Süddeutsche Zeitung

Extremismus:Im Alleingang den Ku-Klux-Klan entmachtet

Daryl Davis soll dafür verantwortlich sein, dass sich im US-Bundesstaat Maryland die rassistische Vereinigung aufgelöst hat. Nun kommt der Musiker nach München. Funktioniert seine Taktik auch in Deutschland?

Von Victor Sattler

Daryl Davis sammelt Trophäen. Der schwarze Pianist hat neben Musikpreisen einen Schrank voller Kutten, auf die er stolz ist. Die Kutten stammen von Mitgliedern des Ku-Klux-Klan (KKK), die von Davis bekehrt wurden und ihre rassistischen Überzeugungen aufgaben. In den USA ist Davis bekannt geworden für diesen ungewöhnlichen Ansatz. Er schließt Freundschaft mit Klan-Mitgliedern, die ihn für seine Hautfarbe hassen. Indem er Mensch und Weltbild trennt, so erklärt Davis seine Methode, finde er Zugang zu Nazis. Wenn ihm dies gelungen sei, rüttle er am festgefahrenen Feindbild seiner neuen Freunde - oft mit Erfolg, wie die vielen Kutten belegen. Im US-Bundesstaat Maryland soll sich der KKK nach seinen Aktionen aufgelöst haben.

Mit den Aktionen aber schafft sich Davis auch neue Feinde: linke Aktivisten, die finden, er helfe dem Klan. Denn vor Gericht setzt sich der 61-Jährige für seine Kumpel ein. Mitunter legt er seine Hand ins Feuer für Männer, die Hakenkreuz-Tattoos tragen. In Deutschland, wo hitzig diskutiert wird, ob man mit Rechtsextremen überhaupt reden soll, klingt Davis' Appell - "Gib den Rechtsextremen eine Plattform" - wie Hohn. Wenn Davis nun zum ersten Mal nach München kommt, zum "Munich Dialogue on Democracy" am Dienstag um 19 Uhr an die Ludwig-Maximilians-Universität sowie am Montag, 14. Oktober, um 17.30 Uhr auf Einladung der Diakonie an die Hochschule Fresenius, könnte er deshalb viel Widerspruch erleben. Oder wäre er imstande, mit seiner Methode auch deutschen Neonazis ihre Jacken und ihre Überzeugungen abzunehmen?

"Das Prinzip Daryl Davis ist gut übertragbar auf Deutschland", findet der Gewaltforscher Markus Fath, der Davis bei seinem zweiten Auftritt begleiten wird (Voranmeldungen sind bei beiden Anlässen erbeten). Wer auf Provokationen von rechts gelassen reagiere, unterwandere die wichtigste Erwartung der Extremisten: Dass sich alle gegen sie verschworen hätten. Danach folgt bei Davis ein Zwei-Stufen-Plan. Die Klan-Mitglieder sollen ihn kennenlernen und merken, dass er nicht in ihr schlechtes Bild von Schwarzen passt. Die zweite Stufe: Das geschlossene Weltbild des Klans auf die Probe zu stellen - sei es mittels der Bibel oder mittels wissenschaftlicher Methoden. Man dürfe aber nicht erwarten, dass die Ideologie sofort verworfen wird, so Fath. Oft habe sich das rassistische Gedankengut über Generationen gefestigt.

Für die Anführer des KKK bedeute der Sinneswandel außerdem einen enormen Machtverlust innerhalb ihrer Subkultur. In dieser wird viel Wert auf Spiritualität und Symbolik gelegt. Als Davis zu den Ritualen des Klans ging und sich die brennenden Kreuze aus nächster Nähe ansah, spielte er dieses emotionale Spiel zunächst mit. Indem er die Kutten bei sich ausstellt - am liebsten würde er ein Museum für seine KKK-Memorabilien eröffnen -, hält er die Mystik des Klans zwar am Leben. Aber er lässt die Ideen dahinter einen symbolischen Tod sterben, er erstickt sie quasi im Muff seines Kleiderschrankes.

Deutsche Rechtsextreme ticken da anders, sagt Gewaltforscher Markus Fath. Sie wollten ihre Ziele in der Tagespolitik verwirklichen und könnten hartnäckiger an ihren Überzeugungen festhalten.

Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, ist das Interesse an Davis groß. Zuletzt war er in Kanada auf Tour, bald wird er in Polen auftreten - und das, obwohl auch Zweifel keimen. Das Klan-Mitglied Richard Preston, mit dem Davis lange schon befreundet ist, hatte 2017 wieder an einer rechtsradikalen Demonstration teilgenommen und einen Schuss auf einen Schwarzen abgegeben. "Es gibt Rückfälle, wie bei einer Sucht", sagt Gewaltforscher Fath dazu. Davis behauptet: "Richard Preston ist auf dem Weg in die richtige Richtung, dank mir."

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Quelle:
SZ vom 08.10.2019
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