Mehr Züge, weniger Autos: Der künftige S-Bahn-Nordring soll dazu beitragen, die Verkehrsprobleme im Norden Münchens zu verringern. Eigentlich sollten auf den bisher nur von Güterzügen genutzten Gleisen schon bald auch Personenzüge rollen, zunächst war von 2025 die Rede, später von 2026. Jetzt verschiebt sich der Termin offenbar um etwa zehn Jahre. Der Grund: Es fand sich niemand, der die Planung übernahm.
Vom Westen her sollen künftig Pendelzüge von Karlsfeld oder Moosach bis zum BMW-Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ), optional auch bis zum Euro-Industriepark fahren. Schon 2019 bestätigte eine Studie die Machbarkeit des S-Bahn-Verkehrs auf dem Nordring. Mit 3100 Fahrgästen rechnete man damals. Wenn künftig das FIZ erweitert wird und Tausende neue Arbeitsplätze hinzukommen, wären es noch deutlich mehr. Im Februar 2021 unterzeichneten der Freistaat und die DB eine Planungsvereinbarung. Und jetzt: Kommt längere Zeit nichts.
Der Münchner Stadtrat will die Verzögerung nicht hinnehmen. Nicht zuletzt, weil von 2028 an der Allacher Tunnel auf der A99 für Sanierungsarbeiten teilweise gesperrt werden soll und im Norden mit massivem Ausweichverkehr gerechnet werden muss. Die Fraktionen Grüne/Rosa Liste, CSU/FW, SPD/Volt und FDP/Bayernpartei haben deshalb gemeinsam beantragt, dass Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei Bahn und Freistaat auf einen verbindlichen Zeitplan samt Finanzierung und Personalbeschaffung dringt.
Auch Reiter zeigt sich verärgert: „Es ist mir vollkommen unverständlich, dass sich die Realisierung des S-Bahn-Nordrings um zehn Jahre verzögern soll“, sagt er. „Hört das denn nie auf mit den Hiobsbotschaften zum Thema S-Bahn?“ Die Verzögerung bei dieser Maßnahme sei „eine neue bittere Nachricht“ für die vielen Pendlerinnen und Pendler, die sich schon auf die bessere Anbindung Karlsfelds, des Standorts von BMW und des Neubaugebiets am Euro-Industriepark gefreut hätten, so Reiter.
„Es ist unverständlich, dass die Deutsche Bahn hier nicht schneller und entschlossener handelt“, teilt CSU-Stadtrat Hans Hammer mit. Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs spricht von einer „Unverschämtheit“. Von der massiven Verzögerung habe der Stadtrat nur durch Zufall erfahren, „ein absolutes No-Go“, so Fuchs. SPD-Verkehrsexperte Nikolaus Gradl spricht sich für ein Verkehrskonzept auf dem Nordring aus. Und Fritz Roth von der FDP erklärt, es sei „höchste Zeit“ für die nächsten Schritte zum Nordring.
Die Deutsche Bahn stellt die Sachlage etwas anders dar. Der Termin Mitte der 2020er-Jahre stamme nicht von der Bahntochter DB Infra GO. „Die DB ging immer von einer Inbetriebnahme Anfang der 2030er aus“, so ein Bahnsprecher. Von einer Verzögerung seitens der DB könne keine Rede sein. „Richtig ist, dass die Planung erst mit einer erheblichen Verzögerung begonnen werden konnte, da erst nach der dritten öffentlichen Ausschreibung ein Planungsbüro gefunden werden konnte“, so der Bahnsprecher. Schuld sei die aktuelle Auslastung auf dem Markt.
Nach Auskunft der DB haben die Planungen im März dieses Jahres begonnen. Sie sollen bis Mitte 2026 dauern. Im Vertrag mit dem Freistaat war der Abschluss der Planungsphase allerdings für Ende 2024 vorgesehen. Das bayerische Verkehrsministerium teilt auf Nachfrage mit, die DB sei hier „in der Pflicht“. Die Frage nach möglichen Konsequenzen beantwortet das Ministerium nicht.