Süddeutsche Zeitung

Wechsel an der Stadtspitze:Abschied von vier Stadtministern

Lesezeit: 5 min

Rosemarie Hingerl und Thomas Böhle gehen in den Ruhestand, Alexander Dietrich und Thomas Bönig starten woanders neu durch. Was sie in ihrer Amtszeit besonders gefreut hat - und was sie noch gerne umgesetzt hätten.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Eine Referentin und drei Referenten scheiden am 30. Juni aus der Stadtverwaltung aus. Baureferentin Rosemarie Hingerl, 66, und Kreisverwaltungschef Thomas Böhle, 68, gehen in den Ruhestand. Alexander Dietrich (CSU), 46, wurde nach sechs Jahren wegen seiner Parteizugehörigkeit nicht mehr wiedergewählt. Die Rathauskoalition aus Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt wollte seinen Posten mit einem eigenen Kandidaten selbst besetzen. Ein ähnliches Schicksal ereilte IT-Referent Thomas Bönig, 60. Da ihm signalisiert worden war, dass er seinen Job nach der ersten Amtszeit verlieren würde, nahm er vorzeitig ein Angebot der Stadt Stuttgart an.

Für die SZ blicken die vier Stadtminister auf ihre Amtszeit zurück und sprechen über ihre schönsten Erlebnisse, ihre größten Erfolge und auch darüber, was noch offen geblieben ist am Ende ihrer Tätigkeit. Und natürlich erzählen sie auch etwas über ihre Pläne für die Zukunft, auch wenn diese möglicherweise erst mal darin bestehen, keine Pläne fassen zu wollen. Über ihre Nachfolger sind sich Grüne und SPD einig, gewählt werden sie teilweise erst Ende Juli. Fix sind bereits Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) als neue Chefin des Kreisverwaltungsreferats und Andreas Mickisch (SPD) als Personalreferent. Wohl erst in der Juli-Sitzung gewählt werden die neue Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer und die neue IT-Referentin Laura Dornheim, beides Kandidatinnen der Grünen.

Alexander Dietrich, Personal- und Organisationsreferent

Das schönste Erlebnis in meiner Amtszeit:

Das war für mich die 100-Jahr-Feier des Referats 2019. Es war toll zu sehen, wie es sich über die Jahre entwickelt hat. Früher war es sehr hierarchisch geprägt. Seit den Neunzigerjahren hat es die Mitarbeiter stärker in den Fokus genommen. In meiner Amtszeit haben wir es ganz neu aufgestellt. Tucholsky hat gesagt, das deutsche Schicksal sei es, vor einem Schalter zu stehen; und hinter einem Schalter zu sitzen, sei das deutsche Ideal. Früher war der öffentliche Dienst begehrt, die Leute kamen von selbst. Das hat sich gewandelt, und das fordert ein Umdenken in der Personalverwaltung.

Darauf bin ich stolz:

Dass es mir nach vielen Anläufen gelungen ist, die Stempelkarte abzuschaffen. Manche Referate stempeln noch, aber wir sind auf der Zielgeraden. Die Karte war ein Anachronismus, für den wir viel belächelt wurden. Als Erfolg sehe ich es auch, dass der Stadtrat meinem Veränderungsprogramm Neo HR einstimmig zugestimmt hat. Damit wird die Personaladministration grundlegend modernisiert. Hier liegt auch die größte Herausforderung für meinen Nachfolger: die Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Referaten und dem Personalreferat neu zu ordnen.

Das hätte ich gern noch umgesetzt:

Ich hätte gern noch das dienstliche Beurteilungswesen reformiert. Da leistet sich die Stadt ein sehr aufwändiges System. Ich hätte gern ein Punktesystem übernommen, wie es der Freistaat nutzt. Aber um dieses dicke Brett zu bohren, gab es in München keine Unterstützung.

Mein Plan für die Zukunft:

Ich kehre in die Justiz zurück, als Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft. Und ich will politisch am Ball bleiben, 2023 in Moosach für den Landtag kandidieren. Das Ziel ist, den Stimmkreis, den die Grünen 2018 mit 63 Stimmen Vorsprung gewonnen haben, für die CSU zurückzugewinnen.

Thomas Böhle, Kreisverwaltungsreferent

Das schönste Erlebnis in meiner Amtszeit:

Die Verabschiedung durch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am vergangenen Freitag. Wir haben die Nacht zum Tag gemacht, und sie haben sich tolle Dinge einfallen lassen, zum Beispiel eine Zeitung mit Beiträgen von verschiedenen Weggefährten gefertigt. Das hat mich tief angerührt. Ich habe noch einmal gemerkt, was für eine klasse Truppe ich da hatte. Wenn man einen Kreisverwaltungsreferenten fragt, was schön war, wird ihm erst einmal nicht so viel einfallen, denn wir sind in der Eingriffsverwaltung. Das Schöne war die Interaktion mit den Mitarbeitern. Ihnen etwas zuzumuten, Bereitschaft zu generieren für Veränderung.

Darauf bin ich stolz:

Dass es gelungen ist, den Umbau des Kreisverwaltungsreferats bei laufendem Betrieb zu stemmen. Das war eine unglaubliche Belastung, hauptsächlich für die Mitarbeiter. Da gab es Dreck und Lärm und undichte Rohre, Bilder von Mitarbeitern, die mit Regenschirm am Schreibtisch saßen. Die Belegschaft ist trotzdem bei Laune geblieben. Das Ergebnis ist ein modernes Bürogebäude mit zeitgemäßer Infrastruktur. Das neue Bürgerbüro verbessert den Service signifikant. Dabei ist auch die Online-Terminvereinbarung zu nennen. Früher kamen die Leute und haben gewartet. Mittlerweile kann man in allen Bereichen online Termine vereinbaren. 75 Behördengänge können zudem bereits online erledigt werden, bei 50 weiteren ist das in Arbeit.

Das hätte ich gern noch umgesetzt:

Gern hätte ich eine deutliche Verbesserung in der Ausländerbehörde bewirkt, vor allem kürzere Bearbeitungszeiten. Da kam aber die Haushaltslage dazwischen, sodass wir nicht die Personalkapazitäten haben, die notwendig sind.

Mein Plan für die Zukunft:

Ich werde es als großes Privileg sehen, bis auf Weiteres nichts planen zu müssen.

Rosemarie Hingerl, Baureferentin

Das schönste Erlebnis in meiner Amtszeit:

Die Fertigstellung des Volkstheaters 2021 im Termin- und Kostenrahmen - und das trotz Coronakrise! Da ich mich persönlich sehr für den Entwurf mit dem markanten Eingangsbogen und der für das Schlachthofviertel typischen Ziegelgestaltung eingesetzt habe, hat mich als Architektin die gestalterische Anerkennung des Ergebnisses außerordentlich gefreut. Außerdem ist es für mich ein besonderes Erlebnis, damit die Zukunft des Volkstheaters mit sicherzustellen, da ich als junge Projektleiterin im Baureferat bereits Anfang der 1980er Jahre den Umbau des damaligen "Haus des Sports" zum ersten Volkstheater (mit einem sehr geringen Budget) verantworten durfte. Für mich hat sich damit zeitlich ein Kreis geschlossen.

Darauf bin ich stolz:

Dass ich aufgrund der gemeinsamen Leistung mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Baureferat nach 18 Jahren Amtszeit als Baureferentin sagen kann: Das Baureferat der Landeshauptstadt München ist insbesondere in der Stadtpolitik hoch anerkannt und für die Zukunft gut aufgestellt.

Das hätte ich gern noch umgesetzt:

Ein Herzensanliegen ist mir der U-Bahn-Ausbau! Deshalb habe ich mich auch sehr für eine zukunftsfähige Integration des U-Bahn-Baus in das Baureferat eingesetzt. Es war mir sehr wichtig, vor Ende meiner Amtszeit den Baubeginn der U5 nach Pasing noch zu erreichen. Das ist dank der einstimmigen Unterstützung des Stadtrates gelungen. Ich hoffe sehr, dass die Verlängerung nach Freiham zeitnah möglich ist.

Mein Plan für die Zukunft:

Den Bau, Unterhalt und Betrieb der vielen Projekte sowie die Nutzung der öffentlichen Räume ständig sicherzustellen, bedeutet kontinuierliche Planung. Insofern gab es in meiner Amtszeit keinen Tag ohne Planung. Ich genieße es daher besonders, zunächst ohne irgendeine Tagesplanung den "dritten Lebensabschnitt" zu beginnen.

Thomas Bönig, IT-Referent

Das beeindruckendste Erlebnis meiner Amtszeit:

Das war die Rede von Vitali Klitschko (Bürgermeister der Partnerstadt Kiew, Anm. der Red.) vor dem Stadtrat, als er per Video zugeschaltet wurde. Bewegend und motivierend. Das hat mich am tiefsten beeindruckt von allem, was ich in den vier Jahren hier erlebt habe.

Darauf bin ich stolz:

Die Modernisierung und Neuausrichtung der IT in München. Wir haben nicht nur während Corona gezeigt, dass wir eine sehr effektive und sehr gute Truppe sind, die einfach extrem leistungsfähig ist, vor allem wenn bürokratische Hemmnisse fallen. Da bin ich stolz darauf und freue ich mich für meine Kolleginnen und Kollegen besonders. Als ich in die Stadt kam, gab es die Diskussion, ob man die IT in eine eigene Gesellschaft ausgliedert. Dagegen habe ich mich verwahrt und gesagt, das kriegen wir auch innerhalb der Verwaltung hin, und das hat geklappt. Ein gewaltiger Schritt für die Mitarbeiter, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger.

Das hätte ich gern noch umgesetzt:

Was ich auf jeden Fall mit hoher Priorität verfolgt und sehr gerne zu Ende gebracht hätte, das war die Modernisierung und Neuausrichtung der Schul-IT. Hier sind die Zustände, die wir im Moment in München haben, der Landeshauptstadt noch nicht angemessen. Da hat man noch viel Potenzial. Ich bin überzeugt, dass man gerade den jungen Menschen in den Zeiten, die vor uns stehen, mehr und bessere Bildung vermitteln muss.

Mein Plan für die Zukunft:

Ich werden in Stuttgart das neue Amt für Digitalisierung, IT und Organisation mit aufbauen. Wir werden nicht die größten sein unter den Kommunen, das bleibt München, aber wir wollen die besten werden. Eine Zeit lang werden wir uns am großen Vorbild München orientieren. Ich habe ja den Vorteil, dass ich das Meiste hier schon gemacht habe und vieles mitnehme. Es würde mich freuen, wenn wir trotzdem noch eine gute Zusammenarbeit hinbekommen.

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