Keine politischen Absprachen mit der AfD. Keine gemeinsamen politischen Initiativen mit der AfD. Kein Kalkulieren mit den Stimmen der AfD. Dies sind die drei Kernpunkte eines Grundsatzbeschlusses, der parteiübergreifend von den Stadtratsparteien verfasst worden ist. In leichten Varianten, mal kürzer, mal ausführlicher begründet, mal schärfer, mal etwas entschärft formuliert, stand die Resolution dieser Tage auch in vielen konstituierenden Sitzungen der Bezirksausschüsse zur Abstimmung. Bei der Kommunalwahl am 15. März schaffte es die Alternative für Deutschland, in 13 der 25 Stadtviertelgremien einzuziehen, in die meisten mit einem Vertreter, in Feldmoching-Hasenbergl, Milbertshofen-Am Hart und Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln sogar mit je zwei Mandaten.
Weil der Münchner Südwesten offenbar eine Hauptkampfzone der Rechtspopulisten ist, sie holten dort ihr stadtweit drittbestes Ergebnis, hatte der alte Bezirksausschuss sogar schon vor der Wahl einen Beschluss gegen jegliche "personelle und inhaltliche Zusammenarbeit" mit der AfD gefasst. Stark vorangetrieben hatte das Micky Wenngatz von der SPD, stellvertretende BA-Vorsitzende, BA-Beauftragte gegen Rechtsextremismus, Stadträtin und Vorsitzende des Vereins "München ist bunt".
In dem Grundsatzbeschluss "für ein weltoffenes und demokratisches München" bekennen sich die Mandatsträger und -trägerinnen zu ihrer historischen Verantwortung für den Völkermord an Juden, Sinti und Roma sowie an die Verfolgung und Ermordung vieler weiterer Menschen. "Diese Gräueltaten" und der Aufstieg der Nationalsozialisten seien nur durch eine breite Unterstützung in Bevölkerung und Politik möglich gewesen. Daher müsse eine klare Grenze gezogen werden zu all jenen, die heute (wieder) rechtsextreme oder faschistische Inhalte vertreten, die demokratiefeindlich, menschenfeindlich, antisemitisch oder rassistisch argumentieren.
"Wir wollen den geistigen Brandstiftern von rechtem Terror die Stirn bieten, mit demokratischen, rechtsstaatlichen Mitteln", warb im BA Neuhausen-Nymphenburg Nikolai Lipkowitsch (Grüne) um Zustimmung, der in seiner kurzen, sehr persönlichen Rede Tod und Vertreibung eigener Familienmitglieder im Holocaust erwähnte. 40 BA-Mitglieder aus sieben Parteien stimmten zu, Karlheinz Meißle von der AfD hob nach einem schnellen Rückversicherungsblick zu seinem Begleiter im Publikum wortlos die Hand dagegen. Auch in Moosach, in Obergiesing-Fasangarten, in der Maxvorstadt, in Untergiesing-Harlaching und in Pasing wurden fast gleichlautende Resolutionen verabschiedet. In manchen Gremien reagierte die AfD allerdings aktiver auf den eisigen Wind, der ihr entgegenschlägt. In Moosach etwa erklärte Matthias Helmer, er sei kein Rassist, Menschenfeind und Faschist und er beanspruche für sich ebenfalls das Recht auf die angesprochene unantastbare Menschenwürde.
In Pasing beantragte AfD-Mitglied Thomas Rittermann, die Resolution in zwei Teile aufzusplitten. Schließlich könne er naturgemäß nicht gegen die eigene Partei stimmen, doch sei er selbstverständlich gegen die in der Resolution erwähnten Verbrechen des Nationalsozialismus. Er habe die freiheitliche demokratische Grundordnung schon vor 30 Jahren verteidigt, zuerst in Mogadischu und dann am Hindukusch. Er nannte es "sehr ehrenrührig", ihm Rechtsradikalismus vorzuwerfen. Seinem Splittungs-Antrag wollte die Mehrheit des Gremiums nicht entsprechen. Die Resolution wurde als Ganzes abgestimmt, gegen Rittermanns Votum. Im Untergiesinger Gremium erklärte Norbert Pfützenreuter, Mediziner aus Harlaching, er sehe den Antrag als einen Verstoß gegen die BA-Satzung, da er kein Stadtteil-Anliegen behandle. Zudem werde der BA für "Agitation, Propaganda und persönliche Diffamierung missbraucht". Nicht zuletzt als Opfer des SED-Regimes, von 1975 bis 1977 in der DDR wegen versuchter "Republikflucht" inhaftiert, verwahre er sich gegen die "Unterweisungen" der BA-Kollegen, so Pfützenreuter.
In Laim dagegen wurde die Abstimmung, gegen das Votum der zehn Grünen, vertagt. Das passe nicht so in den Rahmen dieser konstituierenden Sitzung und sei auch nicht so eilig, fand Peter Stöckle (CSU); und die SPD wollte sich gehorsamst an die Vorgabe des städtischen Direktoriums halten, so wenig wie möglich in die Tagesordnung zu packen. Damit haben die Laimer die Resolution möglicherweise der von einer breiten Zustimmung ausgehenden Wirkung beraubt - sollten sie in den kommenden Monaten coronabedingt nur als Sonderausschuss mit sechs Mitgliedern tagen.