Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Bühne? Frei!:Endlich wieder einer von vielen

Kultur-Lockdown, Tag 122: Der Musiker und Schauspieler liebt es live

Gastbeitrag von Roland Hefter

Kunst und Kultur sind auch oder gerade während des Lockdowns extrem wichtig. Ohne Musik, Filme und Bücher wäre die Chance, einigermaßen glimpflich durch die Krise zu kommen, noch geringer. Jedoch können diese Formen der Kunst nicht das Konzert-Erlebnis ersetzen. Unabhängig davon, dass der Kunstgenuss dort viel intensiver ist, treffen sich dort Menschen mit gleichen Interessen und erleben eine Gemeinschaft, die ihnen während des Lockdowns verwehrt ist. Das heißt, bei einer Veranstaltung geht es nicht nur um den Kunstkonsum, sondern um das große Miteinander.

Live-Veranstaltungen mit Publikum sind das beste Mittel gegen Einsamkeit und soziale Kälte. In meinen Konzerten erlebe ich oft, wie eine große Menschenmenge miteinander singt und lacht. Das Glück der Menschen vervielfacht sich durch die Anzahl der Zuhörer. Kein Mensch lacht und singt mit, wenn er alleine zu Hause vor einem Streaming-Konzert sitzt.

Als ich noch live spielen durfte, bekam ich oft E-Mails von Zuhörern, dass sie schon lange nicht mehr so gelacht hätten. Ein Konzert von mir würde eine Sitzung beim Therapeuten ersetzen (auch bei mir). Solche Feedbacks sind für mich das größte Kompliment, und auch ich zehre von der positiven Energie eines Auftritts, die nur im Zusammenspiel mit dem Publikum entsteht. Unterschiedliche Altersgruppen, unterschiedliche soziale Schichten treffen sich mit einem gemeinsamen Nenner in einem gemeinsamen Interesse. Das sind Erfahrungen, die für eine friedliche und lebensfrohe Gesellschaft enorm wichtig sind.

Meine Lieder und Geschichten sind ja alle im bayerischen Dialekt. Eine Form der Kultur, die viel zu wenig gelebt wird. In München hat jeder eine Lederhose und ein Dirndl im Schrank hängen, doch kaum jemand spricht unseren Dialekt. Man wird als gebürtiger Münchner, der seine Sprache spricht, oft nicht verstanden. Generell ist Dialekt und Sprache einer der elementarsten Grundlagen jeder Kultur. Nur diese Liebe zur Heimat ermöglicht es uns, andere Kulturen, Sprachen und auch Religionen zu schätzen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst - auch im kulturellen Kontext.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die bayerische Kultur mit einem weltoffenen Blick auf andere mehr zur Völkerverständigung beiträgt als manch politische Rede, in der jedes zweite Substantiv gegendert wird. Ich bin glücklich und dankbar, mit meinen Liedern einen Teil dazu beitragen zu dürfen. Und am glücklichsten, wenn es wieder live möglich ist.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2021
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