Man bleibt stehen vor diesem großen Fenster. Und schaut. Das mag vielleicht auch an jener Fotografie liegen. Einer Fotografie mit einem kleinen, schwarzen Herz. Aufgesprüht auf eine Hauswand. Dorrit Wess hat in Venedig auf einer ihrer Reisen einen kleinen Hinterhof entdeckt. Und sofort einen Blickwinkel für sich ausgemacht: Den von außen nach innen, vom Dunklen ins Helle. Genau das, womit die Münchner Fotografin gerne spielt: mit Licht und Schatten. "Da springe ich an", sagt sie, "da habe ich Freude".
Sie hat sich Zeit gelassen mit dem Bild. Hat genau geschaut, wie sie Stimmungen vertiefen kann. Der Eingang im Dunklen fokussiert den Blick auf das apricotfarbene Haus, rechts neben dem Eingang jenes besagte Herz. Und auf den zweiten Blick geht es von diesem Durchgang noch einmal weiter in den nächsten Hof. Und dieser scheint noch heller. Irgendwie. Ein anderes Bild zeigt eine fast keltisch wirkende Skulptur. In Berlin Kreuzberg hat sich Dorrit Wess, wie sie erzählt, fast ihr "Kreuz verbogen", so sehr musste sie sich mit der Kamera nach hinten drücken. Wie ein Schmuckstück sieht dieses architektonische Objekt aus.
Dorrit Wess und Sven Eichhorn sind mit ihrer kleinen Ausstellung "Architektour II" in diesem kleinen Galerieraum am Café Ludwig im Petuelpark, der immer geöffnet ist, wenn alles andere geschlossen hat, schnell eingesprungen. Ein Künstler hatte abgesagt. Da haben sie und ihr Partner schnell in ihren Fundus geblickt und sich für Fotoarbeiten von ihren Reisen entschieden. Keine Bilder von Stränden im Gegenlicht, sondern abstrakte, architektonische Details. Sie präsentieren sie auf ungewöhnlichen Staffeleien, getragen von Bambusstangen. "Als wir sie aufgestellt haben, waren sie grün, jetzt sind sie schon braun", sagt Wess. Das Ungewöhnliche eint das Fototeam, sie wollen mit Verschiebungen der Perspektive den anderen Blick beim Betrachter schulen, ihn begeistern für das Detail, das in der Gesamtansicht ganz normal scheint, im Kleinen jedoch etwas ganz Eigenes zeigt. Gleicht etwa diese brüchige Fläche nicht einem Blick durch das Okular eines Mikroskops? Die Lösung bietet Sven Eichhorn im Bild darüber. Eine alte Halle, heruntergekommen, von den Wänden bröckelt der Putz und die Farbe. Dieses Detail hat er herausgezoomt. Ins Licht gestellt.
Zum vierten Mal stellt das Duo nun im Kunstschaufenster am Café Ludwig schon aus. Betrieben wird der winzige Raum seit einiger Zeit vom Künstlernetzwerk Milbertshofen. Der Blick ins Schaufenster ist ein anderer. Schwer ist es, einzelne Bilder herauszulösen, sich in ein Bild zu versenken. Sieht man doch immer das Ganze, das macht aber auch bewusst, dass alles auch zusammengehört. Egal, in welcher Stadt Formen und Linien zusammentreffen. Egal, welches Gebäude im Licht abstrakte Schatten wirft. Und egal, ob die Welt still steht. Diese Bilder können im Vorbeigehen, vor dem Not-Einkauf und - einsam - angeschaut werden.
Lanz 7
In der Laimer Galerie Lanz 7 sind die Ausstellungsräume leer geräumt. Vor Kurzem hat der 85-jährige Künstler Carl Nissen seine Bilder abgehängt, die Finissage seiner Schau wurde abgesagt. Die Galeristen Annemarie Renges und Johann Schredl haben deshalb alternativ ihr Schaufenster zum Kunstraum erhoben und die Galerie damit optisch in den Außenraum erweitert. Denn "Schaufenster sind zum Schauen da" - an diesen Satz einer befreundeten Künstlerin fühlte sich Renges dabei erinnert. Zu sehen sind dort nun drei Stelen aus dem Privatbesitz des Galeristenpaars, deren emporstrebende Geradlinigkeit den Blick einerseits zur Ruhe bringt. Andererseits wirken deren mit bunten Quadraten bestückten Frontseiten sehr anregend, sodass das Auge beschäftigt ist. Unk Kraus, der mittlerweile auch als Schmuckkünstler tätig ist, hat diese Objekte einst geschaffen, die gleichsam einen Bogen zwischen Plan und Zufall spannen. Bis auf weiteres kann man an der Lanzstraße 7 einen Blick durchs Schaufenster darauf werfen - in dem Wissen, etwas ist immer.
Sandkasten
Die Bilder der Münchner Fotografin Susanne Görtz sind derzeit im "Sandkasten" an der Sandstraße 33 zu sehen - Aufnahmen von mittlerweile aus der Zeit gefallenen Plakatwänden in den Münchner U-Bahnhöfen. Und da der kleine Raum grundsätzlich als Ausstellungsschaufenster konzipiert ist und für das Publikum nicht begehbar, bleibt die unter dem Titel "dis/play" laufende Schau auch weiterhin für die Blicke der Öffentlichkeit zugänglich.
Einst beherbergte das in einer Hofeinfahrt gelegene ehemalige Pförtnerhäuschen jene Menschen, die das Kommen und Gehen kontrollierten. Seit einigen Jahren gibt es dort der Ausstellungsraum "Sandkasten". Die Akteure des Schauens sind also nun andere. Ihr Blick richtet sich nicht mehr, wie jender der Pförtner, von innen nach außen sondern von außen nach innen.
Zu sehen ist das bis zum 12. April zu jeder Tageszeit. Denn bei Dunkelheit wird das Schaufenster automatisch beleuchtet.
Klohäuschen
Der Charme des "Klohäuschen" an der Thalkirchner Straße 81 lebt weniger vom Platz als von der Lebendigkeit des Raums. Der ist jedoch verschlossen, womit auch das Räumliche in den Hintergrund gerät. Was bleibt, ist der Blick von außen - auf das, was durch die Glastür direkt sichtbar ist. Dabei offenbart sich ein Turm aus Pflastersteinen, die zwischen horizontal verlaufenden rostigen Stahlträgern angeordnet sind. Solide und grazil zugleich kommt diese Skulptur mit dem Titel "Weltlinie" von Uwe Jonas daher, die links an den frontal sichtbaren Raumteiler aus Glasbausteinen anschließt. Pflastersteine haben es dem Bildhauer angetan. Immer wieder verwendet er diesen Baustoff, dessen Bedeutung sich im Zuge flächendeckender Asphaltierung vom funktionalen zum dekorativen Nutzen verschoben hat. Angesichts der Arbeiten von Uwe Jonas indes verflüchtigt sich jeglicher Gedanke an irgendwelchen Nutzen, vielmehr scheint sich das Material unter seinen Händen zur Kunst zu verselbständigen.
Manchen mag das Objekt aus dem Klohäuschen an die heruntergekommenen Hochhäuser in Brennpunktvierteln erinnern oder an jene Bauruinen, die nie fertiggestellt wurden. Der Bildausschnitt der Totale ist für diese jederzeit sichtbare Ausstellung der Spielraum der Betrachtung.
Projektraum Ligsalzstraße
Der Projektraum von Christine Rath an der Ligsalzstraße 34 ist für die Künstlerin Atelier, Ladenlokal und Ausstellungsraum zugleich. Durchs Schaufenster sieht man einen Raum, in dem definitiv auch gearbeitet wird - Tische, Stühle, Werkzeuge und Utensilien, die Christine Rath für die Herstellung ihrer Objekte, der Malerei und der Installationen benötigt. Gleichwohl hat die Künstlerin hier eine von außen gut sichtbare Schau mit Objekten und Installationen aus mit Acryl-, Sprühfarbe und Pigmenten gefärbtem Schaumstoff arrangiert. Mal scheinen diese Arbeiten abstrakten Bildern nachempfunden, dann wieder muten sie wie gestapelte Holzscheite an. In der Mitte des Raums hängt gar ein ganzes Bündel aus Schlaufen von der Decke. Der Eindruck der Weichheit des Materials indes täuscht. In Wahrheit weisen Raths Werke eine durch Einlassung der Oberfläche erzeugte Härte auf.
Bis auf Weiteres ist all dies von außen zu besichtigen. Um allerdings auch weiter in ihrem Projektraum arbeiten zu können, wird die Künstlerin die Anordnung der Kunstwerke von Zeit zu Zeit verändern.