Dieses Jahr ist auch in München kein besonders gutes für aufsehenerregende Karrieren in der Gastronomie. Einer hat aber gerade 2020 in der Stadt eine wirklich beeindruckende hingelegt: der Schanigarten. Jene Freischankflächen, die anstelle von parkenden Autos auf den Straßen entstanden sind, als Ausgleich für Sitzplätze und Tische, die wegen der Corona-Abstandsregeln weggefallen sind. Ganz gegen die übliche Praxis hat die Stadtverwaltung auf Anordnung der Rathauspolitiker schnell und unbürokratisch zusätzliche Flächen für Restaurants und Gaststätten genehmigt, fast 900 sind es inzwischen.
Der Münchner Architekt Alexander Fthenakis war von Anfang an fasziniert von diesen baulichen Erweiterungen und der Kreativität, die teilweise dabei zum Einsatz kam. "Mir war relativ schnell klar, dass man das festhalten muss", sagt er, und seinem Spezl Lukas Kubina wiederum war relativ schnell klar, dass daraus ein Buch werden könnte. Kubina hat vor zwei Jahren gemeinsam mit dem Grafiker Moritz Wiegand einen Kleinverlag gegründet, nachdem andere Verlage seinen Erstlingsroman "Cerebro frito" zwar veröffentlichen wollten, aber sich den Druck von ihm hätten bezahlen lassen. "Da dachte ich mir", sagt er, "sorry, aber dann gründe ich lieber gleich selbst einen Verlag."
Architektur ohne Architekten: Bilder von 114 Freischankflächen, die auf Parkplätzen entstanden sind, hat Alexander Fthenakis für sein Buch "Schanitown" vor allem in der Schwanthalerhöhe gesammelt,...
...in der Isarvorstadt,...
...Ludwigvorstadt,...
...im Glockenbachviertel...
...und in Haidhausen.
So entstand Sorry-Press, mit Sitz in der Amalienpassage, und das neueste Werk ist eben "Schanitown" (160 Seiten, 28 Euro). Fthenakis klapperte halb München ab, er fotografierte 114 Schanigärten, vor allem in Schwabing und der Maxvorstadt, dem Westend, Haidhausen und der Isarvorstadt. Nicht immer nur die schönsten, sondern auch mal weniger gelungene Exemplare.
Herausgekommen ist eine ausgesprochen hübsche Dokumentation dieser Architektur ohne Architekten, die im wesentlichen auf Improvisation beruht. Und auch wenn es zwangsläufig viel ums Trinken geht: Bierernst ist die ganze Sache nicht, im Gegenteil. Der Stadtplaner Jonas König steuerte mit "Schanitimes" einen Essay bei, der zwischen dem mittelalterlichen hortus conclusus, altpersischen Vorstellungen vom Paradies und der autogerechten Stadt fröhlich herummäandert. Und Fthenakis selbst behandelt in einer kurzen "Schanimorphologie" die verschiedenen Erscheinungsformen zwischen dem "Euroschani" in Palettenbauweise über den "Baumschani" mit Pflanzenabsperrungen bis hin zum "Straßen- oder Tiefbauschani" mit Abgrenzungen, die man sonst nur aus dem Straßenbau kennt.
Das Thema ist ausbaufähig, im Wortsinne. Gerade hat der Stadtrat den "Winterschani" beschlossen und die Genehmigung für die Schanigärten bis zum 31. März verlängert. Und die CSU im Rathaus beantragte jetzt, die zehn schönsten Schanigärten mit einem Preis auszuzeichnen.