Einfach war der Alltag für die Familie noch nie, aber so wie es jetzt ist, ist es eine Katastrophe: Mutter und Vater arbeiten im Schichtdienst, ihre Tochter ist entwicklungsverzögert und hat ADHS, ihr Sohn hat eine körperliche Behinderung – und nun fällt von einem Schuljahr zum anderen der Schulbus für die Tochter weg. Bei einem Schulweg von zehn Kilometern zur Förderschule. Neun Jahre sind die beiden alt, Zwillinge, als Frühchen zur Welt gekommen. „Wir kämpfen seit der Geburt. Das Problem jetzt belastet uns zusätzlich“, sagt Juliane Männecke, die Mutter der beiden.

Bisher wurden ihre Kinder morgens von einem Schulbus an der Haustür abgeholt und nach dem Unterricht wieder nach Hause gebracht. Bei ihrem Sohn und seiner Schule klappt das auch weiterhin, doch bei der Tochter nicht mehr, sie besucht eine andere Schule im Münchner Süden. Dort hätten ihres Wissens 20 Kinder das Problem mit dem Bustransport. Und sie sind nicht die einzigen in der Stadt. Das Bildungsreferat nennt die Zahl von 520 Münchner Schulkindern, die Anfang des Schuljahres betroffen waren.

„Das ist ein richtiges Problem“, sagt Andreas Stüwe, Schulleiter des Sonderpädagogischen Förderzentrums München-Ost. 300 Kinder werden dort unterrichtet, von der Vorschule bis zur neunten Klasse. 120 von ihnen würden mit dem Bus gebracht, erzählt er, hauptsächlich die Jüngeren. Denn die Schulwege sind weit: 14 Grundschulsprengel umfasst der Einzugsbereich seiner Schule. In diesem Schuljahr können viele Kinder nicht mit Bussen zur Schule gebracht werden, andere kommen nicht nach Hause oder in die Nachmittagsbetreuung. Insgesamt 90 Fahrten konnten nicht an Busunternehmen vergeben werden – das habe es noch nie gegeben.

„Das ist eine riesige Belastung für die Familien“, sagt Stüwe. Viele bringen ihre Kinder nun selbst in die Schule, könnten das aber nicht dauerhaft machen. Auch der Unterricht leide, sagt der Schulleiter und nennt ein Beispiel: Ein Busfahrer habe jetzt eine zweite Fahrt übernommen. So kämen zwar mehr Kinder zur Schule, einige von ihnen aber viel zu früh und andere zu spät. „Das bringt viel Unruhe und Verunsicherung rein“, sagt der Schulleiter. „Und unsere Kinder haben ohnehin schon erschwerte Startbedingungen.“

Dass es zum Schuljahresbeginn Probleme mit dem Bustransport an die Schulen gibt, ist nichts Ungewöhnliches. Doch so schlimm wie in diesem Schuljahr war es noch nie, sagt Wanda Jakob vom Gemeinsamen Elternbeirat der Münchner Förderschulen (GEB). Die Elternvertreterinnen beklagen eine „besonders gravierende, bisher nicht dagewesene Situation“. Für einen erheblichen Teil der Förderschulkinder in München fehle der Bustransport. Sie wissen von Kindern, die vergangene Woche gar nicht zur Schule gehen konnten, weil die Eltern keine Möglichkeit gefunden haben, den Weg zur Schule anders zu organisieren.

Das Problem dieses Jahr: Der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ist es nicht gelungen, in einer europaweiten Ausschreibung alle Buslinien für die Schulbusse zu vergeben. Mitte August habe die MVG das dem Bildungsreferat gemeldet, teilte eine Sprecherin mit. Unter Hochdruck sei es gelungen, am ersten Schultag durch die Akquise bei Unternehmern, Routenanpassungen und den Einsatz von Taxen eine Lösung für die Hälfte der betroffenen Schülerinnen und Schüler zu finden. Im Laufe der ersten Schulwoche seien Lösungen für 420 Schulkinder gefunden worden und es werde weiter nach individuellen Lösungen gesucht.

Wanda Jakob vom GEB hat in den vergangenen Tagen mit mehreren Familien gesprochen. Eine Mutter erzählte ihr, dass sie nun Minusstunden mache in der Arbeit, weil sie ihr Kind morgens zur Schule bringt. Also arbeite sie zusätzlich samstags, um auf ihre Stunden zu kommen; der Vater schlafe nach seiner Nachtschicht freitags nicht mehr, weil er sein Kind abhole, und gehe am folgenden Tag ohne geschlafen zu haben in die Arbeit. Bereits nach der ersten Woche in diesem Modus, sagt Wanda Jakob, seien Mutter und Vater fix und fertig.

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