Green Beetle:Gemüsegenüsse in Käfers neuestem Restaurant

Lesezeit: 3 Min.

Auftakt: Als Vorspeise überzeugt beispielsweise die Winterbete mit Tahin und Kimchi. (Foto: Robert Haas)

Ein stylishes Restaurant in Laufweite zum Stammhaus in Bogenhausen: Im "Green Beetle" wird vegetarisch und vegan gekocht - in überraschenden Kombinationen. Von Verzicht keine Spur.

Von Max Murke

Es ist noch nicht lang her, ein knappes halbes Jahr, dass der Münchner Feingastronom Käfer ein neues Restaurant eröffnet hat, das "Green Beetle". Green, weil sie hier nur vegetarisch und vegan kochen. Beetle, weil Käfer. Und Englisch, weil 2022. Natürlich ist hier auch alles nachhaltig und fair und regional, und ein bisschen wirkt es, als hätte sich eine Handvoll Markenberater ein möglichst passgenaues Konzept überlegt, um den Wiesn-Adel und die hippen Bio-Münchner in ihrem guten Gewissen zu vereinen.

Sagen wir so: Murke geht mit leisen Vorbehalten ins Lokal. Sagen wir aber auch gleich so: Wenn es um moderne Gemüseküche geht, ist das Green Beetle schon jetzt eine der besten Adressen der Stadt. Vom Käfer-Stammhaus sind es keine zweihundert Meter, einmal die Schumannstraße runter, mitten in Bogenhausen. Das Lokal ist angenehm unaufdringlich gestylt. Der Parkettboden, 40 Jahre alt, wurde aus einer alten Turnhalle recycelt, die Leuchten bestehen aus Tabak-, Hanf- und Weinabfällen, und an den Wänden hängen, noch mal ein Schlenker zum Namensgeber, 63 Porzellankäfer. Es fällt jedenfalls nicht schwer, sich wohlzufühlen.

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Felix Adebahr, der hier die Küche verantwortet, hat in mehreren Münchner Sternehäusern gekocht, im Tantris und im Esszimmer, und er weiß, dass es schade ums Gemüse ist, wenn man es zur Beilage degradiert. Also soll es bei ihm die Hauptrolle spielen. Seine Menüs, einmal vegetarisch, einmal vegan, sind dabei mit 99 Euro für je fünf Gänge sehr fair bepreist (79 Euro für vier, 59 Euro für drei Gänge). Schon bei den Kleinigkeiten vorab wird klar, dass Adebahr weiß, wie man mit Gemüse zeitgemäß umgeht. Sehr schön zum Beispiel die Zwiebel mit Pastinake und Karottensud. Ein andermal serviert er einen Raviolo vom Sellerie mit Estragon-Mus und wilder Kresse. Alles breit und vielschichtig, keine Spur von Verzicht, nur weil kein Fleisch oder Fisch auf dem Teller liegen.

Vielschichtig geraten auch die ersten Gänge. In der vegetarischen Variante wäre da das leicht gegrillte Brioche mit Steckrübencreme und Chicoréeherz, zu dessen Bitternoten sich ein paar kandierte Orangenzesten gut machen. Das vegane Menü beginnt mit Winterbete, die mit einer fast seidigen Tahin unterlegt ist und von der Säure des Kimchi getriezt wird. Ein paar Splitter hausgemachtes Knäckebrot verpassen dem Ganzen Crunch, die dazwischen platzierten Salatblätter räumen im Mund wieder auf. Hervorragend auch die Pilzessenz. Eine sehr tiefe, intensive Brühe, die gerade im Winter wärmt, dazu eine Scheibe Polenta und eine Estragon-Creme. Das Erdige der Pilze, das Herbe des Estragons, was soll da schiefgehen?

Überraschend: die Fagotelli mit verbranntem Lauch, Trüffel und Spänen gebeizten Eigelbs. (Foto: Robert Haas)

Gerade bei Lokalen, die sich einen programmatischen Rahmen setzen, passiert es gerne mal, dass einem der theoretische Überbau fast litaneihaft am Tisch vorgebetet wird. Das ist im Green Beetle ganz und gar nicht so. Zwar kann man auf der Homepage nachlesen, dass die Crew ihre Wildkräuter im Sommer im Englischen Garten zupft und Arbeitskleidung aus recyceltem Meeresplastik trägt, aber sie halten hier keine Impulsreferate über das richtige Leben. Stattdessen sorgt der herzliche, lockere Service dafür, dass man hier vor allem eines hat: Spaß.

Zum Beispiel an den Fagotelli mit verbranntem Lauch, die mit Parmesan gefüllt und mit ein paar Spänen gebeizten Eigelbs bestreut sind. Für sich schon die volle Ladung Umami, aber zum Ei passen natürlich noch ein paar Scheiben Perigord-Trüffel. Spaß machen auch die Krautwickerl, die in einer Beurre blanc mit Zimt angerichtet sind. Die Birnenwürfel brechen den breiten Kohlgeschmack auf, während die dehydrierten Pastinakenschalen nicht nur eine hübsche Resteverwertung sind (Stichwort: root to leaf), sondern vor allem auch schmecken. Bei der Schwarzwurzel hat das Blaukraut etwas viel Säure abbekommen, aber das Pumpernickel-Mehl, das die Wurzel umhüllt, fängt das zumindest teilweise wieder auf.

Hier wird der Cocktail Emilos Negroni eingeschenkt - mit Kaffee infusionierter Campari. (Foto: Robert Haas)

Bleiben noch die Desserts. Obwohl Gemüse längst auch in der Pâtisserie verarbeitet wird - man denke allein an die Desserts, die Christian Hümbs während seiner Zeit drüben im Atelier serviert hat -, halten sie die Nachspeisen im Green Beetle eher klassisch. Die sizilianischen Mandeln mit Pflaumen und Kokossorbet oder die Tapioka mit Buchweizen und Pomelo sind solide, verfliegen aber nach ein paar Bissen wieder. Der Münchner Honig ist dagegen spektakulär. Eine Mais-Ganache mit Sablé-Keks, dazu ein cremiges Toffee-Eis und ein paar spitze Akzente von Fingerlimetten. Fehlen nur noch der Honig und eine Karamellsoße, in die Orange eingearbeitet wurde - fertig ist eine aufgemotzte Version von Milch mit Honig.

Irgendwann kommt am Tisch die Frage auf, welche Gänge jetzt eigentlich vegetarisch, welche vegan waren. Und letztlich ist es genau das: Felix Adebahr geht hier so zeitgemäß und souverän mit Gemüse um, dass solche Schubladen keine Rolle mehr spielen. Hat wer Fleisch gesagt?

Green Beetle, Schumannstraße 9, 81679 München, Telefon: 0176/14168023, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 12 bis 15 Uhr und 17.30 bis 22 Uhr.

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