München-Besuch der dänischen Königin:Juwelen für Fortgeschrittene

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Die dänische Schmuckkünstlerin Marie-Louise Kristensen arbeitet nun sechs Monate lang in München. (Foto: Foto: Dorte Krogh)

Königin Margrethe II. von Dänemark ist in München, um einen neuen kreativen Austausch zu feiern. Künftig arbeiten dänische Schmuckkünstler an der Bayerischen Akademie der Bildenden Künste. Als Erste: Marie-Louise Kristensen.

Von Ira Mazzoni

Marie-Louise Kristensen ist angekommen. Die international renommierte dänische Schmuckkünstlerin sitzt konzentriert an einem Werktisch in der Klasse Schmuck und Gerät und arbeitet als wäre sie hier seit langem zu Hause. Kristensen ist die erste dänische Schmuckkünstlerin, die von dem neu geschaffenen Artist-in-Residence-Programm profitiert, das das dänische Kultusministerium assistiert von der Botschaft zusammen mit der Akademie der Bildenden Künste und der Leiterin der Schmuckklasse, Karen Pontoppidan, entwickelt hat.

Für die Dauer von sechs Monaten wird jeweils eine Schmuckkünstlerin oder ein Schmuckkünstler nach München eingeladen, um dort das Projekt umzusetzen, mit dem sie oder er sich um dieses Stipendium beworben hat. Großzügig finanziert wird der Aufenthalt vom dänischen Staat. Dass diese auf vier bis fünf Jahre angelegte Kooperation keine kleine Angelegenheit ist, zeigt, dass Königin Margrethe II. zum Auftakt-Festakt am 13. November in die Aula der Akademie kommen und die Werkstätten in der Klasse Schmuck und Gerät besuchen wird.

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Dänemark hat eine beeindruckende Tradition und eine lebhafte Gegenwart auf dem Gebiet des Autorenschmucks. Davon legte die Ausstellung Jewellery Box im Museum Kunst und Design in Köln (mak) dieses Jahr Zeugnis ab. Dort wurden von März bis August ausgewählte Stücke von insgesamt 59 zeitgenössischen dänischen Schmuckkünstlern präsentiert. Der dänische Staat hat seit 1978 eine Schmuck-Sammlung aufgebaut: Die sogenannte Jewellery Box, die permanent im Koldinghus Museum präsentiert wird. Einmalig dürfte sein, dass die Dänische Kunststiftung Stücke aus der Sammlung an dänische Bürger ausleiht, wenn diese einen großen öffentlichen Auftritt haben. Auf diese Weise erhält der künstlerische Schmuck tatsächlich von Zeit zu Zeit den Platz in der Gesellschaft, den er braucht, um zu wirken.

Aber trotz dieser offiziellen Anerkennung der Schmuckszene - es fehlt in Dänemark eine akademische künstlerische Weiterbildung. Die primäre Ausbildung ist handwerklich. Wem das nicht reicht, der muss sich um Auslandsstipendien oder Workshops bei anderen Künstlern bemühen. Während es in den skandinavischen Nachbarländern Schweden, Norwegen und Finnland spezialisierte Hochschulen gibt, fehlt eine solche in Kopenhagen und damit ein entsprechender Diskurs. Goldschmiede. die künstlerisch ambitioniert sind, zieht es häufig nach London, Amsterdam oder eben nach München. Die "Klasse Schmuck und Gerät" genießt mit ihrer mehr als 70-jährigen Tradition einen enormen Ruf in Dänemark. Dass mit Karen Pontoppidan seit 2015 eine Dänin in München lehrt, hat der ungewöhnlichen Initiative den Weg geebnet.

Mann mit Hut: Marie-Louise Kristensen gestaltete dieses Kerlchen 2016 aus Silber, Gold, Bernstein und Opalen. Es ist zehn Zentimeter hoch. (Foto: Dorte Krogh)

Marie-Louise Kristensen strahlt. Sie ist angekommen in München, der Stadt, die sie im Terminstress bisher nur flüchtig wahrgenommen hat. Seit 2010 waren ihre witzigen, hintersinnigen, verspielten, Neugier weckenden und geheimniswahrenden Broschen-Assemblagen schon mehrfach für die weltweit geschätzte Sonderschau Schmuck auf der Handwerksmesse ausgewählt worden. Während der Schmuckwoche ist sie wie alle von Galerie zu Galerie, von Event zu Empfang gehetzt. Jetzt freut sie sich, sechs Monate Zeit für eigene Entdeckungen zu haben. Kristensen ist Stadtmensch - Ihre Schmuckthemen findet sie auf der Straße: Graffiti und Baustellen faszinieren sie. Atmosphären und Emotionen fließen in ihre Bildfindungen ein.

Kristensen ist angekommen in der Akademie. Die Werkbank - so sagt sie, sei der Anker in ihrem Leben, egal wo sie steht. Angekommen in der Klasse Schmuck und Gerät heißt aber auch "mitten in der Welt des Schmucks" angekommen zu sein. Denn dies ist das Besondere: In der Klasse Schmuck und Gerät von Karen Pontoppidan arbeiten derzeit 28 Studentinnen und Studenten aus 13 Nationen. Keine und keiner ist Anfänger. Alle haben eine handwerkliche, teilweise auch künstlerische Ausbildung. Alle bringen ihre kulturellen Erfahrungen in den Diskurs über Funktionen und Potentiale von Schmuck ein.

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Die von Marie-Louise Kristensen gestalteten Broschen sind berühmt - und überraschend. Hier die eine Seite des Werks ÅRE/ ANGEL.

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Und die andere Seite: Man sieht die filigranen Bestandteile des Schmuckstücks, das aus Holz, Silber, Kupfer, Plastik, Quarz und Milliput - eine Art Knetmasse - besteht.

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Ähnlich das Erlebnis, wenn man das Kunstwerk HELLO KITTY, PLEASE RESPOND!!! zu sehen bekommt.

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Verarbeitet wurden Milliput, Silber, Kupfer, Gummi, Glas, und Stahl. Die Größe in Millimeter beträgt 185 x 70 x 30.

Abendländische Vorstellungen können da keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Und genau das interessiert Kristensen: Wie kann man über kulturelle Grenzen hinweg besser miteinander kommunizieren und welche Rolle kommt dabei dem Schmuck zu. Sie ist gespannt darauf, andere Denkweisen kennenzulernen. Kristensen ist sich sicher: "Wir machen etwas ganz Besonderes, das keine andere Kunst leisten kann. Sie hofft sehr, dass sie mit den Erfahrungen, die sie in der Akademie und in der Stadt macht, verändert an ihren Werkplatz in Kopenhagen zurückkehrt. Sie hofft, dann mit neuem Blick auf das Vertraute zu schauen.

Jetzt erradelt sie sich erst einmal die Stadt und geht der irritierenden Erfahrung nach, als Dänin nicht aufzufallen und doch fremd zu sein, sprachliche Verwandtschaften zu sehen und zu hören und doch nichts zu verstehen. Alles scheint ein wenig verdreht und verschwommen. Und diese Empfindung interessiert sie künstlerisch. Man darf gespannt sein, ob und welche Bilder Kristensen in ihrer melancholisch humoristischen Art dafür finden wird. Wird sie auf das Motiv mehrfach geflickter, kurioser Raumkapseln zurückgreifen? Oder rudert sie sich auf ganz neue Weise frei? Sechs Monate Zeit ohne Verpflichtungen: Das ist ein Geschenk für die Künstlerin. Und die Studierenden der Klasse Schmuck und Gerät haben nun eine vielschichtige Künstler-Persönlichkeit in ihrer Mitte, deren Werk unbedingt den nahen, neugierigen Blick lohnt. Mit Kristensens Einladung, hat das dänisch-deutsche Artist-in Residence-Programm eine vielversprechenden Anfang.

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