Atlantik:Meerestiere in göttlichen Saucen

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Begeisterung schon bei der Vorspeise: Hummer mit weißem Spargel und Buttermilchsauce. (Foto: Robert Haas)

Das Restaurant Atlantik im Schlachthofviertel ist eines der besten Fischrestaurants der Stadt, auch dank seines neuen Kochs aus der Sternegastronomie.

Von Marcelinus Sturm

München gilt seit jeher als eine Stadt des Bieres und des Schweins- und Rindsbratens. Stimmt so aber schon lange nicht mehr, wenn es denn überhaupt je stimmte. Denn die Münchner waren immer schon stramme Weintrinker, was die oberen Klassen anging, und Fleisch konnte man sich früher bei Weitem nicht so oft leisten, wie man es gerne gewollt hätte. Und heute ist sowieso vieles anders. Zum Beispiel hätte man im Schlacht- und Viehhof an der Zenettistraße nicht unbedingt eines der besten Fischlokale der Stadt erwartet. Das ehemalige Kassenhaus, 1876 bis 1878 wie der ganze Schlachthof nach der großen Cholera-Epidemie von 1866 erbaut vom damaligen Stadtbaurat Arnold von Zenetti, um die Hygiene zu gewährleisten, beherbergt seit mittlerweile 26 Jahren nämlich das Restaurant Atlantik. Dessen umtriebiger Wirt Peter Feigl hat es über die Jahrzehnte hinweg aus- und aufgebaut, stets mit erstklassigen Zutaten und den dazu passenden Weinen.

Freilich: Austern, Hummer, Kaviar und Schampus ziehen wohl nicht nur in München auch eine gewisse neureiche Klientel an, die es mal so richtig krachen lassen will und das auch kann. Im Falle des Atlantik, das früher "Atlantik Fisch" hieß, damit auch ja keine Missverständnisse aufkamen, war das oft zwischen Schickeria und Halbseide angesiedelt. Manchmal kam man sich da fast so vor wie in Brechts "Dreigroschenoper". Die läuft inzwischen eher knapp 100 Meter weiter im neu erbauten Volkstheater, im Atlantik aber findet man noch immer geldige Leute, denn das Restaurant zählt nicht zu den Billigheimern, und aus der rauchigen "Schlemmer-Spelunke", wie sie der Kollege Julius Römer in der ersten Kostprobe 2002 titulierte, ist jetzt ein hübsch französelndes, ein bisschen zusammengewürfelt wirkendes Restaurant mit einem großen Wintergarten als Hauptraum geworden. Champagner und Wein spielen hier immer noch eine wichtige Rolle. Beim Wein hat man eine große, sehr gediegene Auswahl, von der Allzweckwaffe Fass 4 vom Weingut Ott über diverse Flaschen Sancerre, Chablis bis hin zu Pouilly Fumé.

Erst jetzt kann Küchenchef Franz Josef Unterlechner so richtig zeigen, was er drauf hat

Seit gut zwei Jahren ist hier Franz Josef Unterlechner der Küchenchef - oder auch wieder nicht, denn das Lokal war ja meist coronabedingt geschlossen. Erst jetzt kann er so richtig zeigen, was er drauf hat. Und das ist phänomenal. Hätte es Corona nicht gegeben, dann hätte der Mittdreißiger wahrscheinlich längst einen Stern im Michelin. Kein Wunder: Er hat im damaligen Lenbach bei Ali Güngörmüs gelernt, war bei Christian Jürgens in der Überfahrt am Tegernsee und Sous-Chef im Königshof bei Martin Fauster, auch diverse Auszeichnungen hat er sich erarbeitet.

Hübsch französelnd und ein bisschen zusammengewürfelt: So präsentiert sich das Atlantik. (Foto: Robert Haas)

Warum, das merkt man schon bei den Amuses Bouches zum Menü. Da kommt zum Beispiel eine blanchierte Auster, die nur ganz kurz auf den Holzkohlegrill (ein wichtiges Küchenaccessoire im Atlantik) geschaut hat und mit Sauerrahm und Spargel serviert wird, was ein ungewöhnlich ausgewogenes Geschmacksbild ergibt. Oder das Stück von der gegrillten Makrele: Im Hintergrund schmeckt man noch einen feinen Hauch von Steckerlfischaroma heraus, fast wie eine ironische Anspielung auf die Sodbrennerei, die mancher Biergartengrill wegen der äußerst großzügigen Art des Würzens oft darstellt.

Es folgen fünf Gänge, die ihre 149 Euro Gesamtpreis sehr wohl wert sind. Ein Thunfisch, nach der japanischen Tataki-Art nur ganz kurz und scharf angebraten, in einer göttlichen Sauce mit Nori-Algen, flankiert von Blumenkohl, Grapefruit und einer scharfen Jalapeño-Creme. Danach eine gegrillte Gelbschwanzmakrele mit den schwierig zu verarbeitenden Stabmuscheln in einer köstlichen, kräftig dunkelgrünen Petersilienessenz und einen Apfelchip in Farnform. Das scheint Unterlechner zu lieben, denn solche Chips tauchen öfters bei ihm auf. Der folgende Hummerschwanz ist perfekt gegart und wird mit zwei Spinattaschen serviert, die Sauce américaine dazu ist ein Gedicht.

Saucen sind die Königsdisziplin

Endlich kann Küchenchef Franz Josef Unterlechner zeigen, was er kann. (Foto: Florian Peljak)

Überhaupt - da merkt man besonders die Schule von Martin Fauster - sind die Saucen neben dem punktgenauen Garen von Fisch und Krustentieren die Königsdisziplin von Unterlechner. Bei unseren Besuchen gab es zu keinem Gericht eine, die nicht perfekt abgestimmt gewesen wäre. Bei der Vorspeise Hummer mit weißem Spargel (39,00) war es eine angenehm frische Buttermilchsauce mit grünen Tupfern von Kerbelöl (und einem farnförmigen Hummerchip, wenn wir es richtig sehen). Und die Zitronen-Petersilie-Sauce zum "ganzen Seeteufel mit Kopf & Kragen" für zwei vom Grill (44,00 pro Person) harmonierte ganz hervorragend mit dem festen, kompakten Fleisch dieses Meeresfischs, der optisch an einen gruseligen, chinesischen Drachen erinnert. Da war es dann fast schade, dass die Vorspeise Thunfisch-Tatar (25,00) aus grob gewürfeltem Fisch mit Avocado und Gurke, ein Atlantik-Klassiker übrigens, ganz ohne Sauce auskommt.

Das Atlantik hat auch Fleisch in Gestalt von Rind und Kalbskotelett im Angebot, und natürlich gibt es da auch "Surf & Turf" zum satten Preis von 189 Euro für zwei Personen. Sturm und Anhang haben sich den Test, auch aus Kostengründen, verkniffen. Es gibt schon gute Steakrestaurants in der Stadt, hervorragende Fischlokale sind hingegen eher dünn gesät. Das Atlantik ist eines der besten.

Restaurant Atlantik , Zenettistraße 12, 80337 München, Telefon: 089/74790610, , Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 18 bis 0 Uhr, Freitag auch 12 bis 15 Uhr, Samstag 18 bis 2 Uhr.

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