Bindaas:Und plötzlich sitzt man in Delhi

Bindaas: Eine kulinarische Reise von Rajasthan im Norden Indiens bis nach Kerala im Süden bietet das Bindaas.

Eine kulinarische Reise von Rajasthan im Norden Indiens bis nach Kerala im Süden bietet das Bindaas.

(Foto: Robert Haas)

Das Bindaas in der Rumfordstraße verspricht "Indian Street Food". Alles läuft hier wie eine geölte Maschinerie. Ein klarer Fall von Konzeptgastronomie - aber die gelungene Version davon, mit fairen Preisen.

Von Kurt Kuma

Räucherstäbchen, Bollywood-Musik und Ganesha-Bilder? Nichts davon. Das neue Lokal an der Rumfordstraße tritt nicht auf wie ein klassischer "Inder", und dennoch wirkt das moderne Ambiente mit Holzpaneelen und freundlichen Farben einladend. Wie ein Museumsstück verweist eine bunte Fahrradrikscha im Eingangsbereich auf die kulinarische DNA des Hauses: das vielseitige Riesenreich zwischen Rajasthan und Kerala.

Modern ist auch die Logistik: Tische werden für 90 Minuten vergeben, Plätze zugewiesen. Verschiedene Kellner haben verschiedene Aufgaben, einer bringt Getränke, einer das Essen, ein anderer die Rechnung. Alles läuft wie eine geölte Maschinerie. Ein klarer Fall von Konzeptgastronomie, aber die gelungene Version davon, zu absolut fairen Preisen. Vorspeisen kosten zwischen fünf und zehn Euro, die Hauptgerichte um die 13 Euro.

"Indian Street Food" verspricht das Schild über dem Eingang. Die große Frage ist also: Serviert das neue Lokal an der Rumfordstraße tatsächlich Speisen, wie sie in Indien zubereitet werden, oder verwestlichte Versionen davon? Die Antwort fällt aus unserer Sicht eindeutig aus: beides. Man kann die Geschmackswelten indischer Garküchen erspüren, die zauberhaften Noten eines Linsencurrys zum Beispiel. Und für weniger experimentierfreudige Gaumen gibt es reichhaltige Angebote, bei denen das Indische eher eine Note ist als die Essenz.

Bindaas: Die Fahrradrikscha wirkt wie ein Museumsstück im modernen Ambiente.

Die Fahrradrikscha wirkt wie ein Museumsstück im modernen Ambiente.

(Foto: Robert Haas)

Erfreulich wirkten schon mal drei Dip-Schälchen, in die man knusprige Papadam-Stücke tunkt. In vielen indischen Restaurants sind das bunte Industriesößchen, im Bindaas ist es ein kleines Geschmacksvarieté, einmal Tamarinde, einmal Kokos, einmal Kräuter, alles frisch. Spaß machte uns auch eine eher wenig indische, aber angenehm knusprige Vorspeise namens Palak Chaat, frittierter Babyspinat mit Joghurtdip als Gaumenkitzel. Eine Ladung frittierter Okraschoten landete weiter hinten auf unserer Favoritenliste, zu viel Panade, zu wenig Okra.

Unter den Hauptgerichten fanden wir generell die vegetarischen Varianten authentischer, komplexer und tiefgründiger als die fleischhaltigen Speisen - und das beileibe nicht, weil Veggie zurzeit im Trend ist. Zur Kategorie Indien light gehört zum Beispiel der Klassiker Tandoori Chicken, ein üppiger, appetitlich angerichteter Teller mit gegrillten marinierten Hühnerschenkeln, Reis, einem Schälchen Currydip und einem Häuflein gedünsteten Zucchinistücken. Letztere passten unserer Ansicht nach eher zu scaloppine beim Italiener. Das Hühnchengericht Kadai Chicken, auf der Karte mit viel Prosa angekündigt, empfanden wir als nur durchschnittliches Curry, das mehr Paprikastücke als exotische Aromen enthielt. Spannender war Chicken Tikka, das mit einer gewissen Schärfe auftrumpfte.

Bindaas: Es muss nicht immer traditionell sein. Hier serviert man auch zahlreiche Softdrinks und Cocktails - ob mit oder ohne Alkohol.

Es muss nicht immer traditionell sein. Hier serviert man auch zahlreiche Softdrinks und Cocktails - ob mit oder ohne Alkohol.

(Foto: Robert Haas)

Das Tor zum Himmelreich indischer Aromen öffnete unter den Fleischgerichten vor allem das Lamm Dewani, ein sämiges, dunkles, aber nicht erdiges Curry, das dank Ingwer und Limetten die erfrischenden Noten Südindiens spüren ließ. Die hohe Kunst des Currys zeigte auch Bharta, ein Auberginenbrei, rauchig, leicht süßlich, komplex, nachhallend. Und das optisch unscheinbare, aber geschmacklich voluminöse Black Daal, Linsen, die weit übertrafen, was in westlichen Gefilden mitunter als Daal verkauft wird. Ein echter Klassiker, im Bindaas zur Meisterschaft gebracht. Wer das Authentische (hierfür ließen wir uns von Testessern mit landeskundlicher Expertise begleiten) auf die Spitze treiben möchte, bestellt zum Daal statt dem Standardreis das knusprige Fladenbrot Roti oder auch ein Chole Puri, eine fluffig frittierte Teigware. Letzteres hat den Vorteil, dass es eines der (zu wenigen) Gerichte im Bindaas ist, das mit sauer eingelegten Pickles kommt. Daal auf eine Brotecke schaufeln, Pickles drauf, alles zugleich in den Mund geschoben, Augen zu - man sitzt plötzlich in Delhi.

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fastfood-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können. SZ

Der Rat also: einfach mal Ungewohntes bestellen, statt der im Westen so beliebten Butter-Chicken-Lamm-Tandoori-Grill-Varianten. Als Getränk passt natürlich Würztee, ein echter Chay, der im Bindaas unserem Eindruck nach mit echten Gewürzen statt konfektionierten Beutelchen gemacht wird. Allerdings ist das Bindaas auch eine Münchner Kneipe, und Bier passt wunderbar zu Kardamom und Ingwer. An Weinen gibt es den in der Münchner Systemgastronomie allgegenwärtigen Lugana (bei dem man sich inzwischen fragt, ob er eigentlich mit Flüssiggastankern ins Land kommt), aber auch, das sei als Tipp verstanden, einen Hauswein aus der Pfalz für 5,50 Euro, der völlig in Ordnung ist, in weiß und in rot.

Was die Nachspeisen betrifft, nun ja, das ist der Augenblick, in dem westliche Geschmackssensoren dann doch eine Bayerische Creme der gefrorenen Kardamom-Eismilch namens Kulfi vorziehen würden. Aber, hey, es ist ein authentischer Abschluss.

Bindaas, Rumfordstraße 5, 80469 München, Telefon: 089/82030032 Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 11.30 bis 14.30 Uhr und 17.30 bis 23 Uhr, Samstag und an Feiertagen: 12 bis 23 Uhr, Sonntag: 17.30 bis 23 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Guide Michelin
:21 Sterne für München

Die Stadt verliert im neuen Guide Michelin ihr einziges Drei-Sterne-Restaurant, bekommt aber fünfmal zwei Sterne und elfmal einen Stern. Große Überraschungen bleiben aus.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: