Bitte des Oberbürgermeisters:Die Polizei schweigt

Keine Reaktion auf Vorschläge für Anti-Rassismus-Maßnahmen

Von Anna Hoben

Wie ist es um das Sicherheitsgefühl von Juden und Muslimen in der Stadt bestellt? Und: Was müssen Stadtpolitik, Verwaltung, Sicherheitsbehörden und Stadtgesellschaft tun, um dieses Gefühl zu stärken? Diese Fragen standen im Zentrum eines Hearings im vergangenen Sommer mit Vertretern jüdischer und muslimischer Gemeinden. Eingeladen hatte die städtische Fachstelle für Demokratie. Das Ergebnis damals: Viele Juden und Muslime in München fühlen sich nicht sicher. Und es mangelt offenbar an Kommunikation, einerseits zwischen der sogenannten Mehrheitsgesellschaft und den religiösen Minderheiten, andererseits und insbesondere zwischen der Polizei und den Vertretern muslimischer Einrichtungen. Oder anders gesagt: Es ist noch einiges zu tun.

Ein halbes Jahr später hat die Fachstelle dem Stadtrat ein Update gegeben. Nach der ersten Gesprächsrunde hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sich an den bayerischen Innenminister und den Justizminister gewandt, mit der Bitte, die Möglichkeit der Online-Strafanzeige für Opfer von sogenannter Hassrede über Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker hinaus zu erweitern. Er befürworte das auch, antwortete Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Oktober. Konkreter wurde es bisher nicht; das Ministerium stehe mit den weiteren Ressorts dazu im engen Austausch, so Herrmann. Auch an das Münchner Polizeipräsidium unter dem neuen Präsidenten Thomas Hampel richtete Reiter einige Anliegen und Bitten aus dem Hearing. Zu den Vorschlägen gehört etwa die Einrichtung einer Clearing-Stelle, an die sich Polizistinnen und Polizisten vertraulich wenden können, wenn sie von rassistischen, antisemitischen oder diskriminierenden Äußerungen im Kollegenkreis erfahren. Ein weiterer Wunsch ist der nach einem zentralen Ansprechpartner für von Hasskriminalität betroffenen Gruppen. Anti-Rassismus- und Anti-Diskriminierungs-Schulungen sollten ausgeweitet und durch Seminare zu religiösen und minderheitenspezifischen Themen ergänzt werden. Soweit Reiters Anregungen - eine Antwort hat er auf sein Schreiben vom November bis heute nicht erhalten.

Noch in der ersten Jahreshälfte soll es nun ein zweites Hearing geben. Das beschloss der Stadtrat einstimmig. Dann sollen die Ergebnisse einer Studie zu Hasskriminalität in München vorgestellt werden. Es handelt sich um eine 2020 durchgeführte, repräsentative Dunkelfeldstudie, die SPD, CSU, Grüne und FDP in der vorherigen Amtsperiode gemeinsam beantragt hatten. Zum Hearing eingeladen werden sollen der neue Polizeipräsident, der Kreisverwaltungsreferent und Vertreter der - laut der Studie - besonders von Hasskriminalität betroffenen Gruppen.

Das erste Hearing sei "sehr konstruktiv, bewegend und auch schockierend" gewesen, sagte SPD-Stadtrat Christian Vorländer. Seine Fraktion teile ausdrücklich die Bitten und Anregungen des OB. Es sei sehr gut, dass Kommunalpolitiker Hassrede mittlerweile im Internet anzeigen könnten; diese Möglichkeit müsse aber unbedingt erweitert werden. "Wir fordern, dass die Staatsregierung da dran bleibt." Dominik Krause (Grüne) sagte, er sei froh, dass erste Schritte getan würden und die Stadt zeige, dass sie die Bedarfe sehe. "Wir hoffen, dass Freistaat und Sicherheitsbehörden zur Einsicht kommen."

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