S-Bahn-Desaster in München:Große Sprüche, späte Taten

S-Bahn-Desaster in München: Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, und Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern.

Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, und Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Maximale Transparenz, bessere Planung: Was Markus Söder bei der zweiten Stammstrecke der S-Bahn jetzt durchsetzen will, hätte von Anfang geschehen müssen. Auch auf die Gefahr hin, dass das Milliardenprojekt scheitert.

Kommentar von Klaus Ott

Um flotte Sprüche ist Markus Söder nie verlegen. Das neueste Beispiel: ÖPNV statt Stau. Hört sich toll an, kurz und knackig, und reimt sich sogar. Dass die Linken in Regensburg, die Grüne Jugend in Baden-Württemberg sowie irgendein ziemlich linkes Kollektiv bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs auch schon mit diesen Worten propagiert haben und das einprägsame Motto also alles andere als neu ist: geschenkt. Macht sich doch gut, wenn Bayerns Ministerpräsident mit solch starken Formeln die zweite Stammstrecke der S-Bahn in München nach einem Krisengipfel energisch vorantreibt.

Damit auch alle wissen, wie wichtig das gefährdete Milliardenprojekt ist, hat Söder den zweiten S-Bahn-Tunnel in der Landeshauptstadt auch gleich zur "Hauptschlagader des ÖPNV in Bayern" erklärt. Franken lässt grüßen. Und dann gab sich der Regierungschef nach seiner Krisenrunde mit Stadt, Landkreisen und Bahn auch noch sehr staatsmännisch. Man müsse jetzt seriös, nachhaltig und besonnen agieren, ein "Schwarze-Peter-Spiel" sei keine Lösung. Das sagt ausgerechnet derjenige, dessen Regierung jahrelang ziemlich geschlafen hat, statt das auf den Weg zu bringen, was jetzt als Erfolg verkündet wird; natürlich von Söder persönlich.

Der vom Freistaat beauftragte Bauherr Deutsche Bahn soll alle drei Monate einen Report vorlegen, wo das Projekt gerade steht. Nach den neuen Hinweisen, dass die zweite Stammstrecke viel teurer werden und viel später kommen soll, als zuletzt geplant, setzt Söder auf "maximale Transparenz". Alle Fakten müssten auf den Tisch. Auch müsse "Schritt für Schritt eine Prozesssteuerung her", fordert der Ministerpräsident. Aber warum erst jetzt? Bei einem Projekt dieser Größenordnung muss das selbstverständlich sein, von Anfang an.

Dafür müssen auch alle sorgen, also neben Bahn, Freistaat und Bund auch Stadt und Landkreise, die den zweiten Tunnel bauen beziehungsweise haben wollen. Auch auf die Gefahr hin, dass rechtzeitig absehbare Kostensteigerungen um mehrere Milliarden Euro und frühzeitig erkennbare Verzögerungen um viele Jahre ein derartiges Projekt noch scheitern ließen. Eine seriöse Verkehrspolitik sieht anders aus. Söders Sprüche können nicht darüber hinweg täuschen, dass jetzt nichts anderes geschieht, als jahrzehntelang Versäumtes nachzuholen.

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