Wem gehört der öffentliche Raum? Wie ein Handwagen zum Spiel mit der Polizei wurde

Lesezeit: 2 Min.

Holger Quick hat seinen bepflanzten Handwagen auf der Straße geparkt.
Holger Quick hat seinen bepflanzten Handwagen auf der Straße geparkt. (Foto: Catherina Hess)

Holger Quick war genervt von Autos, die an seinem Haus vor dem abgesenkten Bordstein parkten. Weil die Behörden nichts dagegen unternahmen, schritt er selbst zur Tat – mit Erde und Pflanzensamen.

Von Paula Meister

Im zubetonierten Münchner Bahnhofsviertel fällt ein grüner Fleck auf Rädern auf: Ein Handwagen, bepflanzt mit einem Apfelbaum, Tulpen und anderen Pflanzen. Seit zwei Jahren steht der Wagen in der Schillerstraße 31 vor einem abgesenkten Bordstein. Er soll das Bahnhofsviertel begrünen – und ist zugleich ein Spiel mit den Behörden.

Anwohner Holger Quick hat den Wagen vor rund zwei Jahren dort aufgestellt. Der 58-jährige Produktdesigner und Maschinenbau-Ingenieur ärgerte sich darüber, dass immer wieder Autos vor dem abgesenkten Bordstein vor seiner Hofeinfahrt parkten. „Abgesenkte Bordsteine haben eigentlich die Funktion, dass Anwohner die Straße erreichen können, zum Beispiel Rollstuhlfahrer oder Radfahrer“, sagt Quick. Mehrmals habe er sich an die Verkehrsüberwacher der Polizei gewandt. Diese hätten ihm gesagt, dass die parkenden Autos nicht geahndet würden. „Da habe ich mir gedacht: Wenn ich mit der Polizei nicht weiterkomme, mache ich ein Spiel daraus.“

Quick erfuhr von einer etwas verstaubten Regel in der Straßenverkehrsordnung: Sperrige Handwagen müssen die Straße benutzen und im öffentlichen Raum parken. Also lieh er sich so einen Wagen aus, füllte ihn mit Erde auf und bepflanzte ihn. Damit hat er schon Erfahrung, seit Jahren kümmert er sich als Grünpate um ein Beet an einem Straßenbaum direkt vor seinem Haus. Und jetzt steht da also der grüne Handwagen – geparkt vor dem abgesenkten Bordstein.

Holger Quick möchte Menschen mit seinen Ideen überraschen und zeigen, was möglich wäre.
Holger Quick möchte Menschen mit seinen Ideen überraschen und zeigen, was möglich wäre. (Foto: Catherina Hess)

Zur Frage, ob sein Handwagen auf der Straße stehen dürfe, teilte die Polizei mit, das müsse man im Einzelfall prüfen. Nicht alle Handwagen seien Fahrzeuge im Sinne des Gesetzes. Deswegen gelten unterschiedliche Vorschriften. „Ich habe den Wagen so platziert, dass eine Durchfahrt bleibt und so der Zugang zur Straße gesichert ist“, sagt Quick. Im Haus fahre nur ein Nachbar zweimal im Jahr mit dem Auto durch die Einfahrt, der wisse, wie man den Wagen umparkt. Vorher abgesprochen habe er sich mit dem Nachbarn aber nicht. „Früher stand da immer ein Auto, da hat sich auch niemand abgesprochen“, sagt Quick. „Eigentlich ist das Parken dort ja verboten. Aber es wird einfach nichts gemacht. Und wenn jetzt die Polizei kommt und sagt, der Handwagen muss da weg, dann müssen die mir auch erklären, warum Autos vor den abgesenkten Bordsteinen stehen dürfen“, sagt Quick.

Die Pressestelle der Polizei teilte dazu mit, dass sie Autos und andere Fahrzeuge vor abgesenkten Bordsteinen „unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles“ und „gegebenenfalls im Rahmen des Opportunitätsprinzips“ entferne. Ordnungswidrigkeiten können verfolgt werden, Behörden entscheiden aber nach Ermessen und sind dazu nicht verpflichtet.

Für Quick ist das Ganze auch ein Spiel mit der Polizei, die sich seiner Meinung nach zu wenig für die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer als Autofahrer einsetzt. Er ist Experte für nachhaltige Mobilität beim Verein Green City und beim Radentscheid München. „Mir geht es darum, die Stadt ein bisschen grüner, menschlicher und lebenswerter zu machen.“ Täglich kümmere er sich etwa eine Stunde um Beet und Wagen. Dabei achte er nicht nur darauf, dass seine Pflanzen gedeihen, sondern er räume auch täglich den Müll weg. „Besonders schön ist es natürlich, wenn der Apfelbaum blüht. Letztes Jahr hing sogar ein Apfel daran“, sagt Quick. Sehr gut gedeihen die roten und weißen Spornblumen und die Iris: „Die fühlen sich da wohl. Der Bollerwagen muss auch nicht gegossen werden, weil so viel Erde drin ist.“ 

Quick hätte noch viele weitere Ideen, wie man einen Handwagen für die Gestaltung des öffentlichen Raums nutzen könnte: „Ein Handwagen braucht zwei Räder, um ein Handwagen zu sein – mehr nicht. Man könnte auch Sitzgelegenheiten hineinstellen, einen Tauschschrank oder einen großen Blumentopf.“ Als Protest bezeichnet er seine Aktion aber nicht. „Ich glaube eher daran, mit positiven Beispielen zu überzeugen, nicht gegen etwas, sondern für etwas zu stehen“, sagt Quick. Er möchte die Menschen lieber mit seinen Ideen überraschen und zeigen, was möglich wäre.

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