Süddeutsche Zeitung

Pera Meze:Istanbul trifft Gärtnerplatz

Starkoch Ali Güngörmüş bietet im Pera Meze türkische Köstlichkeiten zu beachtlichen Preisen an.

Von Kurt Kuma

Es macht natürlich einen Riesenunterschied, mit welcher Erwartung man ein neues Lokal aufsucht. Geht es um den Ableger eines bekannten Gourmetrestaurants? Oder eine Bar mit leckeren türkischen Vorspeisen? In unserem Fall war es beides zugleich: Starkoch Ali Güngörmüş, der schon einmal als Chefkoch des Hamburger Restaurants Le Canard Nouveau mit einem Michelinstern ausgezeichnet worden war und jetzt das Restaurant Pageou in den fünf Höfen führt, hat im Gärtnerplatzviertel einen Ableger namens Pera Meze gegründet. Und dort gibt es, ja genau, leckere türkische Vorspeisen.

Die Sache mit dem Stern schwirrte uns wohl noch zu sehr im Kopf herum, als wir uns der neuen Lokalität an der Ecke Klenze-Buttermelcherstraße näherten. Jedenfalls löste die angetroffene Sponti-Café-Atmosphäre mit Holzschemeln und der karge, ladenartige Gastraum kurze Irritationen aus. Bar oder Restaurant? Hinsetzen oder Mitnehmen? Doch beim Anblick des farbenfrohen und wohlriechenden Speisenangebots in der Auslage gerieten all diese Fragen in den Hintergrund. Also hieß es: umschalten auf Istanbul-Modus, einen der kleinen Tische ergattern, Platz nehmen und bestellen - vegetarischen Vorspeisenteller, Oktopus, Köfte, Garnelen mit Chili, Lahmacun, Pide, sowie überbackene Aubergine, womit das Angebot auf der Speisekarte umfassend abgearbeitet war.

Der Oktopus erwies sich als zart, üppig garniert mit Tomaten, Salat und Kräutern sowie gebettet auf einer hellen Sauce mit Currynoten, die das Meerestier angemessen begleitete, sich aber seltsamerweise auch auf den Köfte wiederfand, wo sie mit den raffiniert nahöstlich gewürzten Fleischbällen eine seltsame Dissonanz erzeugte. Ein Irrtum der Küche vermutlich, denn bei einem weiteren Besuch kamen die wunderbar zarten und beileibe nicht totgegrillten Köfte, wie es sich gehört, mit kräftiger Tomatensauce auf den Tisch. Auch die Garnelen machten Spaß, sanft gegart und entsprechend knackig gab ihnen die Schärfe einer frisch geschnittenen Chilischote einen aufregenden, zusätzlichen Biss. Jede Menge Kräuter, darunter besonders erkennbar Dill und Minze, fügten zudem ein belebendes Gefühl von Frische im Gaumen hinzu. Eine gebackene Auberginenhälfte, gefüllt mir einer zarten Pesto-Creme, kam uns im Vergleich zu zurückhaltend vor.

Interessant fanden wir auch die Güngörmüş-Version der klassischen türkischen Fladenbrotgerichte Lahmacun und Pide. Anders als in der Türkei, wo Lahmacun mit Hackfleischpaste bestrichen wird, war der knusprig gebackene Fladen im Pera Meze locker belegt, mit frischen Tomaten, Kräutern, Oliven und auf Wunsch auch Scheibchen von Sucuk, einer gegrillten türkischen Wurst. Das Gebinde war schwerer in den Mund zu befördern, aber geschmacklich gelungen.

Generell verdanken die Gerichte im Pera Meze ihren Charme eher der Kombination frischer und überraschender Zutaten als der küchentechnischen Raffinesse. Kräuter, Tomaten, Chili, Schmorzwiebeln statt Schäumchen und Sößchen verströmen Sommerfrische, perfekt um einen Frühabendaperitiv zu begleiten.

Besonderen Spaß machten uns die Meze, wie der Name des Lokals bereits ahnen lässt. Weil der Veggieteller von der Speisekarte (12,50 Euro) nur eine Auswahl der mehr als ein Dutzend verschiedenen Vorspeisen aus der Vitrine bot, nahmen wir bei anderer Gelegenheit diverse weitere Meze mit nach Hause, von gebackenem Kurkuma-Blumenkohl bis zu tiefgründig mit Kreuzkümmel gewürzten Pilzen, vom frischen Hummus bis zu einer herrlich sämigen und vollmundigen Paprikacreme. Marinierte Schmorzwiebeln, die fast auf der Zunge zerfließen, gehörten ebenso zu den Highlights wie bitzelscharfe knackige Kichererbsen und Bohnen, die mit einem leicht süßlichen Hauch Zimt im Abgang überraschten.

Schade fanden wir, dass sich das Pera Meze, benannt nach einem historischen Istanbuler Stadtviertel, nicht so recht entscheiden kann zwischen dem hemdsärmeligen Charme eines echten Pide Salonu und dem üblichen Münchner Gastro-Chichi. Bei einem der Besuche schleppte sich das Bestellen und Servieren viel zu lange hin, der Umgang war fast hochnäsig. Nachbestelltes Brot kam nicht oder erst, nachdem die Speisen verzehrt waren. Ein andermal klappte das deutlich besser.

Zudem sind die Portionen der Hauptgerichte arg übersichtlich (drei Köfte-Bällchen und vier Garnelen-Schwänze) und entsprechend hochpreisig (15,90 Euro bzw. 16,90). Und die Getränke-Preise würden im Stammland der Meze vermutlich einen Volksaufstand auslösen, eine Flasche Wasser für 6,90 Euro, 6,50 für ein penibel genau eingeschenktes 0,1-Glas Wein (oder mehr als hundert Euro für eine Flasche Rotwein aus dem Libanon), sowas funktioniert allenfalls in München, und dort am ehesten am Gärtnerplatz.

Dazu passte, dass sich eine vierköpfige Gesellschaft am Nachbartisch lautstark über die Liegeplätze ihrer Yachten am Starnberger See unterhielt. München bleibt eben München, wozu auch der allgegenwärtige Aperol Spritz gehört, der im Gärtnerplatzviertel nun auch mit Köfte und Meze genossen wird.

Pera Meze, Klenzestraße 23, 80469 München, Telefon: 089/28855589, Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 11 bis 20 Uhr.

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fast-food-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können.

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