Restaurant OrtaHappy Häppchen-Happening

Lesezeit: 4 Min.

Ein Meer aus Mezze: Besonders beeindruckend ist die Aromen-Kombination beim gegrillten Schafskäse, der mit schwarzem Kümmel, Kräutern, Zimt, karamellisierten Zwiebeln und Birnen-Chutney veredelt wird (Mitte).
Ein Meer aus Mezze: Besonders beeindruckend ist die Aromen-Kombination beim gegrillten Schafskäse, der mit schwarzem Kümmel, Kräutern, Zimt, karamellisierten Zwiebeln und Birnen-Chutney veredelt wird (Mitte). (Foto: Stephan Rumpf)

Das Orta hat sich auf Mezze spezialisiert – wie viele andere Lokale auch. Was das neue Restaurant in Schwabing besonders macht, ist der Twist bei den internationalen Speisen.

Von Gene Tonic

Die Wahrheit liegt in der Mitte. In diesem Fall in der Mitte des Tisches. Hier stoßen weiße Tellerchen aneinander, die kleinen Köstlichkeiten hübsch darauf arrangiert. Gegrillter Schafskäse mit karamellisierten Zwiebeln zum Beispiel, in Butter geschwenkte Datteln mit Avocado-Dip, Babaganoush oder Trüffel-Hummus. Ein Meer aus Mezze vom Mittelmeer. Mitten in Schwabing.

Orta, türkisch für „Mitte“, heißt das neue Restaurant in der Bismarckstraße 21, vis-à-vis dem Oskar-von-Miller-Gymnasium. Nachdem das Oskar von Marko Huth Ende 2024 schließen musste, empfangen hier die erfahrenen Münchner Gastronomen Ulaş Tutu (Keko, Levante), Ersan Altin (Keko) und Eren Dogan (Café MaBe) ihre Gäste.

Und weil Mezze im Mittelpunkt ihres Schaffens stehen, sind in aller Regel die meisten Tische mit Tellern dermaßen übersät, dass kaum Platz bleibt für Fladenbrot, Gläser und Besteck. Eines wünscht Gene Tonic den Betreibern allemal: eine große leistungsstarke Spülmaschine ohne Funktionsstörung. Aber das nur nebenbei.

Bei unserem ersten Besuch lassen wir uns vollständig ein auf die Vorspeisen-Vielfalt – und sind weitgehend begeistert von Frische, Qualität und Kreativität. Das Babaganoush (Auberginen-Sesam-Püree) hat starke Röstaromen, der Granatapfelsirup bringt etwas Süße. Sehr beeindruckend ist die Aromen-Kombination beim gegrillten Schafskäse, der mit schwarzem Kümmel, Kräutern, Zimt, karamellisierten Zwiebeln und Birnen-Chutney veredelt wird und einfach nur himmlisch schmeckt. Auch Tabouleh (Petersiliensalat) und Gemüse im Blätterteil kommen gut ausbalanciert und fein zubereitet auf den Tisch. Lediglich die pikant gewürzte Fleischfüllung im eierförmigen Bulgurkloß (Kibbeh) ist an diesem Abend lauwarm. Ein kleiner Dämpfer.

Insgesamt mehr als 20 kalte und warme Mezze stehen im Orta zur Auswahl, das günstigste Tellerchen gibt es für sechs Euro (fermentiertes Gemüse), das teuerste kostet 15 Euro (Garnelen in Knoblauchöl). Je nach Hunger und Budget kann nach Belieben kombiniert werden.

Das Sharing-Prinzip ist ja längst mehr als ein Gastro-Trend. Speisen zum Teilen fördern das Miteinander und beleben jede Gesellschaft – ausgenommen sind Centfuchser, die sich bei der Tischrechnung in die Haare kriegen. Teilen macht Spaß, Vielfalt probieren ebenso. Kein Wunder, dass happy Häppchen-Happenings an zahlreichen Orten in München zelebriert werden.

Allzeit verschmitzt und immer für eine Überraschung gut: der erfahrene Münchner Gastronom Ulaş Tutu.
Allzeit verschmitzt und immer für eine Überraschung gut: der erfahrene Münchner Gastronom Ulaş Tutu. (Foto: Stephan Rumpf)

Alleinstellungsmerkmal im Orta ist Ulaş Tutu. Der allzeit verschmitzt lächelnde Wirt begrüßt jeden Gast persönlich und setzt sich mit Block und Stift an den Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Er erzählt gern von den dezenten Umbaumaßnahmen (andere Farben) und von neuen Kreationen. Es empfiehlt sich also immer, nachzufragen, was nicht auf der Karte steht. Meist hat Tutu Überraschungen zu bieten.

Sein neuer Ort des Teilens ist elegant und gemütlich zugleich, die Hintergrundmusik dezent. Wenn es voll wird, was bei unseren Besuchen stets der Fall war, kann es etwas lauter werden. Vorn, im Barbereich, erinnern die freigelegten Wände aus rotem Ziegel an die alten Zeiten des Gebäudes. Deren Historie ist eine Geschichte für sich. An dieser Stelle nur so viel: Einst war hier die Live-Musik-Kneipe „Alte Burg“ untergebracht, eine frühe Heimat der Spider Murphy Gang. Das burgartige Backsteinportal außen ist ebenso markant wie der Gastgarten daneben.

Elegant und gemütlich: Das Schwabinger Gebäude, wo heute das Orta seine Gäste empfängt, hat eine lange Geschichte. Die freigelegten Wände aus rotem Ziegel erinnern an früher.
Elegant und gemütlich: Das Schwabinger Gebäude, wo heute das Orta seine Gäste empfängt, hat eine lange Geschichte. Die freigelegten Wände aus rotem Ziegel erinnern an früher. (Foto: Stephan Rumpf)

Ob drinnen oder bei den letzten Sonnenstrahlen draußen – wem es gelingt, bei den Mezze nicht zu übertreiben, der schafft auch eine Hauptspeise. Mehr als zehn stehen zur Auswahl, darunter Fleisch, Fisch, vegetarische und vegane Optionen (gegrillter Fenchel zum Beispiel). Wir haben uns bei unserem zweiten Besuch für die geschmorten Kalbsbäckchen mit Kartoffelpüree und Gemüse (27 Euro) sowie das Lachsfilet im Nussmantel mit Erbsenpüree, Gemüse und Orangen-Mango-Soße (26 Euro) entschieden – und die Wahl nicht bereut. Hier geht man sorgfältig mit den Produkten um, der Mix der Aromen hat, wie bei den Mezze, Priorität. Das Gemüse ist knackig, die Pürees einwandfrei.

Ein wenig neidisch blickt Gene Tonic auf seinen besten Freund, der die Kalbsbäckchen mühelos mit der Gabel zerteilt, so zart ist das Fleisch. Zum echten Bratensaft passt der junge Parsel No. IX Cabernet Sauvignon aus Izmir in der Türkei. Eine gute Empfehlung des Service-Teams, weil dem Wein nichts Schweres oder Holziges anhaftet, wie sich herausstellt (0,2 Liter für 9,50 Euro, die Flasche für 29 Euro).

Leider ist das Weinangebot überraschend klein für ein Restaurant, das mit „Mezze. Wein. Mitte“ wirbt. Auch bei den Desserts, darunter gefüllte Feigen mit Mascarpone-Limetten-Creme (9 Euro), gibt es nur eine kleine Auswahl. Aber wie gesagt: Nachfragen lohnt sich!

Das Lachsfilet im pikanten Nussmantel kommt mit Erbsenpüree, Gemüse und Orangen-Mango-Soße.
Das Lachsfilet im pikanten Nussmantel kommt mit Erbsenpüree, Gemüse und Orangen-Mango-Soße. (Foto: Stephan Rumpf)

Und noch etwas bestätigt sich: Was das Orta besonders macht, ist der Twist bei den Speisen. Da verblüffen Trüffelscheibchen auf dem Hummus, da erfreut Limettenabrieb auf den marinierten Sardinen, da erstaunt Orangen-Mango-Soße zum pikanten Nuss-Crunch, der das Lachsfilet ummantelt.

Die Gastgeber verlieren sich ohnehin nicht in einer Länderküche, sondern bedienen sich schmackhafter Gerichte etwa aus der türkischen, israelischen oder libanesischen Küche, um sie nach Herzenslust zu variieren und kombinieren. Levantinisch und mehr. Das ist, wenn man so möchte, kulturelle Aneignung der geschmackvollen Art.

Auf geschmackvolle Überraschungen darf man hier regelmäßig hoffen. Gelegentlich variiert Ulaş Tutu die Karte. Außerdem lädt er Gastköche ins Orta ein. Und nicht nur deshalb gilt: Diese Mitte ist kein Mittelmaß. Diese Mitte hat das Zeug dazu, ein Mittelpunkt zu werden.

Orta, Bismarckstraße 21, 80803 München, Telefon 089/23755030, Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag 17 bis 0 Uhr

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik „Kostprobe“ der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts – von München, Wissen bis zur Politik – schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fast-Food-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: sich nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen – um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Essen und Trinken
:Das sind die schicksten Bars und Restaurants Münchens

Eine hochkarätige Jury hat die besten Interieur-Design-Konzepte in der Gastronomie für den Callwey-Verlag ausgezeichnet – darunter viele Lokale in der Stadt. Was diese ausmacht und was sie bieten.

SZ PlusVon Astrid Becker

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: