Spitzenpositionen in München:Aus Referenten könnten Stadtminister werden

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Die neuen Referenten für München stehen fest: Andreas Mikisch (links) leitet künftig das Personal- und Organisationsreferat, Dorothee Schiwy (zweite von links) bleibt Sozialreferentin und Hanna Sammüller-Gradl (zweite von rechts) übernimmt die neue Leitung des KVR. (Foto: Robert Haas)

München unternimmt nach den Debatten der vergangenen Tage einen Vorstoß beim Land, die Jobs aufzuwerten und eindeutiger als politische Ämter zu definieren. Die aktuelle Rechtslage ist nicht zeitgemäß, findet auch Oberbürgermeister Dieter Reiter.

Von Anna Hoben

Die 14 städtischen Referentenjobs nehmen eine Zwitterposition ein: Sie sind einerseits höchste Verwaltungsämter, bieten andererseits aber auch Möglichkeiten zur politischen Gestaltung. Deshalb werden die Referenten auch gern als Stadtminister bezeichnet.

Was in der Realität schon lange der Fall ist, könnte künftig auch in der rechtlichen Definition dieser Posten eine größere Rolle spielen - jedenfalls wenn es nach Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und großen Teilen des Münchner Stadtrats geht. OB Reiter will einen Vorstoß beim Freistaat starten, um die Gemeindeordnung entsprechend zu ändern und Referentenposten eindeutiger als politische Ämter zu definieren. Das ist das Ergebnis der Debatte zur Besetzung von städtischen Referentenposten am Mittwoch im Stadtrat.

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Vergangene Woche waren die Grünen mit dem Vorschlag gescheitert, ihre Fraktionschefin Anna Hanusch zur neuen Baureferentin zu küren. Die CSU hatte Hanuschs Qualifikation massiv angezweifelt und die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde zur Prüfung eingeschaltet hatte. Nachdem die Regierung entschieden hatte, dass die Stelle hätte ausgeschrieben werden müssen, zog Hanusch ihre Bewerbung zurück.

In der Vollversammlung im Fröttmaninger Showpalast nahm die seit Tagen kontrovers und auch emotional geführte Debatte um das Prozedere bei der Vergabe der Spitzenämter eine konstruktive Wendung. Als mögliche Änderung denkbar wäre etwa eine Anpassung der Amtszeiten von Referenten an die Amtsperiode des Stadtrats - wie bei Ministerämtern auf anderen politischen Ebenen. Änderungen könnte es auch bei den bisher vorgegeben formalen Kriterien geben, etwa bei den beruflichen Voraussetzungen oder bei der grundsätzlichen Pflicht zur Ausschreibung.

Wie eine Reform im Detail aussehen könnte, ist noch offen. OB Reiter sagte am Rande der Vollversammlung, er habe dazu noch "keine vorgefertigte Meinung", wolle demnächst die Fraktionen zu einem Gespräch einladen. Es sei spannend, wie sich der Vorstoß aus der Diskussion entwickelt habe, und er sei "gespannt, wie die Staatsregierung damit umgeht".

Eine 1,5-Millionen-Stadt müsse anders betrachtet werden als eine kleine Gemeinde, so die einhellige Meinung

Einig waren sich viele Stadträte darin, dass eine Stadt wie München mit mehr als 1,5 Millionen Einwohnern und einem Zehn-Milliarden-Euro-Etat anders betrachtet werden müsse als eine kleine Gemeinde. Aufgebracht hatte dies Jörg Hoffmann, Fraktionschef von FDP/Bayernpartei. Wenn die Referentenposten zu einer Art Ministeramt würden, mit einer Wahlperiode analog zu jener des Oberbürgermeisters, dann sei das "wenigstens ehrlich". Die aktuelle Handhabung sei "wirklich pseudo". Damit spielte Hoffmann darauf an, dass es für die Nachbesetzung der Top-Jobs in mehreren Referaten keine Ausschreibung gegeben hatte.

CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl griff den Faden auf, es stelle sich die Frage, ob das geltende rechtliche Gerüst für eine Großstadt wie München geeignet sei. Um Änderungen voranzutreiben, etwa über den bayerischen Städtetag, sei man "jederzeit zu konstruktiven Gesprächen bereit".

SPD-Fraktionschef Christian Müller bedankte sich "überrascht", dass die Debatte anders verlaufe als er es befürchtet habe, ergo: sachlicher. Man müsse nach dem "Theaterdonner der letzten Tage" gemeinsam darüber nachdenken, "wie diese Ämter künftig zu besetzen" seien. Dass in der Diskussion bisweilen "despektierlich" über Parteizugehörigkeiten gesprochen werde, kritisierte Müller. Es sei vollkommen natürlich, dass die politische Mehrheit mit den Besetzungen politische Akzente setze.

Die Grünen äußerten sich nach der Sitzung: Für München sei es angemessen, Referatsleitungen letztlich wie "Stadtminister" mit politischer Relevanz zu behandeln. "Deshalb sollte die Gemeindeordnung auch entsprechend angepasst werden mit politischen Wahlen zu Anfang der Wahlperiode ohne beamtenrechtliche Gängelungen", so Fraktionschef Florian Roth.

Florian Roth will seine Äußerung zu "Pseudo-Ausschreibungen" so nicht gemeint haben

Die Opposition hatte ihn zuvor scharf dafür kritisiert, dass er in den vergangenen Tagen öffentlich von "Pseudo-Ausschreibungen" gesprochen hatte. Dies schade dem Stadtrat, sagte CSU-Fraktionschef Pretzl.

Roth entschuldigte sich und wollte seine Äußerung im Nachhinein so nicht gemeint haben. Das Vorgehen der CSU, die im Fall der designierten Baureferentin Anna Hanusch die Regierung von Oberbayern eingeschaltet hatte, habe ihn schockiert. "Herr Pretzl, wir werden das nicht vergessen." Der CSU warf er "Doppelmoral" vor. Sie sei mit ihrer Prüfung der beiden anderen Wahlen bei der Aufsichtsbehörde aber "krachend gescheitert". Pretzl wiederum warf den Grünen in der Debatte der vergangenen Tage eine "vollkommen enthemmte und jähzornige Sprache" vor.

Marie Burneleit (Die Linke/die Partei) mochte zwischen den großen Fraktionen keine großen Unterschiede erkennen und bedankte sich für die "wirklich wundervolle Posse". CSU, SPD und Grüne seien "alle gleich abgehoben" und übernähmen mit der Vergabe von Posten nach Parteibuch ihren Job, die Satire, selbst. Die ÖDP/München-Liste wollte per Dringlichkeitsantrag die Wahl der beiden neuen Referenten ohne Ausschreibung verhindern, fand dafür aber keine Mehrheit.

Jörg Hoffmann (FDP) kritisierte, dass der Usus durchbrochen werde, bewährte und anerkannte Referenten unabhängig von neuen Mehrheitskonstellationen im Amt zu belassen. Personalreferent Alexander Dietrich (CSU) werde "aus parteitaktischen Gründen aus dem Spiel genommen", obwohl er über die Parteigrenzen hinweg geschätzt sei.

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