Süddeutsche Zeitung

Schlachthofviertel:Ärger um neue Lastwagen-Waschanlage

Die Millionen-Investition ruft die Kritiker des Areals auf den Plan. Sie fürchten, sie könnte ein Hindernis für den Ausstieg aus dem Betrieb werden.

Von Julian Raff

Als im Jahr 1878 Münchens erster zentraler Schlachthof in Betrieb ging und die Schlachthäuser und Hinterhofbetriebe in der Altstadt schlossen, war dies ein Durchbruch in Sachen Hygiene und Wohnqualität. Dass sich die wachsende Stadt ihn schon kurz darauf wieder einverleibte, galt als akzeptabel, zumindest so lange günstige Mieten für ein gewisses Maß an Lärm und Gestank entschädigten.

Nicht nur das ist lang vorbei: Selbst langjährige Anwohner klagen seit Jahren über steigende Belastungen. Regelmäßig diskutiert der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt daher über einen Ausstieg aus dem Betrieb, beziehungsweise darüber, ob und wie viel die Stadt hier noch investieren soll.

Den aktuellen Anlass liefert das 15-Millionen-Euro-Projekt einer neuen Lkw-Waschanlage auf dem Betriebsgelände an der Zenettistraße. Die veraltete, eigentlich nur für die Innenreinigung konzipierte Anlage im Süden des ehemaligen Viehhofs muss mittelfristig dem geplanten Bau von rund 600 Wohnungen auf dem früheren Umschlagplatz für Schlachtvieh weichen. Umstritten bleibt außerdem, ob sie derzeit, räumlich getrennt vom nördlich gelegenen Schlachthof, überhaupt legal betrieben wird, da Fleisch- und Viehtransporter das Gelände eigentlich nicht ungereinigt verlassen dürfen.

Kritiker sehen in der Investition ein Hindernis für den Ausstieg aus dem Schlachtbetrieb

Technisch, städtebaulich und juristisch scheint der zweigeschossige, teils in den Untergrund versenkte geplante Neubau an der Zenettistraße also vernünftig, wenn nicht zwingend. Die Lokalpolitiker lehnen ihn dennoch ab, da die Erbpachtverträge mit den Betreiberfirmen, auf denen der Schlachtbetrieb beruht, selbst mit Verlängerungsoptionen im Jahr 2040 auslaufen.

Sowohl der BA als auch Anwohner Thomas Sporer, der mit großem nachbarschaftlichem Rückhalt in der Sache auftritt, bezweifeln die Rentabilität der Investition, zumal die neue Anlage nicht vor 2024 in Betrieb gehen wird und bei stark anziehenden Baupreisen noch einmal deutlich teurer werden könnte. Auch wenn die Anlage vom Zoll mitgenutzt wird, der beanstandete Lebensmitteltransporter hierher zur Reinigung schickt, wertet der BA das Projekt als verdeckte Investition und Hindernis für den Ausstieg aus dem Schlachtbetrieb.

Bestärkt sehen sich die Kritiker durch den sinkenden Fleischkonsum. Wie schwierig eine Auslagerung gerade in zunehmend fleischlosen Zeiten sein kann, zeigen Überlegungen, einen Standort in Aschheim zu eröffnen, denen die Gemeindebürger 2016 per Bürgerentscheid eine deutliche Absage erteilten. Sollte der Fleischabsatz weiter sinken, könnten stattdessen bestehende Anlagen in der Region ausgebaut werden, lautet eine Alternatividee aus dem BA.

Antworten zur Restlaufzeit des Schlachthofs in München überließen Stadtvertreter, die der BA eingeladen hatte, lieber den gewählten Politikern. Auskunft geben konnten sie aber zu einigen Geruchs- und Lärmquellen und zu möglicher Abhilfe: Als olfaktorische Zumutung entpuppt hatte sich eine "Flotationsanlage" zur Vorklärung der Abwasser, die beim Abbrühen geschlachteter Schweine anfallen. Sie war 2019 ohne Wissen der Behörden installiert- und zunächst unsachgemäß entlüftet worden.

Die Vielzahl der beteiligten Referate macht die Kontrolle nicht gerade leichter

Gestank verbreitet die nachgebesserte Anlage inzwischen wohl nicht mehr, versicherte Christian Heindl vom Umweltreferat. Die volle Klärleistung, etwa beim Kohlenwasserstoff Toluol, bringe sie aber auch nicht. Näheres, so Heindl, wüssten wiederum die Kollegen von der Stadtentwässerung. Nur ein Beispiel dafür, wie die Vielzahl der beteiligten Referate die Kontrolle erschwert, wie auch Boris Schwartz, Stadtdirektor im Referat für Klima- und Umweltschutz und früherer Werkleiter der Markthallen München, einräumte.

Bessere Luft im Bereich Thalkirchner/Kapuzinerstraße verspricht der höhere und modernere Ersatz für einen angerosteten Entlüftungskamin über der Schweineschlachtung, so Heindl. Er beteuerte, das RKU schaue den Betreibern scharf auf die Finger und habe erst kürzlich dreimal 500 Euro Bußgeld für das Nichtverschließen von Türen verhängt. Aber auch bei wiederholten Verstößen könne das Referat den Betrieb nicht schließen, solange das Verschulden nicht juristisch wasserdicht geklärt ist.

Besonders schwierig ist die Zuordnung offenbar bei LKW diverser Zulieferer, die, trotz mittlerweile ausgebauter Stromanschlüsse auf dem Gelände, ihre Dieselmotoren laufen lassen, um die Kühlaggregate zu betreiben - vor allem nach dem eigentlichen Be- und Entladen, wenn die Fahrer am Ort bleiben müssen, um ihre Ruhezeiten einzuhalten. Lärm- und Luftschadstoffbelastung lassen sich dabei wenigstens messen, während der Gestank weiterhin nicht in Grenzwerte zu fassen ist: Wie ein RKU-Mitarbeiter erklärte, kann die Belästigung weiterhin nur über die subjektive Einstufung von Geruchsproben eingestuft werden, nicht über automatische Sensoren, auch wenn der Begriff "olfaktometrische Messung" dies suggeriert.

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