Süddeutsche Zeitung

Immobilien in München:Nur 87 statt 100 Millionen Euro

Der Stadtrat reduziert sein Angebot für das Rischart-Grundstück. Insgesamt beschließt die Vollversammlung vier Ankäufe für 143 Millionen Euro - darunter auch ein ehemaliges Wohnheim an der Arcisstraße.

Von Sebastian Krass

Vier Grundstückskäufe standen am Mittwoch zur Entscheidung an - in allen vier Fällen hat die Vollversammlung des Stadtrats den Ankauf beschlossen. Darunter ist auch das bisherige Firmen-Grundstück der Bäckerei Rischart an der Buttermelcherstraße 16 nahe dem Gärtnerplatz. Hier allerdings hat die grün-rote Koalition mit einem Änderungsantrag den gebotenen Kaufpreis auf 87 Millionen Euro reduziert, was dem vom Bewertungsamt ermittelten Marktwert (offizieller Begriff: Verkehrswert) des Grundstücks entspricht. Der entsprechende Antrag liegt der SZ ebenso vor wie weitere nicht-öffentliche Unterlagen zu den Ankäufen, aus denen die jeweiligen Summen hervorgehen.

Insgesamt würde die Stadt für die vier Deals 143 Millionen Euro ausgeben und sich damit 217 schon bestehende oder noch zu bauende Wohnungen sichern. Allerdings ist bei drei Ankäufen noch offen, ob sie so über die Bühne gehen.

Zum Rischart-Grundstück hatte das Kommunalreferat ursprünglich mit Mitgliedern der grün-roten Koalition am Rande eines Feriensenats im Sommer vereinbart, der Familie Rischart 100 Millionen Euro (15 Prozent über Marktwert) zu bieten, um das Grundstück mit einem Baurecht für etwa 100 Wohnungen auf jeden Fall in städtische Hände zu bekommen. Ein entsprechendes Angebot gab das Kommunalreferat auch ab. Rischart soll auch von Privaten Offerten in dieser Größenordnung erhalten haben. In der Koalition war man am Mittwoch bemüht, den Eindruck eines Sinneswandels zu zerstreuen. Das 100-Millionen-Angebot sei zwar mit fachpolitisch Zuständigen vereinbart worden, habe aber nicht der Fraktionsmeinung entsprochen. Diese sei in den 87 Millionen Euro abgebildet.

Wie Rischart auf das verminderte Angebot reagieren wird, ist offen

Wie Rischart auf das reduzierte Angebot der Stadt reagiert, ist offen. Ein Unternehmenssprecher erklärte am Mittwochnachmittag, es liege "noch kein neues schriftliches Angebot seitens der Stadt vor". Zu laufenden Verhandlungen wolle man sich "nicht öffentlich äußern".

Der Vorgang ist für Rischart heikel. Denn das Unternehmen baut eine neue Zentrale mit Großbäckerei und 100 Werkswohnungen auf der Theresienhöhe auf einem Grundstück, das die Stadt vor etwa fünf Jahren im Rahmen der Gewerbeförderung zu einem moderaten Preis von 11,5 Millionen Euro an Rischart verkauft hat. "Wenn man mit der Stadt partnerschaftlich zusammenarbeiten will, würde es Rischart gut tun, das Grundstück an der Buttermelcherstraße zum Verkehrswert zu verkaufen", sagte ein Mitglied der grün-roten Koalition nach der Stadtratssitzung. "Damit könnten beide Seiten gut leben."

Sollte Rischart aber an Private verkaufen, ist der Bau einer Luxus-Wohnanlage zu erwarten. Die dadurch neu ins Gärtnerplatzviertel ziehende Klientel könnte die Sozialstruktur so weit verändern, dass es keine Grundlage für die derzeit geltende Erhaltungssatzung mehr gäbe - und somit für die Stadt keine Möglichkeit mehr, die Gentrifizierung zumindest zu bremsen. Allerdings könnte der Neubau einer städtischen Wohnanlage auf dem Grundstück nach groben Schätzungen knapp 80 Millionen Euro kosten, die bezahlbaren Wohnungen wären also sehr teuer erkauft. Die Gesamtkosten lägen eigentlich "oberhalb der Schmerzgrenze", heißt es aus der Koalition, aber die Rettung der Erhaltungssatzung sei es wert.

Weniger problematisch ist der Kauf eines zweiten Grundstücks: Der Kommunalausschuss hatte bereits beschlossen, eine leer stehende und abrissreife Wohnanlage an der Nimmerfallstraße 60 bis 76 in Pasing von der Dawonia zum Marktwert-Preis von 30,6 Millionen Euro zu kaufen. In der Vollversammlung wurde bekannt, dass der Deal sogar etwas günstiger, nämlich für 30 Millionen Euro, über die Bühne geht. Die Anlage stammt aus dem Bestand der GBW, die 2013 von der Bayerischen Landesbank, also der öffentlichen Hand, privatisiert wurde. Nun kehrt das Grundstück für viel Geld in eine gemeinwohlorientierte Nutzung zurück. Etwa 76 Wohnungen können dort neu entstehen.

Der dritte und vierte Ankauf basieren auf Vorkaufsrechten, die die Stadt in Erhaltungssatzungs-Gebieten bei weitgehend leer stehenden Immobilien hat. An der Arcisstraße 63 in Schwabing geht es um ein ehemaliges Wohnheim für Menschen mit psychischen Erkrankungen, das wegen Mieterhöhungen durch einen neuen Hauseigentümer aufgelöst werden musste. Nun will der Investor namens STV Asset GmbH das Haus mit 24 Wohnungen für 23,8 Millionen Euro, 20 Prozent über Marktwert, an einen anderen Investor verkaufen.

Die Stadt hat aber bei spekulativ überhöhten Preisen die Möglichkeit, mit ihrem Vorkaufsrecht den Preis auf den Marktwert zu begrenzen. In diesem Fall hat der Stadtrat den Ankauf für 19,9 Millionen Euro beschlossen. Der Verkäufer kann allerdings dagegen klagen oder vom Geschäft zurücktreten. Der Geschäftsführer der STV Asset GmbH sagte am Mittwoch, er habe noch keine offiziellen Informationen bekommen und könne deshalb noch nicht sagen, wie es weitergeht.

Zu diesem Fall gab es im Stadtrat eine politische Debatte. Denn die Fraktion Die Linke/Die Partei forderte, den Ankauf mit einer Rückkehr des Wohnheims zu verknüpfen. Dem allerdings folgte die grün-rote Koalition nicht. Welche bedürftigen Menschen künftig dort wohnen können, sei nicht Entscheidung des Stadtrats.

Beim vierten Ankauf handelt es sich um das Anwesen an der Unteren Grasstraße 11 in Obergiesing, eines maroden Hauses mit 17 Wohnungen. Hier hat der Stadtrat den Kaufpreis auf den Verkehrswert von 5,9 Millionen Euro (statt 6,9 Millionen Euro im privaten Kaufvertrag) limitiert - auch da ist noch offen, ob der Verkäufer das hinnimmt.

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