Am Hart/Hasenbergl:Mal wieder Verkehrswende

Stau am Mittleren Ring in München, 2017

Nichts geht mehr: der Mittlere Ring am Olympiapark in Höhe der BMW-Zentrale vor der Corona-Pandemie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Rathauskoalition könnte sich nun doch mit einer Auto-Röhre an der Schleißheimer Straße anfreunden. Favorisiert wird eine Variante durchs Hasenbergl. Die Sozialdemokraten im Norden reagieren zustimmend, die Grünen entsetzt

Von Lea Kramer, Am Hart/Hasenbergl

Im Münchner Norden stehen die Autos dicht an dicht. Gegen das hohe Verkehrsaufkommen rund um die Schleißheimer Straße hat auch die Corona-Pandemie nur wenig ausrichten können. Die Verbindungsstraße zwischen dem Umland und der Innenstadt ist im vergangenen Jahr erneut eine der staureichsten in ganz Deutschland gewesen. Seit Jahren wird in der Stadtverwaltung an einem Mobilitätskonzept gearbeitet, damit es im Norden besser fließt. Dabei steht immer wieder ein Tunnel in Richtung A 99 zur Debatte, an dem sich nicht nur vor Ort die Gemüter erhitzen.

In ihrem Koalitionsvertrag hatte die grün-rote Stadtregierung vor knapp einem Jahr vereinbart, die Planungen für besagten Tunnel an der Schleißheimer Straße einzustellen. Diese Position scheint einer der Koalitionspartner nun mindestens zu hinterfragen. "Wir gehen davon aus, dass ein möglicher Tunnel im Stadtrat wieder auf die Tagesordnung kommt", sagt Nikolaus Gradl, verkehrspolitischer Sprecher der SPD/Volt-Fraktion. "Im Rahmen des Verkehrskonzepts für den Münchner Norden", fügt er hinzu. Dieser Zusatz ist den Sozialdemokraten wichtig, denn die SPD wehrt sich gegen den Vorwurf, das Verkehrschaos in den nördlichen Bezirken der Stadt allein durch eine neue Röhre lösen zu wollen. Eine Untersuchung, wie dieses Konzept konkret aussehen könnte, will das Mobilitätsreferat dem Stadtrat in den kommenden Wochen vorlegen. "Bei einer Untersuchung zur Autobahnanbindung wurden Alternativen geprüft", heißt es zu dem Vorgang knapp aus dem Referat.

Immerhin sieben Varianten sind für eine Anbindung der Schleißheimer Straße an die Autobahn im Gespräch. Diese wurden dem Stadtrat im Juli 2019 vorgestellt. Ein Großteil der Entwürfe ist vor allem aus ökologischer Sicht fragwürdig, denn die Planungen gehen durch die Naturschutzgebiete Hartelholz, Nordhaide und Panzerwiese. Die restlichen Varianten wiederum wären in der Umsetzung komplexer, da sie stark besiedelte Gebiete kreuzen.

Eine Trasse, die künftig ins Zentrum der Planungen rücken könnte, ist der sogenannte Planfall A4 - eine Strecke durch das Hasenbergl. Der Entwurf dafür sieht vor, dass die Schleißheimer Straße vom Goldschmiedplatz in einem Tunnel unter der Bebauung hindurch nach Westen zur knapp drei Kilometer entfernten Feldmochinger Straße geführt wird. "Diese Variante wollen wir nun genauer anschauen", sagt Florian Roth, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat. Die Koalition habe sich auf eine vertiefte Prüfung dieser Variante verständigt, allerdings müsse man dann eine Abwägung treffen. "Wir wollen die Verkehrssituation für alle verbessern", sagt Roth, "und die Lösung muss dann mit der Finanzlage der Stadt, den Klimazielen und anderen Faktoren wie künftigen Neubaugebieten im Münchner Norden vereinbar sein."

In den Stadtbezirken werden die Entwicklungen im Rathaus mit Spannung beobachtet. Die SPD im Bezirksausschuss (BA) Milbertshofen-Am Hart hatte kürzlich einen eigenen Antrag verfasst, in dem sie fordert, dass die Tunnelplanungen wieder aufgenommen werden sollen, auch mit Blick auf das Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) von BMW. "Die Erweiterung des FIZ wird weiteren Verkehr für uns und unseren Bezirk nach sich ziehen. Ohne einen möglichst schnellen Abfluss durch einen Tunnel wird es nicht gehen", sagt der SPD-Ortsvorsitzende Mathias Kowoll.

Die Grünen hingegen sind enttäuscht über die Wiederbelebung der Tunnelpläne. "Wir lernen immer wieder, dass flüssiger Verkehr eine Utopie ist", sagte der Mobilitätsbeauftragte Jürgen Trepohl (Grüne). Der Antrag sei rückwärtsgewandt, die Stadt solle sich auf den S-Bahn-Ausbau konzentrieren, der jahrelang vernachlässigt worden sei. In Feldmoching-Hasenbergl sind die BA-Mitglieder ebenfalls uneins. Die SPD sieht einen Tunnelbau als unumgänglich an. Christine Lissner (Grüne) hingegen fordert ein Umdenken, da es ihrer Meinung nach auch durch einen Tunnel keine Veränderung an den betroffenen Verkehrsknotenpunkten geben werde. "Es ist eine Lösung für die Pendler, die wir dann bezahlen müssen", sagt sie.

Dass die Verkehrswende in Sachen Tunnelbau auch mit dem offensiven Auftreten von BMW zu tun hat, scheint nicht ausgeschlossen. Seit die Tunnelpläne im vergangenen Jahr in der Schublade verschwunden sind, hat der Autobauer die einzelnen Stadtratsfraktionen mehrfach zum Gespräch geladen. In der Vergangenheit hatte BMW den Ausbau seines Forschungs- und Innovationszentrums, in dem in den kommenden Jahren bis zu 15 000 neue Arbeitsplätze entstehen werden, eng mit dem Anschluss des Werksgeländes an die Autobahn verknüpft. Der Tunnel würde es ermöglichen, dass ein Großteil des Auto- und Lastwagenverkehrs westlich vom FIZ direkt nach Norden abfließt. "Die Tunnelanbindung der A 99 an die Schleißheimer Straße ist feste Säule der Planungen rund um das FIZ Future", sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Einen Favoriten der sieben Planungsvarianten will der Konzern allerdings nicht nennen. Er sieht den Tunnel im Kontext eines Masterplans Mobilität, der die Bedürfnisse von Pendlern und der Wirtschaft im Großraum München berücksichtigen müsse. Aber: "Ein Tunnel durch das bestehende Naturschutzgebiet ist für uns nicht vorstellbar."

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