München:"Sie sehnen sich nach Abwechslung, Sonne, Meer und anderen Kulturen"

Reisebüro in München während der Corona-Krise, 2020

Die meisten Münchner können von Reisen derzeit nur träumen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wie Reisebüros mit der Unsicherheit der Kunden umgehen, worin sie ihren Vorteil gegenüber dem Internet sehen und welche Ziele besonders gefragt sind.

Von Lea Arbinger

Die Frühbucher bleiben aus, der klassische Winterurlaub fällt flach - und nun müssen die Reisebüros erneut schließen. Die Pandemie hat die Reisebranche komplett verändert, die Mitarbeiter müssen mit den Ängsten unsicherer Kunden umgehen. Ein Beispiel ist das Lufthansa City Center/Giller Reisen. Andreas Giller berichtet, dass vor dem harten Lockdown zwar noch Kunden in sein Reisebüro gekommen seien, meistens habe es sich aber nur um Anfragen oder unverbindliche Buchungen gehandelt. "Weihnachtsurlaub findet praktisch nicht statt", sagt er. Vor allem seitdem klar ist, dass die Skigebiete in Italien und Deutschland über die Weihnachtsferien geschlossen bleiben. In Österreich sind Skilifte zwar geöffnet, Hotels und Restaurants bleiben aber zu.

Es gibt zwar kein grundsätzliches Reiseverbot, die Deutschen werden jedoch angehalten, von nicht zwingend notwendigen Reisen im Inland und in das Ausland bis zum 10. Januar abzusehen. Die Kunden, die sich bei Andreas Giller nach Reisen erkundigen, fragen nahezu alle Destinationen nach - bis auf Urlaub in Deutschland. "Sie sehnen sich nach Abwechslung, Sonne, Meer und anderen Kulturen", sagt Giller.

Vor allem Flugreisen würden für das kommende Jahr angefragt: Fernreisen auf die Malediven, die Emirate oder nach Südafrika. Dass es derzeit - wenn überhaupt - nur Optionsbuchungen gibt, sei auf die allgemeine Ungewissheit zurückzuführen. "Keiner kann sagen, ob und unter welchen Umständen in die verschiedenen Länder gereist werden kann."

Diese Unsicherheit tragen die Kunden auch an Andreas Giller heran. "Die häufigsten Fragen betreffen die Sicherheit in Hotels und den Fliegern." Auch die Handhabung bei coronabedingten Umbuchungen oder Stornierungen sei für die Kunden wichtig. "Hier haben die Reisebüros gegenüber dem Internet einen klaren Vorteil. Dies hat sich in der nahen Vergangenheit klar herausgestellt."

München: "Wir haben praktisch ein Berufsverbot", sagt Reisebüro-Inhaber Andreas Giller.

"Wir haben praktisch ein Berufsverbot", sagt Reisebüro-Inhaber Andreas Giller.

(Foto: Gino Dambrowski)

Auch während des Lockdowns wollen Giller und sein Team für die Kunden da sein. "Wir haben bereits Vorkehrungen getroffen und sind für unsere Kunden zu unseren Öffnungszeiten erreichbar", sagt er. Das sei enorm wichtig, denn man rechnet wieder mit vielen Umbuchungen und Stornierungen. Klassische Frühbucher gebe es heuer nicht. "Die aktuelle Lage ist nicht sehr schön. Wir haben praktisch ein Berufsverbot, wollen aber für unsere Kunden da sein", sagt Giller. In Schieflage sei sein Unternehmen nicht geraten, frühzeitige Maßnahmen hätten das verhindert. Was ihn ärgert: Bei den Überbrückungshilfen werde nicht genug differenziert, ob es sich um ein kleineres Reisebüro handelt oder um eines, wie das von Giller, das mehrere Filialen betreibt und über 60 Mitarbeiter beschäftigt. "Hier muss dringend angepasst werden."

Frühbucher und die Anfragen nach Weihnachtsreisen sind auch laut Petra Schnelzer vom TravelCare Reisebüro im Corona-Jahr praktisch kaum vorhanden. Zwar gebe es einige wenige Kunden, die buchen, auch für die Weihnachtsferien. Neubuchungen kämen jedoch kaum. Die nachgefragten Destinationen seien sehr unterschiedlich. "Wir haben Reisen für die Türkei, die Kanaren, Ägypten, Äthiopien, Nigeria, Iran sowie Inlandsflüge innerhalb Deutschlands gebucht", erzählt sie. Auch sie bemerkt eine große Unsicherheit bei ihren Kunden. "Wir erhalten sehr viele Fragen zwecks Einreisebestimmungen, PCR-Tests und Rechten bei Flugzeitänderungen und Annullierungen."

"Speziell über Weihnachten fliehen einige Kunden"

Heike Kaufmann vom ADAC Südbayern ist sich sicher: "2021 werden wir ein Last-Minute-Jahr erleben. Unsere Mitglieder und Kunden sind reisehungrig und haben Sehnsucht nach Urlaub, viele warten die weitere Entwicklung ab." Beim ADAC spüre man den Rückgang von Buchungen schmerzlich. Zwar werde auch für Weihnachten 2020 kurzfristig gebucht, gerade weil viele Reiseveranstalter kostenlose Umbuchungen oder Stornierungen anbieten, trotzdem seien es wesentlich weniger als im vergangenen Jahr.

Auch Christian Weimann von Derpart Travel Service/NettReisen zieht eine ernüchternde Bilanz: "Wir haben über das Jahr gesehen einen Umsatzeinbruch von um die 75 Prozent, und das auch nur, weil Januar und Februar noch einigermaßen normal liefen." Anfragen gebe es zwar, aber "die kann man an einer Hand abzählen". Gebucht werde primär Badeurlaub auf den Kanaren, Madeira, den Malediven oder in Dubai. Frühbucher kämen auch zu Christian Weimann nicht, Weihnachtsurlaub werde kaum nachgefragt.

Anders schildert Reinhard Schega vom Reisebüro M45 die Situation. "Speziell über Weihnachten fliehen einige Kunden", erzählt er. Verstärkt nachgefragt werde Urlaub auf den Kanarischen Inseln, den Malediven, Kuba oder Südafrika - trotz Quarantäne nach der Rückkehr. Der Weihnachtsurlaub in Österreich oder Italien falle aber gänzlich weg. Hauptsächlich handle es sich bei den Reiseanfragen um Kunden, die ein Ferienhaus oder ein Appartement in einem anderen Land besitzen oder Verwandte besuchen wollen.

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