Wenn die Isar Hochwasser hat, ist es hinterher sauber am Ufer. Müll, Zigarettenkippen, Kronkorken – fast alles weg. Gut, sagen Charlotte Lachmann und Svenja Freund, gut sei das aber überhaupt nicht, im Gegenteil. Aus den Augen, aus dem Sinn bedeute: dauerhaft in der Umwelt, im Wasser. Ein großes Problem.
„München wirkt sauber“, sagt Svenja Freund. Tatsächlich sei „München gar nicht so sauber“, das erkenne, wer genauer hinschaue. Lachmann und Freund arbeiten bei Rehab Republic, einem Umweltschutz-Verein, der sich vor allem des Mülls annimmt. „Mit Yeah statt Buh“, lautet das Rehab-Motto. Die Aktiven wollen nicht mit dem Zeigefinger agieren, sondern mit der Müllzange. Indem sie, auffällig in knallige Tutu gekleidet, Abfall auflesen, wollen sie andere Menschen zum Nachdenken bringen, gerade an der Isar. In Münchens Partyzone mit Wasseranschluss rücken immer wieder Rehab-Teams an und klauben Kippen und Kronkorken auf, deren gewaltige Menge die städtischen Reinigungsteams nicht bewältigen.
Rehab hat beim Zero-Waste-Konzept für die Stadt mitgearbeitet; dabei geht es um Müllvermeidung, beginnend zu Hause. Zudem kümmert sich der Verein im öffentlichen Raum um das, was die Stadt „Kehricht“ nennt: Abfall in den Mülleimern und weggeworfenes Zeug. Die Zahl der Verpackungen an Straßenrändern nehme stark zu, sagt Svenja Freund. Deshalb veranstalten sie immer wieder Clean-up- und Müll-frei-Aktionen, die nächste beginnt am Samstag im Gärtnerplatzviertel und dauert drei Wochen. Dabei wollen die Aktiven unter anderem Mehrweg in Gastronomie und Einzelhandel populärer machen. Die Ausstellung „Becherrausch“ soll zeigen, wie viele Einwegbecher an nur einem Sommerabend am Gärtnerplatz anfallen. Die Aktion ist eine der Top-40-Maßnahmen aus dem Zero-Waste-Konzept und verbindet den Gedanken der Müllvermeidung mit dem Ansinnen, die Straßen sauber zu halten.
Das Baureferat, zuständig für die Straßenreinigung, schätzt die Menge des auf Straßen und in Parks anfallenden Kehrichts auf 6000 Tonnen im Jahr. Gewogen wird dieser Abfall nicht, deshalb gibt es keine Verlaufsstatistik über die Jahre. Aber einen Eindruck habe man im Baureferat: Immer mehr werde weggeworfen. Nach großen Events wie den Konzerten im Olympiastadion wird der Müll im Park und auf dem Olympiaberg tags darauf von städtischen Mitarbeitern aufwendig eingesammelt.
Neben echtem Abfall bleibt auch Wertvolles liegen und stehen: Pfandflaschen, wohin man sieht. Egal ob nach Konzerten oder dem Christopher Street Day. Auf die Frage nach möglicher Pfandflaschen-Rettung bei solchen Groß-Events verweist das Baureferat auf die Flaschensammler. Also auf meist bedürftige Menschen, die sich ein Zubrot verdienen. Man habe jüngst auf dem Olympiaberg festgestellt, dass „ein überwiegender Teil“ der Flaschen von Sammlern aufgelesen worden sei. Wie viele trotzdem im Müll landen – niemand weiß es. Ein Konzept, wie man Mehrwegflaschen systematisch vor der Vernichtung bewahren kann, gibt es offenbar nicht. Der Verein Rehab wäre damit überfordert, sagen Freund und Lachmann und fragen, ob sich nicht die Brauereien ums systematische Retten ihres Leerguts kümmern könnten.
Von der Stadt wiederum wünschen sie sich recht banale Verbesserungen, unter anderem auffälligere Mülleimer. Die sind in München grau, und weil sie überwiegend auf grauem Pflaster oder grauem Asphalt stehen, alles andere als auffällig. Warum sie nicht bunt machen und mit einem flotten Spruch bekleben? Während ihrer Müllfrei-Aktion rund um den Gärtnerplatz will Rehab die Eimer verkleiden.
Zudem plädiert Rehab dafür, diese öffentlichen Mülleimer mit einem Aschenbecher auszustatten. Denn von den mehr als 7000 Mülleimern gibt es bislang laut Baureferat nur „fast 200 neue Kombimüllbehälter an stark frequentierten U-Bahn-Abgängen“. Mehr Ascher, sagen Freund und Lachmann, würde ihre Bemühungen für eine Art Kippenbewusstsein unterstützen: Weggeworfene Zigarettenreste belasten mit ihren Giftstoffen Umwelt und insbesondere das Wasser.
Die Rehab-Teams arbeiten an einem Bewusstseinswandel. Bislang sei es völlig normal, dass man Kippen auf die Straße schnippe. Das müsse sich ändern, und ein Schritt dorthin sollen Taschenaschenbecher sein. Die verteilen die Rehab-Leute, an der Isar und demnächst am Gärtnerplatz. Es sind kleine Döschen mit Schraubdeckel, sie erinnern an Bonbonbehälter, bloß dass in diese die Kippen rein sollen. Auf den Deckel haben sie Sprüche gedruckt, einer passt gut ins angesagte und teure Gärtnerplatzviertel: „Kannste in München auch noch als Wohnung vermieten.“