Im Januar werden die Nerven der Pendlerinnen und Pendler in München und im Umland regelmäßig besonders strapaziert – sofern sie versuchen, mit der S-Bahn pünktlich zur Arbeit, in die Schule oder auch ins Museum zu gelangen. Im Januar 2024 lag die sogenannte Zugausfallquote im Betrieb der S-Bahn bei 23,6 Prozent – damit wurde nahezu jeder vierte Zug in den ersten vier Wochen des Jahres ersatzlos gestrichen. Und über das gesamte Kalenderjahr 2024 hinweg betrachtet erreichte die Quote ausgefallener Züge mit 9,7 Prozent einen neuen Höchstwert.
Die weiter schwindende Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im öffentlichen Personennahverkehr und insbesondere bei der Münchner S-Bahn sind seit Jahren Gegenstand öffentlicher Debatten – und hinterlassen mittlerweile auch bei der Politik ihre Spuren. Die neusten Daten der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) in Bezug auf die Stabilität des S-Bahn- und Regionalbahn-Netzes bezeichnet Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) als „ziemlich ernüchternd“. Vor allem die „massiven Infrastrukturdefizite“ bei der Schiene würden den „Negativtrend“ weiter befeuern, so der Minister. Bernreiter setzt aber auch darauf, dass mit dem von der neuen Bundesregierung beschlossenen Sondervermögen für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro der „Turnaround“ in Bayern gelingen kann.

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Die Züge der Münchner S-Bahn aber fallen nicht nur besonders oft aus, sondern haben im vergangenen Jahr auch ihren schlechtesten Wert bezogen auf die Pünktlichkeit erreicht. Als pünktlich werden in der Statistik der BEG ohnehin nur jene Züge gewertet, die weniger als sechs Minuten Verspätung aufweisen. Lediglich 87 Prozent aller S-Bahnen erreichten 2024 diesen Wert – im Jahr zuvor fuhren noch 90 Prozent aller Züge rechtzeitig an der Endhaltestelle ein.
Besonders anfällig im Münchner S-Bahn-Netz ist weiterhin die S6 auf dem Westast nach Tutzing, auf dieser Trasse kamen 2024 nur 81,5 Prozent aller Züge pünktlich an. Aber auch auf der S4 und S6 im Osten der Landeshauptstadt nach Ebersberg und Zorneding liegt die Pünktlichkeitsquote mit 83,2 Prozent deutlich unter dem Schnitt im gesamten Netz. Die Störanfälligkeit auf beiden Trassen ist primär auf die seit Jahrzehnten bestehende Eingleisigkeit zurückzuführen.
Der Bayerischen Eisenbahngesellschaft zufolge, die als ÖPNV-Aufgabenträger den Schienenpersonenverkehr in Bayern plant und kontrolliert, sind nahezu 60 Prozent aller Verspätungen im Münchner S-Bahn-Betrieb auf infrastrukturelle Störungen etwa bei der Sicherungstechnik, Weichen, Gleisen und Bahnübergängen zurückzuführen. Im Münchner Süden auf den Außenästen der S3 nach Holzkirchen und der S5 nach Kreuzstraße ist die Infrastruktur an zahlreichen Bahnübergängen derart veraltet, dass es immer wieder zu Sperrungen von Querungen kommen muss.
In der Gemeinde Sauerlach muss ein Bahnübergang seit mehr als zwei Jahren rund um die Uhr von Schrankenwärtern bewacht werden, weil die Sicherungstechnik nicht mehr funktioniert – und sich deren Erneuerung durch die Deutsche Bahn immer wieder verzögert. Seit April besteht aufgrund mehrerer defekter Bahnübergänge auf der S5 zwischen Aying und Kreuzstraße Schienenersatzverkehr und wird voraussichtlich noch mehrere Wochen andauern.
Im Regionalzugverkehr sieht es teilweise noch düsterer aus
Aber auch Haltezeitüberschreitungen an Bahnhöfen aufgrund überfüllter Züge können zu Verspätungen im S-Bahn-Netz führen, ebenso bewusst in Kauf genommene Verzögerungen, um auf Anschlussreisende zu warten. Hinzu kommen technische Probleme an den Fahrzeugen wie Antriebs- oder Türstörungen.
Für den Großteil der Zugausfälle bei der Münchner S-Bahn macht die Bayerische Eisenbahngesellschaft Bauarbeiten im Streckennetz verantwortlich, etwa 50 Prozent aller Betriebsausfälle seien auf laufende Baustellen zurückzuführen. Aber auch sogenannte externe Einflüsse wie Streiks bei der Lokführergewerkschaft GDL, fehlende Facharbeiter in den Werkstätten der S-Bahn sowie Ersatzteilmängel hätten einen Teil der zahlreichen Zugausfälle im vergangenen Jahr bedingt.
Insbesondere angesichts der seit Jahrzehnten bestehenden Mängel bei der Infrastruktur dämpft die BEG die Erwartungen hinsichtlich kurzfristiger Verbesserungen. Geschäftsführerin Bärbel Fuchs spricht mit Blick auf das Jahr 2024 vielmehr von der schlechtesten Bilanz seit 30 Jahren. „Wir müssen realistisch bleiben: Kurzfristig ist kein substanzieller Qualitätssprung zu erwarten“, sagt Fuchs. „Die marode Infrastruktur setzt die Rahmenbedingungen – unsere Gestaltungsmöglichkeiten sind hier begrenzt.“
Kaum ein Trost dürfte den Pendlerinnen und Pendlern sein, dass es im Regionalzugverkehr teilweise noch düsterer aussieht. Zwar gibt es Zuglinien, die Pünktlichkeitsquoten von nahezu 100 Prozent erreichen wie die Bayerische Zugspitzbahn. Dies liegt aber daran, dass diese auf ihrem eigenen Streckennetz unterwegs ist und nicht mit dem Güter- und Hochgeschwindigkeitsverkehr konkurrieren muss. Auf der Linie des Expressverkehrs Ostbayern, früher bekannt als „Alex“, von München nach Hof liegt die Pünktlichkeitsquote der Züge indes bei gerade einmal 62,4 Prozent. Auf der Linie nach Prag kommt nicht einmal jeder zweite Zug pünktlich an. Hauptgründe auch hier: die marode Infrastruktur und nur ein Gleis auf weiten Teilen der 150 Kilometer langen Strecke zwischen Schwandorf und Pilsen auf tschechischer Seite.