S-Bahn in München:Warum der 15-Minuten-Takt unbeliebt ist

Anzeigetafel der S-Bahn Stammstrecke in München

Der bayerische Verkehrsminister Hans Reichart (CSU) widerspricht der Kritik aus dem Rathaus und verteidigt den neuen Takt der S-Bahn.

(Foto: dpa)

Mit der Eröffnung des zweiten S-Bahn-Tunnels soll sich der Takt der S-Bahn ändern. Viele Politiker in der Stadt und im Umland sind damit nicht glücklich.

Von Dominik Hutter

07, 22, 37, 52. Oder 03, 18, 33, 48. Man muss schon ein gutes Gedächtnis haben oder zumindest ein wenig rechnen können, um sich die künftigen Abfahrtsminuten der Münchner S-Bahn einprägen zu können. In neun Jahren soll es so weit sein - dann wird der zweite S-Bahn-Tunnel eröffnet und das Gros der Linien auf einen ganztägigen 15-Minuten-Takt umgestellt. Dazu kommen noch Expresszüge im 30-Minuten-Takt. Ein Betriebskonzept, das auf Landesebene bereits abgesegnet ist, im Münchner Rathaus aber nur schwer Freunde findet.

Denn die ursprüngliche Idee der neuen Stammstrecke war es ja gewesen, auf allen Linien zumindest in den Hauptverkehrszeiten einen attraktiven Zehn-Minuten-Takt anzubieten. Was auch unbedingt so bleiben soll, findet der CSU-Fraktionschef und Bürgermeister Manuel Pretzl. Die SPD hat erst kürzlich offiziell einen Antrag eingereicht, Verhandlungen mit dem Freistaat über eine Rückkehr zu den einst angestrebten Zehn-Minuten-Abständen aufzunehmen.

"Man muss jetzt darüber reden, wie ein künftiger Betrieb aussehen soll", mahnt SPD-Fraktionsvize Christian Müller. Angesichts der heillosen Überlastung vieler Strecken biete nur der Zehn-Minuten-Takt ein attraktives Angebot. Was der Freistaat aktuell vor habe, mache angesichts der milliardenschweren Investition keinen Sinn. Das Expresssystem könne man sich ohnehin ganz schenken, findet Müller, der sich lebhaft vorstellen kann, in welcher Stimmung versehentlich in einen solchen Zug eingestiegene Fahrgäste geraten, wenn sie ohne Halt an der heimatlichen Ausstiegsstelle vorbeidüsen.

Ganz ähnlich sehen das die (teilweise sehr tunnelkritischen) Grünen, bei denen ohnehin schon seit vielen Jahren gilt: Wenn schon die kostspielige Röhre gebuddelt wird, sollte wenigstens auch ein komfortabler Zehn-Minuten-Takt herausspringen. Verkehrssprecher Paul Bickelbacher verweist darauf, dass die krummen Abfahrtszeiten eines 15-Minuten-Takts nur schwer zu merken sind und ohnehin auch Probleme in der Streckengeometrie verursachen könnten.

Auf einer eingleisigen Strecke beispielsweise begegnen sich im Zehn-Minuten-Takt fahrende Züge an anderer Stelle, als wenn sie alle 15 Minuten rollen. Das allerdings könnte Umbaumaßnahmen notwendig machen, die Verschiebung eines Ausweichgleises etwa. Und den Expressverkehr sollten doch bitte Regionalzüge übernehmen, die ja durchaus auch an wichtigen Orten des MVV-Gebiets halten können. Auch Bickelbacher will daher das Betriebskonzept des Freistaats noch einmal aufschnüren.

Neu ist die Debatte um den 15-Minuten-Takt nicht. Die Bewohner einiger Umlandgemeinden sind schon seit Jahren aufgeschreckt, weil sie mit Eröffnung der zweiten Stammstrecke den bisherigen Zehn-Minuten- verlieren und dafür einen 15-Minuten-Takt bekommen sollen. Dies betrifft nach Auskunft des bayerischen Verkehrsministers Hans Reichhart (CSU) allerdings nur zehn der derzeit 150 Stationen. Zudem bleibt auf den Strecken Richtung Petershausen und Holzkirchen der Zehn-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit bestehen (sonst alle 20 Minuten), die schwächer ausgelastete Linie S 7 rollt weiterhin komplett im 20-Minuten-Takt.

Auf den Linien nach Freising, Geltendorf, Tutzing und Erding, wo aktuell nur alle 20 Minuten ein Zug fährt, wachse das Zugangebot hingegen um fast ein Drittel, rechnet der Minister vor. Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass bei einem ganztägigen 15-Minuten-Takt deutlich mehr Leute auf den MVV umsteigen würden, als es im Moment beim 20-Minuten-Takt, der um Verstärkerzüge in der Hauptverkehrszeit ergänzt wird, der Fall ist.

Viele Bahnsteige sind zu kurz für 210-Meter-Züge

Die bei SPD und Grünen im Münchner Rathaus ungeliebten Expresslinien ins Umland soll es auf den Streckenästen nach Mammendorf, Herrsching, Ebersberg und auf der S-8-Strecke zum Flughafen geben. Einmal pro Stunde sollen zudem Regional-S-Bahnen durch die neue Stammstrecke nach Landshut und Augsburg fahren, halbstündlich über Geltendorf bis Buchloe. Ein bisschen Regionalverkehr soll es also schon geben in der neuen Röhre, die zwischen Pasing und Ostbahnhof nur zwei Stationen hat und daher recht zügig zu durchqueren ist.

Noch offen ist, welche Züge eigentlich das erweiterte Angebot leisten sollen. Die neuen Bahnsteige sind wie die des alten Tunnels jeweils 210 Meter lang, die Bahn hat dennoch kürzlich eine Kapazitätssteigerung um 25 Prozent gegenüber den bisherigen Plänen für die zweite Stammstrecke in Aussicht gestellt. Ein solches Plus an Passagier-Plätzen könnte durch einen Verzicht auf das bisherige Kuppel-Prinzip zustandekommen: zwei Kurzzüge mit jeweils vier Waggons machen einen Vollzug, drei Kurzzüge einen Langzug. Noch. Werden die Züge gleich, wie die neuen U-Bahnen, auf nicht mehr teilbare und auf kompletter Länge begehbare Langzüge ausgelegt, kann man sich mehrere Führerstände sparen, die sonst ungenutzt mitfahren und Platz beanspruchen.

Allerdings gilt es einige Probleme zu lösen. Viele Bahnsteige im S-Bahn-Netz, etwa entlang der S 2 Ost, sind zu kurz für 210-Meter-Züge. Und abstellen muss man die Fahrzeuge auch irgendwo. Dieses Problem kommt aber ohnehin auf die S-Bahn zu, das Werk in Steinhausen muss vergrößert werden. Dazu kommt, dass bei der aktuellen Debatte über die Erweiterung des MVV-Gebiets die Verlängerung der S-Bahn-Äste ein logischer Schritt wäre. Irgendwann aber wäre es dann sinnvoll, im Zug einen Service zu installieren, der viel Platz braucht, teuer ist - und den die Bahn lieber vermeiden würde: Toiletten.

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