Reaktionen auf S-Bahn-Desaster in München:Opposition gibt Söder "letzte Chance"

Lesezeit: 2 Min.

Großbaustelle mitten in der Stadt: Hinter dem Münchner Rathaus wird für den zweiten S-Bahn-Tunnel gegraben. (Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

Die bayerische Landtagsopposition verlangt von der Staatsregierung, bei einer Sondersitzung am 10. Oktober alle Fakten zur zweiten Stammstrecke offenzulegen. Ansonsten rückt ein Untersuchungsausschuss näher.

Von Heiner Effern und Klaus Ott, München

"Absolute Sauerei", "Opfer dieses fragwürdigen Verhaltens sind die Fahrgäste", "Milliardengrab für ganz Bayern": Bayerns Ampel-Opposition aus Grünen, SPD und FDP geht die Staatsregierung wegen des Desasters bei der zweiten Stammstrecke der Münchner S-Bahn scharf an - und gibt Ministerpräsident Markus Söder und Verkehrsminister Christian Bernreiter (beide CSU) eine "letzte Chance", am 10. Oktober alle Fakten auf den Tisch zu legen. Dann befasst sich der von Sebastian Körber (FDP) geleitete Verkehrsausschuss des Landtags bei einer Sondersitzung des Parlaments mit dem Großprojekt, das immer länger dauert und immer teurer wird.

Ausschusschef Körber wirft Söders Regierung vor, "bewusst Fakten" unterschlagen zu haben. Der FDP-Abgeordnete verweist auf eine erst jetzt öffentliche bekannt gewordene Präsentation der Deutschen Bahn (DB) vom September 2020. Darin hatte die Bahn als Bauherr der zweiten Stammstrecke dem bayerischen Verkehrsministerium im Detail vorgerechnet, dass die ersten Züge voraussichtlich erst 2034 durch die neuen Tunnel rollen könnten. Sechs Jahre später als eigentlich geplant. Das 32-seitige Papier wurde aber unter Verschluss genommen. Die drei Millionen Menschen im Großraum München, die einen besseren Nahverkehr bekommen sollen, erfuhren damals nichts davon.

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Es sei eine "absolute Sauerei, wie die Staatsregierung hier mit ihrem Wissensvorsprung umgegangen ist, nichts unternommen und möglicherweise Milliarden Euro an Steuergeldern gefährdet hat", sagt FDP-Mann Körber. Der Grünen-Abgeordnete Markus Büchler, Verkehrsexperte seiner Fraktion, spricht von einem "Milliardengrab für ganz Bayern", da andere Schienenprojekt im Freistaat mangels Geld jetzt gefährdet seien. Und Florian von Brunn, Fraktions- und Landeschef der SPD, sieht die Fahrgäste als Opfer der Staatsregierung.

Leitet den Verkehrsausschuss des Landtags: Sebastian Körber (FDP). (Foto: Carmen Voxbrunner)
Ist mit seiner Partei für einen vorläufigen Baustopp: Markus Büchler von den Grünen. (Foto: Claus Schunk)

Brunn kündigt an, mit seiner Fraktion über einen Untersuchungsausschuss über das S-Bahn-Desaster zu sprechen. Die Grünen tendieren bereits zu einem U-Ausschuss, die FDP hält sich noch bedeckt. Ein U-Ausschuss ist das stärkste parlamentarische Kontrollinstrument. Die Regierung muss dann alle Akten vorlegen. Minister und andere Beteiligte bis hin zum Regierungschef müssen unter Wahrheitspflicht als Zeugen aussagen. Grüne, SPD und FDP können gemeinsam einen U-Ausschuss durchsetzen.

Gleichwohl gibt es auch große Meinungsunterschiede in der Opposition. Die Grünen sind für einen vorläufigen Baustopp. SPD-Fraktionschef Brunn hält es da eher mit Regierungschef Söder. "Ein Ende des Baus und Zuschütten der Baustelle würde Milliarden kosten", glaubt Brunn. So hat das fast wortgleich im Sommer auch Söder gesagt. "Die SPD steht klar zur zweiten Stammstrecke", verkündet Brunn. Das ist ganz im Sinne von Brunns Parteikollegen und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter.

In punkto Stammstrecke auf einer Linie: Florian von Brunn (links), Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (beide SPD). (Foto: Alessandra Schellnegger)

Reiter hält sich mit Kritik an der Staatsregierung zurück. Ohne Söders Unterstützung und Bayerns Geld wäre die zweite Stammstrecke hinfällig. Reiter sagt, er erwarte "im Interesse aller, die auf einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr dringend angewiesen" seien, eine bessere Information der Stadt durch Bahn und Freistaat - und er erwarte "Sofortmaßnahmen" von Bahn und Freistaat, um die Nahverkehrs-Kapazitäten in München bereits vor Fertigstellung der zweiten Stammstrecke zu erhöhen. Die zweite Stammstrecke sei dringend nötig. Reiter: "Deshalb macht ein Stopp oder eine Einstellung des Projekts überhaupt keinen Sinn."

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