Süddeutsche Zeitung

Statisten:"Am schwersten zu spielen sind die Schwerverletzten"

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Um ein Unfallopfer darzustellen, braucht es mehr als Schminke und Schauspieltalent: Alexander Schmaus ist seit sieben Jahren als Mime aktiv, wenn eine Notfallübung für Einsatzkräfte ansteht.

Interview von Andreas Sommer, Garching

Alexander Schmaus ist in den vergangenen sieben Jahren schon in nahezu 100 Unfällen verletzt worden. Manchmal nur leicht, an anderen Tagen zog er sich gleich mehrere gravierende Verletzungen zu. Ein Pechvogel sondergleichen, könnte man meinen. Allerdings waren die Verletzungen nicht echt, die Wunden geschminkt, der Schock gespielt. Schmaus ist Verletztendarsteller bei den Maltesern. Die Mimen werden bei Übungen für Rettungskräfte eingesetzt, um realitätsnahe Bedingungen zu schaffen. Für die große Katastrophenübung "DarkEx 2019" am vergangenen Sonntag organisierte Schmaus, 25, die realistische Unfalldarstellung mit.

SZ: In Ihren sieben Jahren haben sie vermutlich schon manche Verletzung erlebt.

Alexander Schmaus: Ja, man fängt immer klein an und arbeitet sich dann hinein. Von der normalen Kopfplatzwunde bis hin zum Schwerstverletzten mit gebrochenem Arm und Trauma im Brustkorb. Auch mal ein Abdominaltrauma, also Verletzungen im Bauchraum oder spritzenden Blutungen. Es ist da alles mit dabei, die komplette Bandbreite.

Waren Sie schon mal tot?

Nein. Für bereits Verstorbene verwendet man im Normalfall Puppen. Für den Mimen wäre das nicht so interessant.

Warum?

Der müsste ja nur den ganzen Tag herumliegen und wird kaum beachtet.

Was ist besonders schwer zu spielen?

Am schwersten zu spielen sind die Schwerverletzten, die nicht bewusstlos sind. Man wird vom Rettungsdienst behandelt wie in der Realität, um hier auch den Übungseffekt zu erzielen. Man muss immer schauen, welche Maßnahmen die Helfer anwenden, um realistisch darauf zu reagieren. Dabei passiert aber viel parallel, weil meist zwei Leute an einem arbeiten. Man muss den Verlauf gut darstellen.

Inwiefern?

Je nachdem, welche Maßnahme getroffen wird, ändert sich ja auch etwas das Bild. Schmerzen werden beispielsweise gelindert, wenn Schmerzmittel gegeben werden. Aber manchmal sind auch leichte Verletzungen eine Herausforderung. Dann muss man auch noch eine psychische Komponente einbringen. Verwirrt sein oder ähnliches. Bei einem Schock sind manche komplett zurückgezogen. Andere aufgeregt und überfordert. Das hängt wieder davon ab, was der Veranstalter möchte. Aber tendenziell tritt das Hysterisch-Überdrehte nicht so häufig auf, eher das Zurückgezogene.

Wie fühlt man sich als Verletztendarsteller während der Übung?

Man ist immer voll in seiner Rolle und ist konzentriert, um eine möglichst gute Darstellung abzugeben. Aber man braucht auch immer Vertrauen in die Einsatzkräfte. Meist sieht man sie zum ersten Mal und ist dann doch immer wieder auf Tuchfühlung und wird angefasst. Aber sie sind alle auf einer hohen Professionalitätsebene, hochausgebildet und sie wissen, was sie tun. Dementsprechend fühlt man sich immer gut aufgehoben. Gerade bei einem Wetter wie am Wochenende schauen die Helfer auch immer auf die Mimen, behandeln sie, fragen aber auch: "Hey passt bei dir noch alles, oder ist dir nicht zu kalt?" Sie trennen Spiel und Wirklichkeit, damit auch der Mensch hinter der Rolle nicht vergessen wird. Und bei großen Übungen gibt es auch immer Leute, die nur für die Mimen da sind und aufpassen, dass ihnen nichts passiert. Die beobachten das von außen und sagen dann auch mal: "Halt stopp, hier nicht weiter!"

Wie wird man denn so ein Mime für eine Katastrophenübung?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei den Maltesern brauchen die Mimen mindestens einen Erste-Hilfe-Kurs, um so auch die andere Seite zu kennen. Viele Darsteller kommen bereits aus dem Bereich Sanitätsdienst und haben entsprechend höhere Ausbildungen. Wir haben die gesamte Bandbreite: Vom Ersthelfer bis zum ausgebildeten Arzt ist alles vertreten. Man wird oft in Gruppen ausgebildet, wir bieten aber auch individuelle Fortbildungen an.

Fortbildungen?

Wir hatten zuletzt einen Stuntworkshop mit Stuntleuten aus der Filmproduktion, um auch in solchen Bereichen gezielt weiterzubilden. Von 16 bis über 70 Jahre sind alle dabei. Gerade weil man bei Übungen immer das komplette Altersspektrum abdecken möchte. Wenn man einen Herzinfarkt spielt, nimmt man tendenziell ältere Leute, weil da in der Realität auch einfach die Wahrscheinlichkeit höher ist.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2019
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