Es war ein Tabu. Frauen durften die traditionellen Trommeln in Ruanda nicht berühren. In ihrer Sprache bedeute Trommel dasselbe wie Macht, sagt Odile Gakire Katese und sie sagt auch: "Ich mag es, Grenzen zu überschreiten." Vor 18 Jahren gründete die Autorin und Regisseurin die erste weibliche Trommelgruppe in Ruanda, die "Campagnie Professional Dreamers". Diese Geschichte wolle sie aufschreiben, sagt Gakire Katese. Die Künstlerin erzählt das mit großer Lebendigkeit und geistreichem Witz im Marstall beim "Welt/Bühne"-Abend. Der Tabubruch mag sie einiges gekostet haben, sie überstrahlt das. Sollte das alles später in ihren Text einfließen, wird das großartig.
Um den Text zu schreiben, dafür ist Gakire Katese hier. Ebenso plant der ukrainische Autor und Regisseur Oleksandr Seredin ein Schreibprojekt. Beide haben eine dreimonatige Residenz am Bayerischen Staatsschauspiel erhalten in Kooperation mit dem Goethe-Institut. Im Januar tritt die Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Deepika Arwind aus Indien ihren Aufenthalt an. Alle drei hat das Residenztheater nun an einem "Welt/Bühne"-Abend zusammen vorgestellt mit Texten - im Fall von Seredin einem ganz aktuellen - und in Gesprächen. Weitere "Welt/Bühne"-Abende sollen folgen, im Sommer dann ein Festival, dessen künstlerische Leitung in die Hände des Münchner Schriftstellers Albert Ostermaier gelegt werden soll. Das Programm, das seit 2016 existiert, wird also intensiviert und aufgewertet. Dass sich das lohnt, konnte man im Marstall sehen.
Das zunächst etwas starr wirkende Konzept aus Lesung, Gespräch, anschließender Diskussion geht dort dank der drei spannenden Persönlichkeiten und ihrer unterschiedlichen künstlerischen Ansätze und Lebenswirklichkeiten auf. Vor Gakire Katese, die in ihrer Arbeit geprägt ist vom Genozid in Ruanda 1994 (am 13. Dezember gibt es mit ihr noch einmal einen eigenen "Welt/Bühne"Abend), holen Seredin und Arwind andere Themen auf die Bühne. Bei Seredin ist es die Auseinandersetzung mit dem Krieg. Er kommt aus Charkiw und erzählt, wie nach dem ersten Schock bei Ausbruch der Krieg mehr und mehr zur Alltagsroutine wurde. Wie die Sorgen um seine Familie jetzt in der Distanz wachsen, wie er mit seiner Arbeit etwas kreieren wolle, das seinem Land helfe, der Zerstörung seiner Kultur entgegenzuwirken.
Die Inderin Arwind wiederum kommt mit ihrem politischen Stück "Phantasmagorie", das auf ihrer Realität beruht und das untersucht, ob sich gegensätzliche Ideologien überhaupt annähern können. Sie staune, in einem Land zu sein, in dem Theater den Apparat kritisieren können, der sie auch finanziere, sagt sie. Gerade solche Betrachtungen sind die erfrischenden Impulse des Abends. Unter welchen Bedingungen entsteht Theater? Und für welche Ideen steht es? Alle drei Autoren verbindet ein kräftiger Zugriff auf ihre Kultur, der sich auch hier eindrucksvoll vermittelt. Gerne mehr davon.