München im Schnee:Wie sich der Winter auf die Stadt auswirkt

München im Schnee: Münchens verschneite Straßen leuchten elegant im Licht der Laternen, die Nacht wirkt wie verzaubert.

Münchens verschneite Straßen leuchten elegant im Licht der Laternen, die Nacht wirkt wie verzaubert.

(Foto: Stephan Rumpf)

Selbstgespurte Loipen, fröhliche Schneefrauen und Snowboarder auf der Theresienwiese: München leuchtet weiß. Das ist vor allem schön - doch ein paar Unfälle und viel Arbeit gibt es auch.

Von Isabel Bernstein, Sabine Buchwald, Julian Hans, Franz Kotteder und Sebastian Theuner

Was ist denn das? Zwei dunkle Schlappohren hüpfen rhythmisch aus dem Schnee heraus, tauchen unter, hüpfen hoch, tauchen unter... Die Ohren gehören zu Anton, einem drei Monate alten Dackel, stellt sich heraus, als er endlich die breite, einigermaßen geräumte Straße in der Mitte der Theresienwiese erreicht. Er ist mit seinem Frauchen unterwegs und kämpfte sich gerade von Norden her durch den 30 Zentimeter hohen Schnee. Jetzt steht er da und friert und schnauft.

Hier werden Erinnerungen wach an den bisherigen Jahrhundertwinter 2006, als die Trambahnen drei Tage lang nicht fahren konnten, weil der Schnee so hoch lag. In der Nacht zum Dienstag hatte sich die Theresienwiese in ein Schneeparadies verwandelt, an den Rändern, wo es hinaufgeht zur Straße Theresienhöhe, wurde wieder gerodelt, und unten entstanden ganze Fußballmannschaften von groß gewachsenen Schneemännern.

Wer sich jetzt noch mit dem Fahrrad auf das Gelände wagt, schnauft entweder schwer oder legt sich über kurz oder lang unfreiwillig in eine Schneewehe. Drei Männer sind gar mit Snowboards und Skiern da, sie lassen sich von einer Art Lenkdrachen und dem zeitweise recht kräftigen Wind über die weiten Schneeflächen ziehen. Hoffentlich übersehen sie dabei keine Dackelwelpen vom Schlage eines Anton.

Sport im Schnee

Der Schnee ist nicht jedermanns Sache. Deshalb hat sich nicht jedes Kind der Gruppe, die am Dienstag in der Winterwunderlandschaft am Flaucher unterwegs ist, darüber gefreut, dass die Erzieherinnen zum Schlitten gegriffen und die Kleinen nach draußen gejagt haben. Stimmungsmäßig gibt es bei der Tour so manche "Höhen und Tiefen". Den allermeisten Menschen, denen die Kindergruppe begegnet, ist die weiße Pracht dagegen willkommen. Vereinzelt sind Langläufer unterwegs, immer wieder Jogger, die sich von dem schwierigen Untergrund nicht abschrecken lassen.

Von einer Flaucherinsel grüßt eine Schneefrau mit einer auf ein Pappschild geschriebenen Botschaft: "Bitte stoppt die Erderwärmung." Weiter stadteinwärts wird in den Isarauen kräftig gesportelt. Mit Musikbox und der richtigen Funktionsbekleidung kann man sich im Fitnessparcours auch bei Schnee auspowern. Echte Sportler kennen keine Ausreden, schon gar nicht das Wetter. Dass Loipen noch nicht präpariert sind, lassen Langläufer an diesem Tag nicht gelten: Sie spuren sich ihre Loipe kurzerhand selber. Bleibt die Schneelage über mehrere Tage stabil, will die für das Spuren zuständige Grünanlagenaufsicht die Loipen in den Isaranlagen sowie im Riemer, Ost- und Westpark präparieren.

Winterdienst im Dauereinsatz

Für die mehr als 1000 Einsatzkräfte mit ihren gut 600 Fahrzeugen bedeutet der viele Schneefall: räumen, räumen, räumen. Fallen mehr als drei Zentimeter Schnee oder besteht die Gefahr von Straßenglätte, beginnt die Arbeit für den Winterdienst bereits um zwei Uhr morgens, bei Bedarf aber auch früher, damit die Straßen im Berufsverkehr frei sind. Bis 22 Uhr sind die Räumfahrzeuge abends im Einsatz, "zwei Stunden länger, als der Gesetzgeber das vorschreibt", so das Baureferat.

Schneelast auf den Dächern

Wie viel Schnee verträgt ein Hausdach, wie viel der Balkon? Solche Fragen kann man sich schon stellen, wenn es viel schneit. Denn weder Dächer noch Balkone kann man mit unendlich viel Gewicht belasten. Deshalb gibt es auch Richtwerte beziehungsweise eine Schneelastnorm, die Experten für jede Region festgelegt haben und an die sich Architekten bei der Planung halten müssen. In München liegt die vorgesehene Schneelast bei etwa 100 Kilogramm pro Quadratmeter Fläche. So viel sollte ein Dach dauerhaft aushalten können. Entscheidend ist der Wassergehalt des Schnees. Ist er recht nass, dann reichen schon zehn Zentimeter Höhe auf einem Quadratmeter und er wiegt so viel wie 100 Packungen Zucker.

"In der Metropolregion München kommen wir im Moment nicht über die zulässige Schneelast", beruhigt Norbert Gebbeken, Professor an der Bundeswehr-Universität München und Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Wichtig allerdings sei, dass Regenrinnen und Rohre frei für das Schmelzwasser sind. Außerdem gibt ein Dach Alarmzeichen, falls ihm Schnee und Eis zu schwer werden. Das kann etwa ein Riss in der Rigips-Verkleidung sein, eine Tür, die klemmt oder ein Fenster, das sich nicht mehr geschmeidig öffnen und schließen lässt. Achtgeben, so der Statiker, sollte man auf selbstgebaute Carports. Falls man ihrem Stehvermögen misstraut, sei es sinnvoll, vorsichtig hochzuklettern und den Schnee gleichmäßig wegzuschaufeln.

Rutschpartie auf den Straßen

Eigentlich sollte man meinen, dass nachts derzeit die Straßen frei sind aufgrund der Ausgangssperre. Die beiden Schneeräumfahrzeuge, die am Dienstag in der Früh gegen 3.30 Uhr in Lochhausen unterwegs waren, hatten aber zweifellos einen triftigen Grund im Sinne der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Wahrscheinlich waren die beiden Fahrer auch überrascht, mitten in der Nacht auf der Kreuzung zwischen Lochhausener Straße und Sumpfmeisenweg noch auf einen anderen Verkehrsteilnehmer zu stoßen. Die Fahrer hätten zwar noch versucht zu bremsen, teilte die Polizei am Dienstag mit, doch es war zu spät: Der eine Schneeräumer rammte den anderen in die Seite, verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Seit am Montagabend der Schneefall einsetzte, sicherte die Polizei Orte ab, an denen es entweder bereits gescheppert hatte oder wo noch Gefahr drohte. Zum Beispiel die Grünwalder Brücke, die noch am Abend gesperrt wurde, am Dienstag aber wieder befahren werden durfte. Insgesamt zählte die Polizei bis Dienstagmittag mehr als 150 Unfälle. Außer dem Blech hat bei alldem niemand ernsthaften Schaden erlitten, lediglich bei vier Unfällen gab es insgesamt fünf leicht Verletzte. Die Feuerwehr musste einen Gelenkbus wieder in die Spur bringen, der auf der Steigung zum Friedensengel ins Rutschen geraten und eingeknickt war. Die Einsatzkräfte räumten die Straße, streuten Split und der Bus konnte weiterfahren. Ein anderer Bus, der auf einem Wendeplatz in Harlaching stecken geblieben war, wurde mithilfe einer Seilwinde herausgezogen. Kurz vor ein Uhr nachts musste in Pasing eine Straßenbahn befreit werden, die zwischen Siegelstraße und Zschokkestraße im Schnee stecken geblieben war. Am Dienstagmittag wurden die Einsatzkräfte dann auf die A 96 gerufen; dort hatte sich ein Betonmischer auf der glatten Fahrbahn gedreht.

Die nächsten Tage

In den nächsten Tagen und Wochen wechseln sich Winter- und Tauwetter ab. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) steigen die Temperaturen zum Wochenende. Für Mittwochmittag ist erneut Schnee zu erwarten, der aber nicht lange bleibt, denn am Donnerstag und Freitag wird es dann wohl regnen bei Temperaturen um die zehn Grad. Am Samstag soll es wieder schneien. Dieses Hin und Her wird laut DWD wohl auch in der kommenden Woche so bestehen, sonniges Wetter sei vorerst nicht in Aussicht.

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