Süddeutsche Zeitung

Residenztheater-Eröffnung:Neustart am Max-Joseph-Platz

Die Eröffnung des Residenztheaters unter neuer Intendanz bietet beste Fotovorlagen. Über die Qualität der wortreichen Premiere waren sich dagegen längst nicht alle Gäste einig.

Von Nina Bovensiepen

München leuchtet. Und das ist ja nicht das Schlechteste für einen Premierenabend. Kurz bevor am Samstag das Residenztheater unter dem neuen Intendanten Andreas Beck erstmals seine Türen öffnet, taucht die Sonne den Max-Joseph-Platz in schönstes Abendlicht. Auch als die Münchner eine Stunde vor Vorstellungsbeginn endlich in ihr Resi strömen dürfen, ist es noch hell, und das nutzen viele der Premierengäste für einen Besuch im neu gestalteten Wintergarten, wo sie verzückt Fotos schießen von der Kulisse auf die Stadt: Hier hängt die neue Lichtinstallation von Ingo Maurer, eine zwölf Meter lange "Silver Cloud", die unter einer tief roten Decke schwebt - und als Kulisse im Hintergrund ragen die Türme der Frauenkirche auf. "Ganz wundervoll", finden zwei Besucherinnen. Sie und viele andere knipsen das Motiv, noch ein Foto, noch ein Glas Sekt. Zwischendrin läuft der Intendant durch die Gänge und begrüßt Gäste. Nein, aufgeregt sei er nicht, nur froh, dass es endlich losgehe, sagt Andreas Beck.

Bekanntermaßen geht es bei dem Neustart am Residenztheater anders los als gedacht: Die ursprünglich geplante Premiere von Simon Stone wurde abgesagt, weil dieser eine Netflix-Produktion vorzog. Stattdessen kommt "Die Verlorenen" von Ewald Palmetshofer zur Aufführung und das Haus startet mit einem Tag Verspätung in die Saison. Vielleicht hat es mit dieser Verschiebung zu tun, vielleicht damit, dass zeitgleich die Lange Nacht der Museen stattfindet: Was den Prominentenfaktor betrifft, gibt es jedenfalls eindeutig Aufwärtspotenzial. Weder sind zu dieser Premiere zahlreich Intendanten aus anderen großen, deutschen Häusern angereist, wie das sonst bei diesen Anlässen üblich ist, weil man ja neugierig ist. Noch ist der bayerische Kunstminister Bernd Sibler zugegen, und auch sonst sind wenig bekannte Gesichter da.

Außer natürlich aus der Münchner Theaterszene. Das eigene Ensemble ist zahlreich vertreten, etwa die künftig fürs Residenztheater spielende Brigitte Hobmeier. Und von der anderen Straßenseite sind viele Kammerspielkollegen so neugierig wie das Münchner Theaterpublikum. Auch Barbara Mundel, die designierte Kammerspielintendantin, ist ins ausverkaufte Haus gekommen. Zum Theaterstück selbst möchte sie nach der Aufführung verständlicherweise keine Meinung äußern, das könnte überheblich wirken, aber sie freue sich schon auf die baldige "freundschaftliche Konkurrenz" der zwei großen Münchner Theater, sagt sie.

Das Publikum ist über die Vorstellung äußerst unterschiedlicher Meinung - auch wenn es am Ende von "Die Verlorenen" lange und üppig applaudiert und jubelt. In den Gesprächen danach wird aber klar, dass die sehr textintensive und sprachlich komplexe Aufführung nicht alle überzeugt hat. Zu lang, inhaltlich zu wenig Fallhöhe, bemängeln die Kritischen. Andere sind begeistert. Viel Text zwar, aber mit Tiefe.

Felix Klare, Schauspieler und als "Tatort"-Kommissar bekannt, findet ein positives Urteil. "Ganz gut" sei das gewesen, er habe zuletzt nicht mehr viel mit dem Programm des Residenztheaters anfangen können. "Mit Andreas Beck könnte ich mir vorstellen, hier auch mal wieder etwas zu machen." Das klingt fast nach einer Ankündigung, der Gesprächsfaden mit Andreas Beck scheint geknüpft zu sein.

Beck ist am späteren Abend, als die Besucherinnen und Besucher die Einladung des Hauses zum Glas Sekt zahlreich annehmen, vor allem erleichtert. "Es war doch prima", sagt er. "Es lief bei unserem Start hier alles nicht nach Plan, aber nun läuft es nach einem neuen Plan." Das sieht auch Nora Schlocker so, die das Stück inszeniert hat. Sie habe die Aufführung im "Videokabuff" verfolgt. Und, keine größeren Pannen? "Eine Schauspielerin ist hinter der Bühne gestolpert und hat sich den Finger verstaucht", sagt sie. Es gibt Schlimmeres an einem Premierenabend.

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SZ vom 21.10.2019/infu
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